Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. gegen die Feststellungen des Urteils des Landsgerichts Hamburg vom 5. April 2002 – 622 Ks 26/01 – sowie die Besetzung der Schwurgerichtskammer richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern zu I. und II. drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen, dem Beschwerdeführer zu III. die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 gebotene Belehrung ausländischer Beschuldigter über das Recht auf konsularische Unterstützung.
A.
I.
1. Das am 24. April 1963 geschlossene Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (Wiener Konsularrechtsübereinkommen – WÜK, BGBl 1969 II S. 1585), dem auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, verfügt über mehr als 160 Vertragsparteien und hat damit im Wesentlichen universelle Geltung. Nach seinen Bestimmungen bedarf die Aufnahme konsularischer Beziehungen der Willensübereinstimmung der beteiligten Staaten (Art. 2 WÜK). Die Konsuln nehmen als nationale Organe ihrer Staaten im zwischenstaatlichen Verkehr mit dem Empfangsstaat und auf seinem Gebiet vor allem die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen des Entsendestaats sowie seiner Angehörigen wahr (Art. 5 Buchstabe a WÜK). Die Aufgaben der Konsulatsvertreter beim Schutz der Angehörigen des Entsendestaats schließen ferner die Vertretung vor den Gerichten und Behörden des Empfangsstaats ein. Art. 36 WÜK bestimmt hierzu:
(1) Um die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben in Bezug auf Angehörige des Entsendestaats zu erleichtern, gilt folgendes:
a) Den Konsularbeamten steht es frei, mit Angehörigen des Entsendestaats zu verkehren und sie aufzusuchen. Angehörigen des Entsendestaats steht es in gleicher Weise frei, mit den Konsularbeamten ihres Staates zu verkehren und sie aufzusuchen;
b) die zuständigen Behörden des Empfangsstaats haben die konsularische Vertretung des Entsendestaats auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung haben die genannten Behörden ebenfalls unverzüglich weiterzuleiten. Diese Behörden haben den Betroffenen unverzüglich über seine Rechte auf Grund dieser Bestimmung zu unterrichten;
c) Konsularbeamte sind berechtigt, einen Angehörigen des Entsendestaats aufzusuchen, der sich in Straf- oder Untersuchungshaft befindet oder dem anderweitig die Freiheit entzogen ist, mit ihm zu sprechen und zu korrespondieren sowie für seine Vertretung in rechtlicher Hinsicht zu sorgen. Sie sind ferner berechtigt, einen Angehörigen des Entsendestaats aufzusuchen, der sich in ihrem Konsularbezirk auf Grund eines Urteils in Strafhaft befindet oder dem auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jedoch dürfen Konsularbeamte nicht für einen Staatsangehörigen tätig werden, der in Straf- oder Untersuchungshaft genommen
oder dem anderweitig die Freiheit entzogen ist, wenn er ausdrücklich Einspruch dagegen erhebt.
(2) Die in Absatz 1 genannten Rechte sind nach Maßgabe der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaats auszuüben; hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass diese Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften es ermöglichen müssen, die Zwecke vollständig zu verwirklichen, für welche die in diesem Artikel vorgesehenen Rechte eingeräumt werden.
Art. I des Fakultativprotokolls zum Konsularrechtsübereinkommen über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (BGBl 1969 II S. 1688) regelt ergänzend:
Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens unterliegen der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs und können diesem daher durch Klage einer Streitpartei unterbreitet werden, die Vertragspartei dieses Protokolls ist.
Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Fakultativprotokoll am 7. Oktober 1971 in Kraft getreten.
Innerstaatlich konkretisiert Nr. 135 der Richtlinien über den Geschäftsverkehr mit ausländischen Vertretungen in Haftsachen (RiVASt, Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., Bd. 2, I A 4) die Regelungen des Art. 36 WÜK wie folgt:
(1) Auf Verlangen des Betroffenen ist unverzüglich die konsularische Vertretung zu unterrichten, wenn in deren Amtsbezirk ein Angehöriger ihres Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen wird. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung über eine Inhaftierung und seinen Aufenthaltsort ist unverzüglich weiterzuleiten. Der Betroffene ist über seine entsprechenden Rechte zu belehren.
(2) Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Unterrichtung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen (vgl. Länderteil) ist zu beachten.
(3) Der Schriftverkehr zwischen dem inhaftierten Ausländer und der für ihn zuständigen diplomatischen oder konsularischen ausländischen Vertretung unterliegt der Überwachung und Beschränkung nach den allgemeinen Vorschriften.
