1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift regelt die Verkündung der aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 124 Abs. 1) erlassenen Urteile. Diese Urteile werden durch ihre Verkündung existent, während bei Urteilen, die im schriftlichen Verfahren erlassen werden (§ 124 Abs. 2, § 126), die Verkündung durch die Zustellung ersetzt wird (§ 133).

2 Rechtspraxis

2.1 Verkündung unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verhandlung

 

Rz. 2

Verkündung ist das Verlesen der Urteilsformel (Abs. 2 Satz 1; § 136 Abs. 1 Nr. 4). Diese muss also im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt sein, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden kann (vgl. § 311 Abs. 2 Satz 1 oder § 311 Abs. 4 Satz 2 ZPO; vgl. auch BGH, NJW 1985 S. 1782, 1783). Durch die Pflicht zur schriftlichen Niederlegung soll sichergestellt werden, dass die verkündete Formel und die später im Urteil abgesetzte Formel identisch sind (vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 116 Rn. 20). Nach BGH reicht als Grundlage einer Verkündung durch Verlesen der Urteilsformel ein stenografisch festgehaltener Tenor aus (BGH, Urteil v. 23.10.1998, LwZR 3/98, NJW 1999 S. 794). Die Urteilsformel muss nicht unterschrieben sein (vgl. auch Rz. 6). Die Verkündung erfolgt stets in öffentlicher Sitzung, die Anwesenheit der Beteiligten ist nicht erforderlich (vgl. § 312 ZPO). Ob die vollständige Urteilsformel auch dann vorgelesen werden muss, wenn außer Richtern und Protokollführer niemand (mehr) im Saale anwesend ist, ist streitig. Nach § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. d. F. des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) v. 27.7.2001 (BGBl. I S. 1887), das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, kann nämlich die Verlesung der Urteilsformel durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung des Urteils von den Parteien niemand erschienen ist. Das am 2.1.2002, also fast zeitgleich in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG v. 17.8.2001 hat insoweit keine entsprechende Regelung in das SGG eingefügt, obwohl etwa auch § 134 geändert worden ist, so dass fraglich ist, ob gleichwohl § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren über § 202 anwendbar ist (bejahend Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 132 Rn. 5a; Timme, NzS 2004 S. 292, 298; für die VwGO Baumbach/Lauterbach/Albers, § 311 Rn. 10; Kopp/Schenke, § 116 Rn. 4; a. A. GK-Bley § 132 Anm. 6a; Bolay, in: Lüdtke, § 132 Rn. 4; Pawlak, in: Hennig, § 132 Rn. 23). Es bestehen zwar keine grundsätzlichen Verfahrensunterschiede, doch würde eine bloße Bezugnahme auf die Urteilsformel entsprechend § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO der Anordnung des § 132 widersprechen, der eine Regelungslücke nicht erkennen lässt. Zudem dürfte eine wirkliche prozessökonomische Notwendigkeit für die entsprechende Anwendung des § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht bestehen, zumal die zu erzielende Verfahrensvereinfachung ebenso marginal wäre wie die Bedeutung dieser Streitfrage.

Das Urteil verkündet der Vorsitzende (§ 202 SGG i. V. m. § 136 Abs. 4 ZPO). Eingeleitet wird die Verkündung des Urteils mit den Worten "Im Namen des Volkes". Das Fehlen dieser Formel ist unschädlich (LSG BW, Urteil v. 17.10.1996, L 7 U 15129/96; Peters/Sautter/Wolff, § 132 Rn. 18). Bemerkt der Verkündende während des Verlesens der Urteilsformel eine Unklarheit oder Unrichtigkeit (z. B. unvollständiges Datum, falsche Bezeichnung des Rechtsmittels oder des Leistungspflichtigen) darf er diese nicht dadurch "korrigieren", dass er etwas anderes verkündet als schriftlich niedergelegt worden war. Er kann aber die Verkündung bis zum vollständigen Verlesen der Urteilsformel abbrechen. Bis dahin handelt es sich nämlich noch um einen korrigierbaren Entwurf. Das Gericht kann nach dem Abbruch der Verlesung wieder in die Beratung eintreten und einen anderen Tenor niederlegen und verkünden (vgl. BVerwGE 72 S. 28, 37). Nach der vollständigen Verkündung ist das Gericht gebunden (§ 318 ZPO) und können Fehler nur noch nach §§ 138 ff. berichtigt werden.

 

Rz. 3

Nach Abs. 2 Satz 2 soll bei der Verkündung der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitgeteilt werden, wenn Beteiligte anwesend sind. Die Beteiligten können auf die Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe verzichten. Wie nach § 311 ZPO liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, im Einzelfall zu entscheiden, in welchem Umfang er das Urteil mündlich begründet und er hierbei ggf. auf die Erörterung der Sach- und Rechtslage während der vorangegangenen mündlichen Verhandlung Bezug nimmt. Weichen die mündlich mitgeteilten Entscheidungsgründe wesentlich von den Entscheidungsgründen des schriftlichen Urteils ab, ist das schriftliche Urteil maßgebend (vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 116 Rn. 23). Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens i. S. d. § 162 Abs. 1 Nr. 2 liegt nicht vor (BSG, SozR Nr. 159 zu § 162 SGG). Anders als während der Verkündung der Urteilsformel kann unter den Voraussetzungen des § 172 GVG die Öffentlichkeit bei der Bekanntgabe der Entscheidungsgründe ausgeschlossen werden, was einen Beschluss voraussetzt (§ 61 Abs. 1).

 

Rz. 4

Gemäß Abs. 1 Satz 1 wird das Urteil grundsätzlich in dem Termin verkündet, in dem di...

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