1 Vorbemerkung: Was bedeutet "Compliance"?

Der Begriff kommt aus der freien Wirtschaft und ist meist bei Vorstand und Verein (noch) nicht sehr geläufig. Der zugrundeliegende Gedanke spielt jedoch gerade für den Vorstand und seine Haftung eine wichtige Rolle.

Compliance bedeutet die Einhaltung und Überwachung aller extern vorgegebenen und der intern selbst gegebenen Gesetze, Regeln, Normen und Pflichten. Ziel der Compliance-Organisation im Verein ist es, Fehlverhalten im Verein sowie Schäden und Ansehensverluste vom Verein abzuwenden.

Bei anderen Gesellschaftsformen gibt es dafür ausdrückliche Rechtsgrundlagen, die der Vorstand beachten muss:

Im Vereinsrecht gibt es keine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Einrichtung einer Compliance-Organisation in einem e.  V. Insofern besteht also für den Vorstand hierzu keine Verpflichtung.

Nach der aktuellen Rechtsprechung im Vereinsrecht zur Haftung von Vorständen nach § 26 BGB ergibt sich jedoch eine allgemeine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch den Vorstand. Faktisch bedeutet dies eine angemessene Einhaltung gesetzlicher Regelungen und deren Überwachung im Verein (Grundsatz der Organisationspflicht). Diese Pflichten eines Vorstands betreffen vor allem die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Erhaltung des Vereinsvermögens. Schon vor diesem Hintergrund bietet sich die Einrichtung eines Compliance-Systems an.

Im Vereinsrecht ergibt sich die Haftung des (ehrenamtlichen!) Vorstands aus § 26 BGB nach den Grundsätzen des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Beauftragten.

Die Haftung eines solchen Vorstands im Innenverhältnis zum Verein ergibt sich aus den allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen des BGB.

Vorstandsmitglieder eines Vereins haften daher organisationsrechtlich gem. §§ 27 Abs. 3, 664 ff. in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB für jede schuldhafte (§ 276 Abs. 1 BGB) Verletzung ihrer Pflichten aus dem durch die Bestellung begründeten Vorstandsamtes. Allerdings ist diese Haftung durch § 31a Abs. 1 BGB seit 2009 auf die Fälle grober Fahrlässigkeit beschränkt. Die Haftung für Fälle der einfachen Fahrlässigkeit ist für einen ehrenamtlichen Vorstand entfallen.

Die aktuellen Fälle der Praxis, wie z.  B. beim ADAC, bei GREENPEACE und bei UNICEF, zeigen mit großer Deutlichkeit, welche fatalen Konsequenzen sich aus dem Fehlverhalten und der mangelnden Überwachung durch den Vorstand ergeben können und welcher Schaden und Ansehensverlust damit verbunden sein können.

Im Grunde ist also "Compliance" – das aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum kommt – nichts Neues und könnte als "alter Wein in neuen Schläuchen" abgetan werden. Gleichwohl sollte sich jeder Vorstand – je nach Art und Größe des eigenen Vereins – über die Einrichtung von Compliance-Systemen Gedanken machen. Denn im Kern geht es auch um die persönliche Verantwortung und Haftung.

2 Entscheidung des Landgerichts (LG) München I

Die Entscheidung des LG München I betrifft die Firma Siemens, die 15 Mio. Euro Schadensersatz gegen ihr ehemaliges Vorstandsmitglied Neubürger wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten eingeklagt hatte. Diese hatten nach Auffassung von Siemens unter anderem zu den bekannten Schmiergeldzahlungen geführt, die für Siemens massive Folgen hatten.

Hinweis: Der Fall betrifft das Aktienrecht und nicht das Vereinsrecht. Die Grundgedanken und Grundsätze lassen sich jedoch auf die Vereinsarbeit übertragen.

3 Leitsätze der Entscheidung

  • Ein Vorstandsmitglied hat dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße erfolgen.
  • Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte effiziente Compliance-Organisation eingerichtet ist.

4 Die Entscheidung

Die Einrichtung und Überwachung eines Compliance-Systems gehört zu den Leitungsaufgaben des Vorstands. Der Beklagte hat seine Sorgfaltspflichten verletzt und ist daher der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet.

Nach der Entscheidung muss ein Vorstandsmitglied nicht nur in eigener Person sämtliche Vorschriften einhalten, die die Gesellschaft als Rechtssubjekt treffen. Es muss auch dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Rechtsverstöße stattfinden. Diese Entscheidung kann analog auf den Verein und seinen Vorstand übertragen werden.

Dieser Organisationspflicht genügt der Vorstand bei entsprechender Gefährdungslage nur, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet.

Ein Unterlassen von Maßnahmen im Unternehmen, um Fehlverhalten und Rechtsverstöße abzustellen, stellt dabei ebenso eine Pflichtverletzung dar, als wenn das Vorstandsmitglied Kenntnis von Fehlverhalten der Organisation hatte, was im vorliegenden Fall geschehen war.

Fundstellen

LG München I, Urteil v. 10.12.2013, Az.: 5 HK O 1387/10

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