2. a) aa) Am 2. März 1999 erhob die Bundesrepublik Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage gegen die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) wegen Verletzung von Art. 36 WÜK und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Klage und Antrag stützten sich auf Art. I des Fakultativprotokolls zum Konsularrechtsübereinkommen. Der Klage lag der Fall der deutschen Staatsangehörigen Karl und Walter LaGrand zugrunde, die seit 1967 dauerhaft in den USA lebten. 1982 waren beide wegen versuchten bewaffneten Bankraubs, in dessen Verlauf der Bankdirektor getötet wurde, verhaftet und im Februar (Schuldspruch) und Dezember 1984 (Strafspruch) wegen Mordes ersten Grades zur Todesstrafe verurteilt worden. Die zuständigen US-amerikanischen Behörden hatten es – auch nach Erlangung der Kenntnis von der deutschen Staatsangehörigkeit der Brüder LaGrand – unterlassen, diese gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK über ihre Rechte nach dem Konsularrechtsübereinkommen zu unterrichten. Die gegen die Verurteilung eingelegten Rechtsmittel waren erfolglos geblieben.
Im Juni 1992 hatten die LaGrand-Brüder die deutsche konsularische Vertretung benachrichtigt, nachdem sie im Gefängnis Kenntnis von ihren Rechten nach dem Konsularrechtsübereinkommen erhalten hatten. Mit konsularischer Unterstützung Deutschlands betrieben die Brüder ein bundesrechtliches Habeas corpus-Verfahren, mit welchem sie die unterbliebene Belehrung und Benachrichtigung der konsularischen Vertretung als entscheidungserheblichen Verfahrensfehler rügten. Ihre Anträge blieben ohne Erfolg, weil nach Auffassung der zuständigen Gerichte in einem bundesgerichtlichen Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nur solche Rügen erhoben werden könnten, die bereits vor den gliedstaatlichen Gerichten zumindest der Sache nach geltend gemacht worden seien (so genannte procedural default rule). Die hiergegen zum Supreme Court of the United States (US Supreme Court) erhobenen Beschwerden blieben erfolglos. Karl LaGrand wurde am 24. Februar 1999, Walter LaGrand – ungeachtet einer Stunden zuvor ergangenen einstweiligen Anordnung des Internationalen Gerichtshofs (vgl. IGH, LaGrand Case, Request for the Indication of Provisional Measures, Order of 3 March 1999, Germany v. United States of America, ICJ-Reports 1999, S. 9 ff.) – am 3. März 1999 hingerichtet.
bb) Mit Urteil vom 27. Juni 2001 entschied der Internationale Gerichtshof, dass die USA mangels Belehrung der Brüder LaGrand gegen Art. 36 Abs. 1 WÜK verstoßen hätten (IGH, LaGrand Case, Judgment of 27 June 2001, Germany v. United States of America, ICJ-Reports 2001, S. 464 ff.). Zum einen habe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK der Bundesrepublik Deutschland die Ausübung ihrer eigenen Rechte nach Art. 36 Abs. 1 Buchstaben a und c WÜK unmöglich gemacht. Zum anderen begründe Art. 36 Abs. 1 WÜK Rechte des Einzelnen, die dem Empfangsstaat unmittelbar gegenüber festgehaltenen Personen oblägen und die der Entsendestaat vor dem Internationalen Gerichtshof geltend machen könne (IGH, a.a.O., S. 494, Ziffer 77). Im konkreten Fall habe die Anwendung der procedural default rule dazu geführt, dass die Brüder LaGrand den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK entgegen Art. 36 Abs. 2 WÜK nicht hätten rügen können (IGH, a.a.O., S. 497, Ziffer 90 f.).
