Rz. 344

Durch das BilMoG wurde die Rückstellungsbewertung geändert. Rückstellungen waren zuvor mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist; sie waren nur abzuzinsen, wenn sie einen (verdeckten) Zinsanteil beinhalten (§ 253 Abs. 1 HGB a. F.). Diese nahezu aussageleeren Formulierungen wurden durch ausführlichere Regeln ersetzt, die zu den gravierendsten Neuerungen des HGB zählen. Einige der Regeln haben aber auch insoweit eher deklaratorischen Charakter, als sie schon bisher als zulässig angesehene Verfahrensweisen festschreiben, immerhin ein Gewinn an Rechtssicherheit.

 

Rz. 345

Grundsätzlich sind Rückstellungen zum Erfüllungsbetrag anzusetzen. Unter Einschränkung des Stichtagsprinzips soll damit dem Bedürfnis der Unternehmenspraxis nach einer mehr zukunftsorientierten Bewertung Rechnung getragen werden. Demnach sind, soweit es kaufmännisch vernünftig ist, künftige Kosten- und Preissteigerungen in die Bewertung einzubeziehen (vgl. Begr. RegE in Ernst/Naumann 2009, S. 79). Dies galt nach allerdings stark umstrittener Ansicht schon bisher als GoB-konform oder gar zwingend, so dass eine Einschränkung des Stichtagsprinzips nicht ohne weiteres festzustellen ist (vgl. Drinhausen/Ramsauer 2009, S. 50; Küting/Cassel/Metz 2009, S. 327). Für die Steuerbilanz hat dies jedenfalls keine Bedeutung, da mit dem ebenfalls geänderten § 6 Abs. 1 Nr. 3a f) EStG wie bisher an der formalen Deutung des Stichtagprinzips (aktuelles Preisniveau gilt) festgehalten wird.

 

Rz. 346

Die Erläuterungen zum Begriff des Erfüllungsbetrages in der Begr. RegE beziehen sich ausschließlich auf den Fall von Kosten- und Preissteigerungen. Deshalb ist nicht ganz eindeutig, ob bei entsprechenden erwarteten Senkungen auch eine niedrigere Rückstellungsbewertung erfolgt. Für die Folgebewertung von Rückstellungen kann hiergegen das Höchstwertprinzip für Schulden und die Auflösungsregel in § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB angeführt werden. Erträge aus einer niedrigeren Bewertung oder Auflösung von Rückstellungen wären dann erst bei endgültiger Realisierung möglich. Die Auflösungsregel in § 249 Abs. 2 HGB betrifft aber nach h. M. nur die Bilanzierung dem Grunde nach und nicht die Bewertung (vgl. IDW RS HFA 34 RN 8; Lüdenbach/Hoffmann, StuB 2009, S. 296). Auch die Stellung im Gesetz (unter den Ansatzvorschriften) bestätigt dies. Für die Bewertungsebene ist hingegen zu bedenken, dass alleine schon wegen der gesetzlich normierten Zinssätze und deren Änderungen ein Ertrag aus einer niedrigeren Rückstellungsbewertung möglich ist. Es kann deshalb unterstellt werden, dass der Erfüllungsbetrag jährlich nach oben oder unten anzupassen ist. Aus Vorsichtsgründen sind aber hohe bis sehr hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Kostensenkung zu stellen (vgl. Schubert in BeBiKo, § 253 HGB RN 158; WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, F 551).

 

Rz. 347

Ohne Zweifel führen die Schätznotwendigkeiten zu einem erweiterten Ermessensspielraum und könnten auch bilanzpolitisch missbraucht werden, wobei der Fall einer zu niedrigen Bewertung nach HGB besonders kritisch ist. Im Gesetz wird aber auch verlangt, dass die Bewertung der kaufmännischen Vernunft entsprechend zu erfolgen hat. Für Kosten- und Preisänderungen muss es deshalb konkrete Anhaltspunkte oder belastbare Erfahrungswerte geben (vgl. Zülch/Hoffmann, StuB 2009, S. 371). Insbesondere die Hoffnung auf technische Neuerungen, die zu einer verbesserten Kostenstruktur führen könnten, reicht nicht aus. Ob die Anforderungen an positive und negative Entwicklungen gleich sind oder sich an dieser Stelle ein neues Anwendungsfeld des allgemeinen Vorsichtsprinzips ergibt, bleibt abzuwarten.

 

Rz. 348

In der Literatur wurde die Berücksichtigung des künftigen Preisniveaus als Verstoß gegen das Periodisierungsprinzip kritisiert: bereits beim Einbuchen der Rückstellung wird die GuV belastet, während im Jahr der Preissteigerung die GuV nicht beeinflusst wird (vgl. Zimmermann/Meyer-Schell, StuB 2009, S. 585). In der Tat ist die Einstufung einer Preisänderung als nur werterhellend nicht unproblematisch. Auf der anderen Seite bestimmt sich der Wert der abzulösenden Schuld aber nach dem Preisniveau zum Erfüllungstermin und wird bei bewusst eingegangenen Risiken rationaler Weise auch so einkalkuliert.

 

Rz. 349

Durch das BilMoG hat sich nach vielfach geäußerter Ansicht auch die alte Streitfrage, ob Sachleistungspflichten mit Voll- oder Teilkosten zu bewerten sind, erledigt. Bisher wurde unter Verweis auf § 255 Abs. 2 HGB a. F. überwiegend von einem Wahlrecht ausgegangen.

 

Rz. 350

Eine Teilkostenbewertung wurde aber auch immer wieder als Verstoß gegen einen vollständigen und zutreffenden Schuldenausweis kritisiert. Da durch § 255 Abs. 2 HGB nunmehr die produktionsbezogenen Vollkosten als HK fixiert wurden, verbleibt für die Rückstellungsbewertung nur noch ein enger Wahlrechtsbereich (vgl. Weigl/Weber/Costa, BB 2009, S. 1065 f.). Es ist allerdings stark zu bezweifeln, dass § 255 HGB etwas mit der Bewert...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen