Leitsatz

Für die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Erfüllungsleistungen und Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist der im Aufhebungsvertrag vereinbarte Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich.

 

Sachverhalt

Dem Chefarzt eines Krankenhauses (A) stand nach dem Dienstvertrag neben seinem Gehalt ein Liquidationsrecht bei stationären Patienten zu. Außerdem durfte er im Krankenhaus eine ambulante Nebentätigkeit ausüben. Am 20.1.1992 vereinbarte er mit seinem Arbeitgeber auf dessen Veranlassung die Aufhebung des Dienstvertrages zum 31.12.1993. Er wurde mit sofortiger Wirkung von seiner Arbeit freigestellt und erhielt folgende Zahlungen:

  • von Januar 1992 bis 31.3.1993 monatlich 18666 DM Bruttogehalt, wobei die private Liquidation unterbleiben sollte;
  • ab April 1993 bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres 1000 DM monatlich zur Verwendung für die Altersversorgung;
  • 600000 DM Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Da die Gehaltszahlungen für Januar 1992 bis März 1993 wesentlich höher waren als das bisherige Gehalt, sah das Finanzamt die Mehrzahlungen als Entschädigungen an. Nachdem diese sich auf zwei Jahre verteilten, versagte es die ermäßigte Besteuerung der Abfindungszahlung. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass die Abfindungszahlung nach Abzug des Freibetrags gemäß § 3 Nr. 9 EStG ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern ist. Ein zusammengeballter Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nur für die begünstigten Leistungen zu fordern. Das sind Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden und auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht dazu gehören Erfüllungsleistungen aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis. Ab wann vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen können, entscheidet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Dienstverhältnis wirksam beendet haben. Das war hier der 31.3.1993. Die bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Bruttogehälter sind – auch so weit sie das bisherige Gehalt überschreiten – keine Entschädigungen, sondern Erfüllungsleistungen aus dem Arbeitsverhältnis. Die Abfindung und die monatlichen Zahlungen von 1000 DM für die Altersversorgung sind Teile der einheitlich zu beurteilenden Entschädigung. Die monatlichen Zahlungen über zwei Veranlagungszeiträume sind für eine begünstigte Besteuerung der Abfindung unschädlich, weil es sich dabei um sog. Entschädigungszusatzleistungen handelt, die der Arbeitgeber aus Gründen der sozialen Fürsorge erbracht hat.

 

Praxishinweis

Im Besprechungsfall ist das Dienstverhältnis unter Beachtung der Kündigungsfristen erst zu einem späteren Zeitpunkt einvernehmlich beendet, der Chefarzt jedoch mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt worden. In solchen Fällen stellt sich regelmäßig die Frage, welcher Teil der vereinbarten Zahlungen bürgerlich-rechtlich noch Erfüllungsleistung aus dem Arbeitsverhältnis und welcher Teil als Entschädigung an die Stelle weggefallener Einnahmen getreten ist. Die Besonderheit liegt hier darin, dass der Arbeitgeber bis zum Beendigungszeitpunkt ein "angemessenes" Chefarztgehalt zahlen wollte. Dazu hat er den Arzt während des noch laufenden Dienstvertrags durch die Erhöhung des bisherigen Bruttogehalts so gestellt, als sei dieser weiterhin im vertraglich vorgesehenen Rahmen tätig. Die Mehrzahlungen sollten an die Stelle des privaten Liquidationsrechts treten. Sie sind damit kein Ersatz für entgehende Einnahmen, sondern – nach einer Vertragsmodifikation – Teil der geschuldeten Vergütung durch den Arbeitgeber.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 15.10.2003, XI R 17/02

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