b) In einem von Mexiko gegen die USA angestrengten Verfahren, dem eine ähnliche Konstellation zugrunde lag, hatte der Internationale Gerichtshof erneut über die sich im Falle eines Verstoßes gegen Art. 36 WÜK ergebenden Rechtsfolgen zu entscheiden. In seinem Urteil vom 31. März 2004 bestätigte er seine Entscheidung im Fall „LaGrand”, indem er den (auch) subjektiv-rechtlichen Charakter der aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK folgenden Rechtspflichten unterstrich und die Anwendung der procedural default rule im konkreten Fall für mit Art. 36 Abs. 2 WÜK unvereinbar erachtete (IGH, Case concerning Avena and other Mexican Nationals, Judgment of 31 March 2004, Mexico v. United States of America, ILM 43 ≪2004≫, S. 581 ≪613≫, Ziffer 111 f.). Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK enthalte eine eindeutige und unbedingte Verpflichtung, den Betroffenen über die Möglichkeit konsularischen Beistands zu belehren. Darüber hinaus konkretisierte der Internationale Gerichtshof das in Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK normierte Merkmal der Unverzüglichkeit dahingehend, dass eine Belehrungspflicht ab dem Zeitpunkt bestehe, in dem die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von der ausländischen Staatsangehörigkeit des Betroffenen erlangten bzw. sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Betroffene wahrscheinlich nicht US-Amerikaner sei (IGH, a.a.O., S. 608, Ziffer 88). Mit Blick auf die Rechtsfolgen entschied er, dass die USA verpflichtet seien, in den betroffenen Fällen die Möglichkeit einer Nachprüfung vor staatlichen Gerichten zu gewährleisten „to permit review and reconsideration of these nationals cases by the United States courts”, IGH, a.a.O., S. 615, Ziffer 121).
c) aa) Im Anschluss an die Avena-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs erhielt der US Supreme Court im Fall des wegen versuchten Mordes verurteilten mexikanischen Staatsangehörigen Sanchez-Llamas Gelegenheit, sich mit der Auslegung von Art. 36 WÜK durch den Internationalen Gerichtshof und ihren Auswirkungen in der US-amerikanischen Rechtsordnung zu befassen. Mit Urteil vom 28. Juni 2006 entschied er mit der Mehrheit seiner Stimmen, dass das Konsularrechtsübereinkommen hinsichtlich der Umsetzung von Art. 36 keine Vorgaben treffe und daher einer Anwendung der procedural default rule nicht entgegenstehe. Die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs verdienten zwar grundsätzlich „respectful consideration”, entfalteten jedoch lediglich für die am Verfahren beteiligten Parteien Bindungswirkung (Supreme Court of the United States, Sanchez-Llamas v. Oregon, Opinion of the Court of 28 June 2006 – No. 04-10566, im Umdruck S. 18 ff.). Sie seien überdies nicht mit den Besonderheiten des US-amerikanischen Prozessrechts vereinbar, das hauptsächlich auf das Vorbringen der Parteien im Prozess abstelle „which relies chiefly on the parties to raise significant issues and present them to the courts in the appropriate manner at the appropriate time for adjudication”, US Supreme Court, a.a.O., im Umdruck S. 21). Die Auslegung von Art. 36 WÜK durch den Internationalen Gerichtshof müsse angesichts des Vorrangs der nationalen Rechtsordnung daher unberücksichtigt bleiben (US Supreme Court, a.a.O., im Umdruck S. 18 f., 22 f.).
bb) Demgegenüber vertrat Richter Breyer in einem Sondervotum die Ansicht, das Gebot, den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs mit „respectful consideration” zu begegnen, verlange, Art. 36 WÜK in der Weise auszulegen, wie dies in den Fällen „LaGrand” und „Avena” geschehen sei (Supreme Court of the United States, Sanchez-Llamas v. Oregon, Dissenting Opinion Justice Breyer of 28 June 2006 – No. 04-10566, im Umdruck S. 13, 18 ff.). Zwar sei der US Supreme Court nicht an die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs gebunden; „respectful consideration” müsse jedoch vor dem Hintergrund sowohl des Gebots der Einheitlichkeit der Vertragsauslegung als auch der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge gewährleistet sein (a.a.O., im Umdruck S. 19 f.). Der Supreme Court habe in der Vergangenheit denn auch vielfach Bezug auf Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs genommen (a.a.O., im Umdruck S. 21).
3. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen zwei Strafurteile und die Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs.
a) aa) Gegen den Beschwerdeführer zu II.1., der türkischer Staatsangehöriger ist, war am 10. August 1998 durch das Amtsgericht Braunschweig Haftbefehl wegen des Verdachts des Mordes erlassen worden. Bei seiner Festnahme belehrten ihn die Polizeibeamten gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO über sein Recht, zu schweigen sowie einen Rechtsanwalt beizuziehen, nicht aber gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK über sein Recht auf Kontaktaufnahme mit dem türkischen Konsulat. Den Beamten war die türkische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu II.1. bekannt. Auch der Haftrichter belehrte ihn ausschließlich nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO.
bb) Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu II.1. wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe, den Beschwerdeführer zu I.1. (und deutschen Staatsangehörigen) sowie die Beschwerdeführer zu I.2. und II.2. (und serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen) wegen Anstiftung zum gemeinschaftlichen Mord unter gleichzeitiger Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Es ging davon aus, dass der Beschwerdeführer zu II.1. unter Mitwirkung eines weiteren Tatbeteiligten einen Braunschweiger Bordellbesitzer in dessen Fahrzeug erschossen hatte. Nach den gerichtlichen Feststellungen gehörte der Beschwerdeführer zu II.1. zu einer im Bereich der Prostitution konkurrierenden Gruppe, deren Leitung die Beschwerdeführer zu I.1., I.2. und II.2. innehatten. Das Gericht war davon überzeugt, dass sie den auf der so genannten Soldatenebene tätigen Beschwerdeführer zu II.1. angestiftet hatten, die Tat auszuführen.
In der Hauptverhandlung machte der Beschwerdeführer zu II.1. von seinem Schweigerecht Gebrauch. Seine Überzeugung von der Schuld der Beschwerdeführer stützte das Gericht unter anderem auf die polizeilichen Angaben des Beschwerdeführers zu II.1., die es durch zeugenschaftliche Vernehmung des Vernehmungsbeamten in den Prozess einführte. Es schilderte im Rahmen seiner Feststellungen im Einzelnen, wie sich der Beschwerdeführer zu II.1. im Ermittlungsverfahren gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten eingelassen hatte, und berücksichtigte diese Ausführungen mehrfach im Rahmen der Beweiswürdigung. Anschließend prüfte es, ob die Angaben des Beschwerdeführers zu II.1. wegen Verstoßes gegen §§ 136, 136 a StPO einem Verwertungsverbot unterlägen, und verneinte dies. Auf das Problem der fehlenden Belehrung über das Recht auf Benachrichtigung des Konsulats ging das Gericht nicht ein. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. hatten der Verwertung der polizeilichen Vermerke in der Hauptverhandlung – gestützt auf den Einwand fehlender anwaltlicher Vertretung – generell widersprochen.
cc) Mit ihren Revisionen machten die Beschwerdeführer zu I. und zu II. geltend, dass der Beschwerdeführer zu II.1. als türkischer Staatsangehöriger dem Schutzbereich des Konsularrechtsübereinkommens unterfalle und daher bei seiner Festnahme durch die Polizei nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK hätte belehrt werden müssen. Der Internationale Gerichtshof habe im Fall „LaGrand” festgestellt, dass Art. 36 Abs. 1 WÜK Individualrechte des seiner Freiheit beraubten ausländischen Staatsbürgers gewährleiste. Deshalb müsse der Verstoß gegen die Norm ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers zu II.1. zur Folge haben. Auch die von dem Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen nicht unmittelbar betroffenen Beschwerdeführer zu I.1., I.2. und II.2. hätten einen Anspruch darauf, dass ihrer Verurteilung nur die in einem ordnungsgemäßen Verfahren gewonnenen Beweisergebnisse zugrunde gelegt würden.
dd) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 7. November 2001 verwarf der Bundesgerichtshof (BGH) die Revisionen der Beschwerdeführer als unbegründet. Zwar begründe Art. 36 Abs. 1 WÜK ein unmittelbar vom Richter anwendbares subjektives Recht des ausländischen Beschuldigten; die Norm berühre jedoch nicht die Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren, da sie den unmittelbar Betroffenen nicht vor eigenen unbedachten Aussagen schützen wolle, die dieser vor der Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Konsulat bzw. der entsprechenden Belehrung über seine diesbezüglichen Rechte gemacht habe. Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK ergänze lediglich den Schutzzweck der § 114 b StPO, Art. 104 Abs. 4 GG, deren Ziel es sei, ein unbemerktes Verschwinden des Beschuldigten in der Haft auszuschließen. Der erforderliche Schutz des ausländischen Beschuldigten werde hinreichend durch das Recht auf Verteidigerkonsultation und durch die Aussagefreiheit gemäß § 136 Abs. 1 StPO gewährleistet. Ein weitergehender Schutz verkörpere eine ungerechtfertigte Privilegierung des ausländischen Beschuldigten gegenüber anderen Beschuldigten. Ohnehin sei nur der Haftrichter gemäß §§ 115, 115 a, 128 StPO zuständige Behörde im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK. Aus der fehlenden konsularischen Belehrung des Beschwerdeführers zu II.1. könne sich daher kein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der im Ermittlungsverfahren getroffenen Aussagen ergeben.
