Kommentar

Die Finanzverwaltung nimmt nach einem Urteil des BFH zu einem recht interessanten "Gestaltungsmodell" Stellung: Ein deutscher Versandhändler hatte aus seinem Zentrallager aus der Schweiz an diverse Kunden im Inland Waren versandt, die unter der Wertgrenze für sog. Kleinsendungen (§ 5 UStG i. V. mit § 1 Abs. 1 EUStBV und Art. 27 Zollbefreiungsverordnung[1]: 22 ECU / jetzt 22 EUR) lagen. Nach den "Allgemeinen Vertragsbedingungen" wurden die Waren an der Grenze im Namen und für Rechnung des Erwerbers abgefertigt. Wegen der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung entstand aber keine Einfuhrumsatzsteuer (Einfuhr/Einfuhrumsatzsteuer). Der Lieferer ging von einer in Deutschland nicht steuerbaren Lieferung (Ort nach § 3 Abs. 6 UStG in der Schweiz) in der Schweiz aus.

Der BFH[2] sah hingegen die Verlagerung des Orts der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG (Lieferer ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer) in das Inland, so dass es für den liefernden Unternehmer zu einem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz im Inland gekommen war (Lieferung/Ort). Zwar sollte nach den Bedingungen der Erwerber der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein; der BFH sah diese Vereinbarung aber nicht als Vertragsbestandteil an, da sie so ungewöhnlich sei, dass sie gegen § 3 AGBG verstößt. Damit lag keine Vertretungsmacht des Lieferers für die Anmeldung der Waren für die Abnehmer vor, so dass der Anmelder der Abgabenschuldner geworden war. Auch sei es für die Verlagerung des Orts nach § 3 Abs. 8 UStG nicht Voraussetzung, dass tatsächlich eine Einfuhrumsatzsteuer entsteht, es würde dafür die Steuerbarkeit der Einfuhr nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG ausreichen.

Das BMF stellt jetzt in seinem Schreiben fest, dass die Grundsätze des Urteils in allen noch offenen Fällen anzuwenden sind. Dabei soll dies auch dann anzuwenden sein, wenn die Vereinbarung über den Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer nicht in den Allgemeinen Geschäftbedingungen, sondern durch einen vorgedruckten Hinweis auf dem Bestellschein oder ähnlichen Unterlagen vereinbart worden ist.

Praxis-Beispiel

Der Versandhändler V versendet aus der Schweiz an deutsche Endkunden Bücher, deren Wert je Sendung nicht 22 EUR übersteigen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist vereinbart, dass die Erwerber Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein sollen. Die Bücher werden in der Schweiz der Post übergeben.

Die Lieferung der Bücher ist in Deutschland steuerbar. Der Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 8 UStG in Deutschland, da der Lieferer der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist (Lieferung/Ort). Die zwischen Lieferer und Erwerber vereinbarte Regelung über die Schuldnerschaft bei der Einfuhrumsatzsteuer ist nicht Vertragsbestandteil, da sie gegen § 3 AGBG verstößt.

Die Einfuhr der Bücher ist zwar für V steuerbefreit nach § 5 UStG i. V. mit § 1 Abs. 1 EUStBV. V muss aber in Deutschland wegen der steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung der Bücher Umsatzsteuer aus den erhaltenen Entgelten in Höhe von 7 % (§ 12 Abs. 2 UStG) abführen.

Konsequenzen für die Praxis

Im Ergebnis ist sowohl dem Urteil des BFH wie auch der Umsetzung durch die Finanzverwaltung zuzustimmen. Wäre der Kläger mit seiner Auffassung erfolgreich gewesen, hätte sich hier eine Lücke ergeben, die einen unbesteuerten Endverbrauch im Inland zur Folge gehabt hätte.

Die Grundaussage zu der Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG geht aber weit über den entschiedenen und von der Finanzverwaltung aufgegriffenen Fall hinaus: Für die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG ist es nicht Voraussetzung, dass tatsächlich eine Einfuhrumsatzsteuer entsteht. Es ist vielmehr nur darauf abzustellen, ob sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG die Steuerbarkeit für die Einfuhr ergibt und wer dann nach den zollrechtlichen Vorschriften der Abgabenschuldner ist.

Wichtig

Der BFH hatte in seinem Urteil darauf hingewiesen, die Finanzverwaltung ist nicht darauf eingegangen: Auch wenn die Vereinbarung über die Steuerschuldnerschaft – und damit über die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG – zivilrechtlich zulässig vereinbart worden wäre, ist genau zu prüfen, ob nicht ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt, der zur Nichtanerkennung dieser "Gestaltung" führt. Zumindest in dem damals entschiedenen Fall gab der BFH deutlich zu verstehen, dass ein solcher Missbrauchsfall wohl angenommen werden könnte.

 

Link zur Verwaltungsanweisung

BMF, Schreiben v. 1.2.2008, IV A 5 – S 7114/07/0002, BStBl 2008 I S. 295.

[1] Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen v. 28.3.1983.

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