Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Einhaltung sozialer Mindeststandards in Deutschland hat sich der Einsatz von Fremdressourcen zu einem brisanten Compliance-Risiko entwickelt. Das zeigt sich nicht nur an den massiven Reaktionen von Öffentlichkeit und Verbrauchern bei entsprechenden Vorwürfen, sondern auch an einer erhöhten Ermittlungs- und Sanktionsbereitschaft der Behörden. Im Einzelnen sind Themen wie z. B. Scheinselbstständigkeit, Subunternehmerketten mit Lohndumping oder Schwarzarbeitern betroffen. Wir wollen nachstehend näher auf Risiken bei Werk- und Dienstleistungsverträgen eingehen.

Das Problem: Der Abschluss von Werk- und Dienstleistungsverträgen gehört einerseits zum Alltagsgeschäft von Fachabteilung oder Einkauf und wirft keine besonderen Compliance-Fragestellungen auf. Andererseits haben sich unter dieser Kategorie Formen des Fremdressourceneinsatzes im Grenzbereich des gesunden Menschenverstands entwickelt. In der tatsächlichen Abwicklung bestehen starke Ähnlichkeiten mit dem Einsatz eigener Arbeitnehmer oder von Leiharbeitnehmern. Die Unterschiede zum Fremdunternehmer, der seine eigenen Mitarbeiter zur Auftragserfüllung mitbringt, sind kaum noch zu erkennen.

In der Regel hat der Einkauf allerdings keine näheren Kenntnisse darüber, wo die Grenzen zum Arbeitsverhältnis liegen. Die Personalabteilung wird qua Definition nicht eingeschaltet – es handelt sich ja um Werkverträge, nicht um Anstellungsverhältnisse. Die Verträge sind in aller Regel rechtlich in Ordnung, sodass auch die hausinternen Juristen oder Rechtsberater kein Haar in der Suppe finden. Allerdings entscheidet in arbeits- und sozialrechtlichen Grenzfällen nicht die juristische Papierform, sondern die tatsächliche Praxis. Diese kennen in der Regel nur die Führungskräfte vor Ort.

Somit besteht das Risiko, dass Ihr Unternehmen unwillentlich in ein Compliance-Risiko hineinläuft. Werden die Arbeitnehmer eines beauftragten Unternehmens oder selbstständige Berater als Arbeitnehmer des eigenen Unternehmens eingestuft, drohen Bußgelder wegen der Verletzung von arbeitnehmerschutz- oder sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Sie müssen sich ferner auf Schwierigkeiten mit der Arbeitnehmervertretung und auf ein erhebliches Reputationsrisiko einstellen. Die vom Auftragnehmer eingesetzten Personen müssen von Ihnen dann wie eigene Mitarbeiter bezahlt werden.

Damit sollten Sie dieses Thema als übergreifendes Compliance-Thema aufnehmen. Die in den Fachabteilungen für den Einsatz von personellen Fremdressourcen und im Einkauf für den Abschluss der entsprechenden Verträge Verantwortlichen müssen Werk- oder Dienstleistungsverträge im kritischen Bereich von den Gestaltungsformen im Normalfall unterscheiden können.

Nachstehenden Fragen können hierbei helfen:

  • Kann der Beauftragte den Auftrag mit eigenen Ressourcen und in eigener Verantwortung erfüllen?
  • Hat der Auftraggeber ein Lastenheft erstellt, das der Geschäftspartner ohne laufende Weisungen abarbeiten kann?
  • Handelt es sich um Klein- und Kleinst-"Projekte" bis zur "Atomisierung" (z. B. Schweißnähte, Verputzarbeiten geringen Umfangs)?
  • Wird lediglich die Leistung einfacher, nicht erfolgsbezogener Arbeiten benötigt (z. B. Schreibarbeiten, Botendienste, einfache Zeichenarbeiten, Maschinenbedienung, Dateneingaben)?
  • Wie wird auf dem Betriebsgelände tätiges Fremdpersonal räumlich von den eigenen Mitarbeitern abgegrenzt?
  • Wie ist ausgeschlossen, dass Fremdpersonal Anweisungen durch eigene Mitarbeiter erhält?
  • Wie ist sichergestellt, dass das Fremdpersonal seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann?
  • Setzt das Fremdpersonal eigene Betriebsmittel und Werkzeuge ein?
  • Ist die Personalgestellung nur eine vorübergehende Folgeleistung der Lieferung einer Maschine oder Software?
  • War der Auftragnehmer bereits der öffentlichen Kritik wegen Verletzung von Vorschriften oder Sozialstandards ausgesetzt oder von behördlichen Ermittlungsverfahren betroffen?
  • Verfügt der Auftragnehmer über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, wenn seine Mitarbeiter auf Ihrem Betriebsgelände eingesetzt werden sollen? (Dann können die Mitarbeiter des Auftragnehmers dem Auftraggeber nicht als Arbeitnehmer zugerechnet werden.)

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