b) aa) Der Beschwerdeführer zu III. ist türkischer Staatsangehöriger. Anlässlich seiner Festnahme wurde er sowohl von den Ermittlungsbeamten als auch dem Haftrichter mehrfach über seine Rechte nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, nicht aber gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK belehrt. Er machte im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben zur Sache. Zu einer Benachrichtigung der türkischen Auslandsvertretung kam es nicht.
bb) Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu III. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren. Es ging davon aus, dass er gemeinsam mit zwei weiteren Mitangeklagten die Wohnung des Tatopfers aufgesucht hatte, um den dort als Sicherheit für die Rückzahlung eines Darlehens hinterlegten Schmuck mittels vorgehaltener Waffen und körperlicher Gewalt zurückzuerlangen. Nach den Feststellungen des Gerichts kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, in deren Rahmen einer der Mitangeklagten dem Tatopfer mit dem Lauf einer Pistole auf den Kopf schlagen und es auf diese Weise handlungsunfähig machen wollte. Dabei löste sich ein Schuss, der das Tatopfer tödlich verletzte. Der Beschwerdeführer zu III. und die beiden Mitangeklagten verließen fluchtartig die Wohnung, wobei sie den verpfändeten Schmuck mit sich nahmen.
Neben den teilweise widersprüchlichen Angaben im Rahmen der Hauptverhandlung stützte das Schwurgericht seine Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers zu III. auf die umfangreichen Angaben, die er nach Erlass des Haftbefehls gegenüber den vernehmenden Polizeibeamten gemacht hatte. Das Gericht ging davon aus, dass diesen Einlassungen unter sämtlichen Angaben der Angeklagten der größte Wahrheitsgehalt beizumessen sei, und berücksichtigte sie wiederholt im Rahmen der Beweiswürdigung. Dabei prüfte es nicht, ob die Einlassungen wegen Verstoßes gegen §§ 136, 136 a StPO oder die Belehrungspflicht gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK einem Verwertungsverbot unterlagen. Der Beschwerdeführer zu III. hatte der Verwertung seiner Einlassungen widersprochen, wobei sich der Widerspruch auf eine Verletzung der §§ 163 a Abs. 4 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen fehlenden Hinweises auf die bereits – vermeintlich – erfolgte Mandatierung eines Strafverteidigers bezog.
cc) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu III. das Verfahren und erhob die allgemeine Sachrüge. Er machte geltend, dass er als türkischer Staatsangehöriger dem Schutzbereich des Konsularrechtsübereinkommens unterfalle und daher im Rahmen des Ermittlungsverfahrens über seine aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK folgenden Rechte hätte belehrt werden müssen. Ferner rügte er eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, da das Schwurgericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Im Übrigen rechtfertigten die Feststellungen des Landgerichts keine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge.
dd) Mit Antragsschrift vom 13. November 2002 beantragte der Generalbundesanwalt, die Revision des Beschwerdeführers zu III. im Beschlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zwar könne Art. 36 Abs. 1 WÜK ungeachtet seines Charakters als Regel des Völkerrechts auch subjektive Rechte begründen. Die Norm sei indes dahingehend einschränkend auszulegen, dass sie den unmittelbar von einer vorläufigen Festnahme Betroffenen nicht vor eigenen unbedachten Äußerungen schütze, die er vor der Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Konsularbeamten bzw. seiner Belehrung über seine diesbezüglichen Rechte getroffen habe.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. Januar 2003 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers zu III. unter Hinweis auf die Gründe der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet.
II.
1. a) Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer zu I. und II. einen Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Frage, ob sich aus einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK ein Beweisverwertungsverbot ergebe, inzident bejaht, da er andernfalls von einer Erörterung des Schutzbereichs der Norm hätte absehen können. Dann aber sei kein Grund ersichtlich, warum im Ergebnis der Bestand eines Verwertungsverbots gleichwohl abgelehnt werde. Die Annahme eines Verwertungsverbots liege entsprechend der neueren revisionsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO auch nahe, wenn mit dem Internationalen Gerichtshof und dem angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs angenommen werde, dass Art. 36 Abs. 1 WÜK Individualrechte begründe. Der Bundesgerichtshof bestimme den Schutzzweck der Norm zu eng, wenn er ihr einen im Vergleich zum nationalen Verfassungs- und Strafprozessrecht weitergehenden Inhalt abspreche. Die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK habe den Zweck, die sich aus der konkreten Prozesssituation des ausländischen Beschuldigten ergebenden negativen Konsequenzen zu kompensieren. Dieser Zweck bedinge, dass nicht allein der Richter, sondern auch die ermittelnden Polizeibeamten zur Belehrung verpflichtet seien.
