1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift, die allein noch aus § 27 Abs. 3 besteht, regelt die Vertretung eines Vorsitzenden durch einen Berufsrichter in den (seltenen) Fällen, in denen dies nicht durch einen Berufsrichter desselben Gerichts möglich ist. § 27 Abs. 3 entspricht § 70 Abs. 1 GVG, der gemäß § 202 nicht entsprechend anzuwenden ist, da § 27 Abs. 3 als Spezialnorm aufrechterhalten wurde. Gesetzestechnisch wäre es ebenso möglich gewesen, auch Abs. 3 aufzuheben mit der Folge, dass dann – mangels einer Spezialnorm – § 70 Abs. 1 GVG gemäß § 202 Anwendung gefunden hätte. Inhaltliche Unterschiede bestehen jedoch zwischen beiden Regelungen nicht. § 27 Abs. 1 und 2, die die Vertretung des aufsichtsführenden Richters regelten, sind durch das Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte v. 26.5.1972 (BGBl. I S. 841) mit Wirkung zum 1.10.1972 aufgehoben worden. Gemäß § 6 gilt insoweit der Zweite Teil des GVG (§ 21h GVG).

2 Rechtspraxis

 

Rz. 2

Die Regelung in § 27 Abs. 3 ist erforderlich, um für den zwar seltenen, aber durchaus möglichen Fall, dass alle Berufsrichter (tatsächlich oder aus Rechtsgründen) eines Gerichts verhindert sind oder den verbliebenen Berufsrichtern eine Vertretung nicht mehr möglich ist, eine Vertretung zu ermöglichen. Gemäß § 21e Abs. 1 Satz 1 GVG hat das Präsidium eine umfassende Vertretungsregelung für den Bereich der richterlichen Tätigkeit im Geschäftsverteilungsplan vorzunehmen. Da die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit immer mehrere Vorsitzende haben, ist damit eine abstrakte Vertretungsregelung immer möglich. Es kann aber (zumindest theoretisch) eine Situation entstehen, in der alle Vorsitzenden eines (kleineren) Gerichts aufgrund von Überlastung, Urlaub, Erkrankung und/oder Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gehindert sind, die Aufgaben eines Vorsitzenden wahrzunehmen. Allein in diesen Ausnahmefällen hat auf Antrag des Präsidiums (nicht des Präsidenten als Gerichtsleiter) die Landesregierung bzw. die von ihr beauftragte Stelle (das zuständige Ministerium oder der Präsident des Landessozialgerichts) die Vertretung durch einen Berufsrichter eines anderen Gerichts zu bestimmen. Sie stellt in eigener Zuständigkeit fest, ob ein Regelungsbedürfnis überhaupt besteht und mit welchen Maßnahmen Abhilfe zu schaffen ist (Schmidt, in: Hennig, SGG, § 27 Rz. 4). Eine Bindung an den Antrag des Präsidiums besteht nicht (a. A. Burkiczak, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 27 Rz. 8: Bindung an die Bejahung des Bedarfes durch das Präsidium – außer bei Willkür). In Eilfällen kann die Antragstellung gemäß § 21i Abs. 2 GVG durch den Präsidenten als Vorsitzenden des Präsidiums (nicht als Gerichtsleiter) erfolgen. Es ist jedoch unverzüglich die Genehmigung des Präsidiums einzuholen. Wird gegen diese Verfahrensvorschriften verstoßen, ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt, worauf ein Rechtsmittel gestützt werden kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 27 Rz. 2). Dies darf aber wegen der grundgesetzlichen Garantie des gesetzlichen Richters nur dann geschehen, wenn es sich um eine vorübergehende Situation und nicht um eine dauerhaft erkennbare Geschäftsbelastung handelt (BVerfG, Urteil v. 3.7.1962, 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61). Die Sicherstellung der Vertretung wird regelmäßig durch die (vorübergehende) Abordnung oder Zuweisung eines weiteren Berufsrichters erfolgen. Über die Verwendung des zugewiesenen Richters entscheidet das Präsidium in eigener Zuständigkeit.

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