Leitsatz

Nach zeitlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten anzusammelnde Rückstellungen können abzuzinsen sein. Die Verpflichtung, teilweise in der Vergangenheit gebildete Rückstellungen ab dem 31.12.1999 abzuzinsen, ist mit dem Grundgesetz vereinbar und stellt keine unzulässige Rückwirkung dar.

 

Sachverhalt

Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Die Rückstellung für Rückbauverpflichtung erhöht sich als sog. echte Ansammlungsrückstellung nach zeitlichen Gesichtspunkten. Die Rückstellung für Rekultivierung einer Deponie stellt eine sog. unechte Ansammlungsrückstellung dar. Der Rückstellungsbetrag kann sich aus tatsächlichen Gründen in jedem Wirtschaftsjahr ändern. Die Verpflichtung eine Deponie zu rekultivieren ist nach tatsächlicher Inanspruchnahme anzusammeln. In beiden Fällen beruht die Ansammlung der Rückstellung darauf, dass die jeweilige Verpflichtung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise am maßgeblichen Bilanzstichtag nur anteilig verursacht ist.

Beide Rückstellungen sind laut BFH mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Von der Abzinsung sind nur Rückstellungen für Verpflichtungen ausgenommen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei den Rückstellungen für Rekultivierung und Rückbauverpflichtung nicht vor. Die Verpflichtung zur Abzinsung ist nicht gleichheitswidrig. Sie ist nicht willkürlich und hat den vom Gesetzgeber ausgeführten sachlichen Grund, die Möglichkeiten bilanzierender Unternehmer zur Bildung stiller Reserven einzuschränken. Die Ansammlung soll den Rückstellungsbetrag auf die Wirtschaftsjahre verteilen, die für das Entstehen der Verpflichtung ursächlich sind.

Die Abzinsung soll den Vorteil des Schuldners aus der in Zukunft zu erfüllenden Verpflichtung gegenüber einer sofortigen Leistungspflicht abbilden. Verfassungsrechtlich ist laut BFH nicht zu beanstanden, dass die Rückstellung abzuzinsen ist, zukünftige Preissteigerungen aber nicht zu berücksichtigen sind. Künftige Preissteigerungen werden aus Sicht des Bilanzstichtags erst in der Zukunft wirtschaftlich verursacht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG entfaltet eine Rechtsnorm eine verfassungsrechtlich unzulässige "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündigung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückwirkung mit Rechtsfolgen"). Im Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung ist hingegen eine "unechte" Rückwirkung anzunehmen. Die Übergangsregelung trägt dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz hinreichend Rechnung.

 

Hinweis

Der aus der erstmaligen Anwendung der Abzinsung auf früher ge­bildeten Rückstellungen entstehende Gewinn darf auf 10 Jahre verteilt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 5.5.2011, IV R 32/07.

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