b) Die Beschwerdeführer zu I. und II.2. machen geltend, dass auch sie sich auf das Beweisverwertungsverbot berufen könnten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Befugnis, Verfahrensfehler zu rügen, die Strafverfolgungsbehörden gegenüber anderen Personen begangen hätten, sei heterogen. Der Bundesgerichtshof verlange nach seiner Rechtskreisrechtsprechung zwar einerseits, dass die verletzte Norm (auch) den Schutz des Verfahrensbetroffenen bezwecke. Andererseits erkenne er aber an, dass ein verfahrensfehlerhaft erlangter Beweis in einem rechtsstaatlichen Verfahren generell nicht verwertet werden dürfe. Auf diese in der Rechtsprechung bislang ungeklärte Frage komme es vorliegend aber nicht an. Denn der Bundesgerichtshof habe die Rügebefugnis der Beschwerdeführer offen gelassen, um sich auch insoweit allein auf die verfassungsfehlerhafte Auslegung von Art. 36 WÜK zu stützen.
2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Zum einen habe das Schwurgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergäbe, dass er das Zuschlagen mit der Schusswaffe durch den Mitangeklagten in seinen Vorsatz aufgenommen habe. Da § 251 StGB indes jedenfalls bedingten Vorsatz hinsichtlich der Gewaltanwendung voraussetze, müsse eine Strafbarkeit des Beschwerdeführers zu III. insoweit ausscheiden. Zum anderen erweise sich die Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Art. 36 Abs. 1 WÜK als objektiv willkürlich. Der Bundesgerichtshof habe zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Norm ein subjektives Recht des Betroffenen begründe. Die sich aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK ergebende Belehrungspflicht sei jedoch überflüssig, wenn ihr ein im Vergleich zum nationalen Verfassungs- und Strafprozessrecht weitergehender Schutzzweck abgesprochen werde. Aus dem Umstand, dass ihn weder die vernehmenden Polizeibeamten noch der zuständige Haftrichter über seine Rechte nach der Konsularrechtskonvention belehrt hätten, müsse daher ein Verwertungsverbot hinsichtlich der im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben folgen. Im Übrigen verstoße das Urteil des Landgerichts gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil auch die Entbindung des Hauptschöffen von seiner Dienstpflicht durch den Kammervorsitzenden objektiv willkürlich gewesen sei.
III.
Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. erhielten die Bundesregierung, das Bundesministerium der Justiz, das Niedersächsische Justizministerium, die Länderinnenministerien und der Bundesgerichtshof Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit nicht von einer Stellungnahme abgesehen wurde, sprachen sich die Äußerungsberechtigten gegen eine Stattgabe aus. Im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. wurden der Bundesregierung, dem Bundesministerium der Justiz, der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg, den übrigen Länderinnenministerien und dem Bundesgerichtshof Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Entscheidungsgründe
B.
Soweit der Beschwerdeführer zu III. die Besetzung der Schwurgerichtskammer und die von ihr getroffenen Feststellungen rügt, nimmt die Kammer seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil sie unzulässig ist (I.). Im Übrigen gibt die Kammer den Verfassungsbeschwerden statt (II.).
I.
Im Hinblick auf die Rüge der fehlerhaften Besetzung der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Hamburg und die im Urteil getroffenen Feststellungen trägt der Beschwerdeführer zu III. nicht hinreichend substantiiert die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung vor (vgl. §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
1. Das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstreckt sich grundsätzlich auch auf die ordnungsgemäße Besetzung der Richterbank (BVerfGE 40, 356 ≪361≫). Es muss im Voraus so genau wie möglich feststehen, welches Gericht und welcher Spruchkörper mit welchen Mitgliedern zur Entscheidung über eine Rechtssache berufen sind. Eine sich aus der Sache ergebende und unvermeidbare Ungewissheit ist allerdings hinzunehmen (vgl. BVerfGE 17, 294 ≪300≫; 18, 344 ≪349 f.≫; BVerfGK 3, 329 ≪330≫). Dies gilt insbesondere für die Fälle des Ausscheidens, der Krankheit, der Verhinderung, des Urlaubs oder des Wechsels eines oder mehrerer Richter. Das Recht auf den gesetzlichen Richter verlangt somit nicht allgemein, dass die Besetzung eines Gerichts vom Beginn des Verfahrens bis zur Entscheidung unverändert bleibt, da dies die Rechtspflege erheblich erschweren würde.
