Kommentar

Zum 1.1.2011 ist die InsO in § 55 Abs. 4 InsO dahingehend ergänzt worden, dass Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten.

Praxis-Tipp

Die Regelungen gelten für den sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht nach § 22 Abs. 1 InsO übergegangen ist; für den sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter gilt § 55 Abs. 4 InsO nicht, da er insoweit sonstige Masseverbindlichkeiten bereits nach § 55 Abs. 2 InsO begründet.

Die Finanzverwaltung nimmt ausführlich – auch für das Ertragsteuerrecht – zu den Auswirkungen der Änderung der InsO Stellung und wendet in diesem Zusammenhang bei der Umsatzsteuer auch die Grundsätze aus der Rechtsprechung des BFH aus 2014[1] an. Danach werden aufgrund der Bestellung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters[2] bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen im Augenblick vor der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen uneinbringlich und müssen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt werden. Vereinnahmt später der Insolvenzverwalter Beträge, führt dies erneut zu einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, die aber im Unternehmensteil "Insolvenzmasse" erfolgt, und führt zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO.

Praxis-Beispiel

Der Insolvenzschuldner hat Forderungen aus steuerpflichtigen Leistungen i. H. v. 59.500 EUR (inkl. USt). Diese Umsätze sind von ihm ordnungsgemäß angemeldet worden. Zum 1.7.2015 wird ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Durch die Bestellung des Insolvenzverwalters werden diese Forderungen aus rechtlichen Gründen uneinbringlich und sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen; die Steuerschuld reduziert sich um 9.500 EUR. Wenn der Insolvenzverwalter später 23.800 EUR vereinnahmt (brutto), ergibt sich eine erneute Berichtigung der Umsatzsteuer, als Masseverbindlichkeit ergibt sich eine Umsatzsteuerschuld i. H. v. 3.800 EUR.

Wichtig

Die Grundsätze gelten auch für Leistungen, die nach der Bestellung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters ausgeführt werden. Die Leistungen sind grundsätzlich zu versteuern, gleichzeitig sind die entsprechenden Steuerbeträge zu berichtigen, da die Forderung aus rechtlichen Gründen uneinbringlich ist.

Praxis-Tipp

Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ("Istversteuerung") führt die Vereinnahmung der Entgelte durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter im vorläufigen Insolvenzverfahren mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO.[3]

Die Grundsätze gelten entsprechend für den Vorsteuerabzugsanspruch des Unternehmers. Die bisher geltend gemachten Vorsteuerbeträge sind als aus rechtlichen Gründen uneinbringlich anzusehen; die dann von dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter veranlassten Zahlungen führen dann erneut zu einer Änderung nach § 17 UStG.

Darüber hinaus nimmt die Finanzverwaltung zur Berechnung und Verteilung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO Stellung. Im Insolvenzverfahren sind bei allen Umsatzsteuersachverhalten die mit Insolvenzeröffnung entstehenden selbstständigen umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensteile "Insolvenzmasse" und "vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil" zu beachten.[4]

Praxis-Tipp

Bei der jeweiligen Steuerberechnung der einzelnen Unternehmensteile sind nur die Umsätze und die Vorsteuern der betreffenden Unternehmensteile zu berücksichtigen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO geltenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten für die Voranmeldungszeiträume des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter festzusetzen und bekannt zu geben.

Konsequenzen für die Praxis

Die Fragen der zutreffenden Zuordnung von Umsatzsteuerbeträgen und Vorsteuerbeträgen im vorläufigen Insolvenzverfahren stellen erfahrungsgemäß hohe Anforderungen an die Beteiligten. Die Rechtsprechung des BFH sowie die insolvenzrechtlichen Grundsätze haben sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert. Zum Glück sind nicht so viele Unternehmer bzw. deren Berater von dieser Thematik betroffen.

Praxis-Tipp

Das BMF-Schreiben enthält auch ausführliche Hinweise zur verfahrensrechtlichen und ertragsteuerrechtlichen Abwicklung.

Die Grundsätze des Schreibens treten mit sofortiger Wirkung an die Stelle des BMF-Schreibens vom 17.1.2012.[5]

 

Link zur Verwaltungsanweisung

BMF, Schreiben v. 20.5.2015, IV A 3 – S 0550/10/10020-05, BStBl 2015 I S. 491.

[2] Soweit allgemeiner Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO, das Recht zum Forderungseinzug nach § 22 Abs. 2, § 23 InsO oder die Berechtigung zur Kassenf...

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