1 Vorbemerkung

Kaum eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Gemeinnützigkeit von Vereinen hat in den letzten Jahren ein solch (negatives) Medienecho hervorgerufen, wie das u. a. Urteil zur Frage der Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Einschlägige Medienkreise haben das Urteil so gewertet, dass es sich um eine einseitige (gesteuerte) Aktion gegen eine politisch unliebsame Organisation handelt.

Eine vergleichbare Diskussion gibt es derzeit in der Politik zur Frage der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe (DHU), die durch das Durchsetzen von Fahrverboten von Dieselfahrzeugen von sich reden macht.

2 Leitsatz

  • Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i. S. von § 52 AO.
  • Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.

3 Worum geht es in diesem Verfahren?

Im Kern geht es bei diesem Verfahren nicht um die vermutete politische Vorgehensweise, sondern es dreht sich schlicht um die Frage der Satzung von Attac. Der BFH hat die Satzung von Attac dahingehend geprüft, ob sich diese Organisation mit ihrer politischen Betätigung noch im Rahmen des Satzungszwecks bewegt oder nicht.

Der BFH hat das verneint und betont, dass nicht die politische Betätigung als solche schädlich für die Gemeinnützigkeit ist, sondern die Tätigkeit einer Organisation ohne Satzungsbezug.

So hatte bereits das zuständige Finanzamt Attac die Gemeinnützigkeit versagt, da es bereits an der formellen Satzungsmäßigkeit (§§ 59, 60 AO) fehle. Die in der Satzung des Klägers genannte Förderung der Demokratie genüge nicht.

Hiergegen wandte sich die Organisation mit dem Argument, dass eine wörtliche Übernahme der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) nicht erforderlich sei. Attac habe mit seinen politischen Aktionen nur satzungsmäßige gemeinnützige Ziele verfolgt. Die Abgabenordnung verbiete es nicht, gemeinnützige Ziele mit politischen Mitteln und Aktionen zu verfolgen.

Das Hessische Finanzgericht (FG) war dagegen davon ausgegangen, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche.

4 Rechtslage und Begründung des BFH

Der BFH hat die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

  1. Ausgangspunkt: § 52 AO

    Gemeinnützig ist im Steuerrecht die Verfolgung der in § 52 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Hierzu gehört nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Allerdings dürfen sich Körperschaften nach ständiger BFH-Rechtsprechung zur Förderung ihrer nach § 52 AO steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke in gewissen Grenzen auch betätigen, um z. B. zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu nehmen.

  2. Argumente des BFH

    • Für die zur Volksbildung gehörende politische Bildung ist wesentlich, politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden. Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus.
    • Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.
    • Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von Attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen.
    • Attac ist im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit nicht berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei "Kampagnen" zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z. B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.
    • Das FG hat nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem Attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der Attac-Bewegung zuzurechnen sind. Dies ist in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen.
    • Dabei hat das FG auch die Selbstdarstellung des Attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen.

5 Hinweis

Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass Attac keine Spendenbescheinigungen nach § 10b Abs. 1 EStG mehr ausstellen darf.

Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung von Attac in Folgejahren von Bedeutung sein.

Fundstellen

BFH, Urteil v. 10.01.2019, Az.: V R 60/17

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