Gemessen an diesem Maßstab setzt sich der Beschwerdeführer zu III. nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass nach der durch Art. 2 Nr. 5 des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) bewirkten Neufassung des § 54 GVG die Entscheidung des Vorsitzenden über die Verhinderung eines Schöffen nicht anfechtbar ist (vgl. § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG). Damit unterliegt seine Verfahrensrüge sowohl auf fachgerichtlicher als auch auf verfassungsgerichtlicher Ebene nur noch der beschränkten Nachprüfung, ob die Entbindung vom Amt des Hauptschöffen auf Willkür beruht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 – 1 StR 249/81 –, NStZ 1982, S. 476; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Februar 1981 – 3 Ss 302/80 –, NStZ 1981, S. 272). Hierfür sind nach seinem Vortrag jedoch keine Anhaltspunkte erkennbar. Die von ihm angeführte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis, weil ihr die Rechtslage vor Änderung des § 54 GVG zugrunde liegt; sie kann damit nur noch in begrenztem Umfang für die Frage, wann ein Schöffe verhindert ist, Geltung beanspruchen.
2. Im Hinblick auf die Feststellungen des Landgerichts wäre der Beschwerdeführer zu III. allenfalls dann beschwerdebefugt, wenn er hinreichend substantiiert die Möglichkeit eines sachlich unhaltbaren Urteils vorgetragen hätte (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278 f.≫). Dies ist nicht der Fall. Das Landgericht hat zwar einen bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers zu III. hinsichtlich des Zuschlagens mit der Waffe durch den Mitangeklagten verneint. Daraus folgt jedoch nicht, dass er generell ohne Vorsatz bezüglich des für die Annahme von Raub und räuberischer Erpressung erforderlichen Nötigungselements gehandelt hätte. Dass sich der Vorsatz eines Mittäters nicht auf jede einzelne Handlung der anderen Mittäter im Rahmen der Tatbegehung erstrecken muss, solange diese im Wesentlichen dem zuvor getroffenen Tatplan entspricht, ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung, die insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 219/04 –, NStZ-RR 2005, S. 71 ≪72≫; BGH, Urteil vom 19. September 2001 – 2 StR 224/01 –, NStZ-RR 2002, S. 9). Ein den übrigen Mittätern nicht zurechenbarer Exzess liegt hiernach nur dann vor, wenn die in Rede stehende Handlung des einen Beteiligten für die übrigen Beteiligten nicht voraussehbar war bzw. diesen nicht gleichgültig ist. Hierfür sind nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar.
II.
Im Übrigen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an und gibt ihnen nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig und offensichtlich begründet. Ihre Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die in den Verfassungsbeschwerden aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt oder lassen sich ohne weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes befasst und daraus die Pflicht der Fachgerichte zur Berücksichtigung der Entscheidungen eines völkervertraglich ins Leben gerufenen internationalen Gerichts abgeleitet (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 111, 307 ≪315 ff.≫ zur Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). Es hat festgestellt, dass diese verfassungsunmittelbare Berücksichtigungspflicht, die auch bei der Anwendung der Grundrechte zum Tragen kommt (BVerfGE 111, 307 ≪329≫), nicht für jede Bestimmung des Völkerrechts anzunehmen ist, sondern nur, soweit dies von dem in den Art. 23 bis 26 GG sowie in den Art. 1 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegten Konzept des Grundgesetzes verlangt wird (BVerfGE 112, 1 ≪25≫). Sind diese Bereiche betroffen, muss es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls möglich sein, gestützt auf das einschlägige Grundrecht, in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu rügen, staatliche Organe hätten eine Entscheidung des zuständigen internationalen Gerichts missachtet oder nicht berücksichtigt (BVerfGE 111, 307 ≪329 f.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
a) Im Hinblick auf die Rüge des Verstoßes gegen Art. 36 WÜK folgt die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer zu II.1. und III. aus ihrem Recht auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass sich aus der engen Auslegung des Schutzzwecks von Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK eine Grundrechtsverletzung ergibt. Auch die Beschwerdebefugnis der nicht unmittelbar von dem behaupteten Verfahrensfehler betroffenen Beschwerdeführer zu I.1., I.2. und II.2. ist gegeben. Es ist rechtlich jedenfalls möglich, dass die Verletzung der Belehrungspflicht gegenüber dem unmittelbar Betroffenen zu einem Verbot der Verwertung der verfahrensfehlerhaft erlangten Aussage auch zugunsten Dritter führt. Aus dem rechtsstaatlichen, fairen Verfahren kann sich ergeben, dass sich der Staat eines rechtswidrig erlangten Beweises generell nicht bedienen darf (vgl. BGHSt 33, 148 ≪154≫). Der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdeführer zu I.1., I.2. und II.2. ist auch hinreichend substantiiert, weil er sich mit den insoweit in der Rechtsprechung vertretenen Ansichten auseinandersetzt.
