Zusammenfassung

 
Überblick

Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechts wurde vom Bundesverfassungsgericht eindeutig bejaht[1]. Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, steht die Mindestbeteiligung pflichtteilsberechtigter Angehöriger am Nachlass unter dem Schutz von Art. 6, 14 GG. Das Pflichtteilsrecht stellt demnach eine zulässige Schranke der verfassungsrechtlich geschützten Testierfreiheit dar[2].

Am 20.07.2009 wurde das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, das am 01.01.2010 in Kraft trat, verabschiedet. Nach Art. 229 § 21 Abs. 4 EGBGB gelten die Neuregelungen für Erbfälle ab dem 01.01.2010. Die wesentlichen Änderungen bestanden in der Neuregelung des § 2306 BGB sowie in der Einführung einer Abschmelzung nach § 2325 Abs. 3 BGB bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Auch die Stundung des Pflichtteils in § 2331a BGB wurde neu gefasst.

Des Weiteren erfuhr auch die Pflichtteilsentziehung Neuerungen. So wurde die Pflichtteilsentziehung für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten als Pflichtteilsberechtigte einheitlich geregelt. Zu den von § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfassten Personen gehören seither auch die dem Erblasser "ähnlich nahe stehenden Personen". In § 2333 Abs. 1 Nr. 4 wird nunmehr auf das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung abgestellt.

[1] BVerfG NJW 1995, 2977 ff.
[2] BVerfG NJW 1995, 2977 ff.

1 Allgemeine Voraussetzung für das Bestehen des Pflichtteilsrechts

Voraussetzung für das Bestehen des Pflichtteilsrechts ist, dass der Pflichtteilsberechtigte "enterbt" wurde (§ 2303 Abs. 1 S. 1 BGB), er mithin durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

2 Die Pflichtteilsberechtigten

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers (§ 2303 Abs. 1 BGB). Abkömmlinge des Erblassers sind alle Personen, die mit dem Erblasser in absteigender gerader Linie verwandt sind (§ 1589 Abs. 1 BGB), was bei Kindern, Enkeln, Urenkeln sowie bei angenommenen und auch bei nichtehelichen Kindern der Fall ist.

Daneben ist der Ehegatte pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB). Liegen jedoch im Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen der Ehescheidung vor und hatte der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt, gehört der überlebende Ehegatte nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten[3].

Außer den Abkömmlingen und dem Ehegatten können auch die Eltern des Erblassers ein Pflichtteilsrecht haben (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB). Allerdings müssen die Eltern des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden sein, um ein Pflichtteilsrecht zu haben[4]. Hinterlässt der Erblasser Abkömmlinge, sind die Eltern des Erblassers, sofern sie vom Erblasser nicht testamentarisch bedacht wurden, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen[5]. Der Ausschluss erfolgt per Gesetz und nicht, wie § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt, "durch Verfügung von Todes wegen". Ein Pflichtteilsrecht der Eltern besteht dann nicht.

Einschränkung des Pflichtteilsrecht der Eltern durch § 2309 BGB

Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt (§ 2309 BGB). Damit wird also klargestellt, dass einerseits die Eltern des Erblassers durch dessen Abkömmlinge und andererseits entferntere Abkömmlinge durch nähere Abkömmlinge vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen werden. § 2309 BGB findet vor allem dann Anwendung und führt zu einem Pflichtteilsrecht von Eltern oder entfernteren Abkömmlingen, wenn ein näherer Pflichtteilsberechtigter

vor dem Erbfall verstorben ist,

nach § 1953 BGB ausgeschlagen hat oder

für erbunwürdig erklärt wurde.

§ 2309 BGB sorgt somit dafür, dass es nicht zu einer doppelten Pflichtteilsberechtigung desselben Stammes kommt. Bezieht sich ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht auch auf Abkömmlinge, haben auch diese kein Pflichtteilsrecht.

[3] MüKo BGB/Lange, § 2303 Rn. 33 .

3 Anspruchsinhalt

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch. Er ist sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Bei illiquidem Nachlass, insbesondere bei Vorhandensein von Betriebs- oder Immobilienvermögen, besteht daher häufig das Problem, dass der Erbe Nachlassgegenstände versilbern muss, um Pflichtteilsansprüche erfüllen zu können.

4 Höhe des Pflichtteilsanspruchs

4.1 Allgemeines

Maßgeblich für die Höhe des Pflichtteilsanspruch sind die Höhe der gesetzlichen Erbquote (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB) und der Wert und der Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB).

Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).

Anhand der gesetzlichen Erbquote ist also zunächst die Höhe der Pflichtteilsquote zu ermitteln. Sodann kann der Pflichtteilsanspruch entsprechend dem Wert des Nachlasses berechnet werden. Um den Wert des Nachlasses ermitteln zu können, muss zunächst der Nachlassbestand festgestellt werden. Der Wert des Nachlasses ergibt sich aus ...

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