b) Den Verfassungsbeschwerden steht auch nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen. Die Beschwerdeführer haben die Verletzung des Art. 36 Abs. 1 WÜK im Instanzenzug ordnungsgemäß gerügt und der Verwertung der Angaben der Beschwerdeführer zu II.1. und III. widersprochen. Im Revisionsrechtszug haben sie die Verfahrensrügen gemäß § 344 Abs. 2 StPO auf Verletzungen von Art. 36 Abs. 1 WÜK gestützt. Sie haben ferner den maßgeblichen Verfahrensgang dargestellt und auch das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im „LaGrand-Fall” ordnungsgemäß in die Revision eingeführt.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich begründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedeutung von Verfahrensfehlern im Strafprozess stellt das Recht auf ein faires Verfahren den maßgeblichen Anknüpfungspunkt dar (a). Es ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, das Recht auf ein faires Verfahren zu konkretisieren (b). Die Fachgerichte sind gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet, Art. 36 WÜK ebenso wie das nationale Strafprozessrecht anzuwenden und auszulegen (c). Obwohl der Bundesgerichtshof als zuständiges Fachgericht von Verfassungs wegen verpflichtet war, die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zum Konsularrechtsübereinkommen zu berücksichtigen (d), hat er Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK in den angegriffenen Beschlüssen in einer Weise ausgelegt, die derjenigen des Internationalen Gerichtshofs widerspricht (e). Die Missachtung der Berücksichtigungspflicht können die Beschwerdeführer als Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip rügen. Der Bundesgerichtshof hat daher zu klären, welche Folgen sich aus dem Verfassungsverstoß für die strafprozessualen Verfahren ergeben (f).
a) Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG das Recht des Beschuldigten auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren (BVerfGE 26, 66 ≪71≫; 38, 105 ≪111≫; 40, 95 ≪99≫; 65, 171 ≪174≫; 66, 313 ≪318≫; 77, 65 ≪76≫; 86, 288 ≪317 f.≫). Es schützt die Subjektstellung, die dem Beschuldigten im rechtlich geordneten Strafprozess zukommt. Der Beschuldigte darf nicht nur Objekt des Verfahrens sein; ihm muss vielmehr auch praktisch die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte aktiv auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪274 f.≫; 63, 332 ≪337≫; 64, 135 ≪145≫). Damit ist der Anspruch auf ein faires Verfahren durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher Waffengleichheit zwischen Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet. Er dient in besonderem Maße dem Schutz des Beschuldigten, für den bis zur Verurteilung die Vermutung seiner Unschuld streitet (BVerfGE 38, 105 ≪111≫).
Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis der Möglichkeit des Beschuldigten, sich wirksam zu verteidigen (vgl. nur BVerfGE 56, 37 ≪49≫). Dies umfasst zunächst das Recht, in der Hauptverhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen (BVerfGE 41, 246 ≪249 f.≫). Der ausländische Angeklagte hat einen Anspruch, in seiner Muttersprache oder mit einem Dolmetscher den Prozess verfolgen zu können (vgl. BVerfGE 40, 95 ≪99≫). Gewährleistet ist ferner das Recht, sich in jedem Stadium des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen (BVerfGE 38, 105 ≪118≫; 39, 156 ≪168≫; 66, 313 ≪323≫). Der Angeklagte muss in jeder Situation des Verfahrens auf dessen Durchführung und damit auf die Wahrheitsermittlung Einfluss nehmen können.
b) Der Grundsatz des fairen Verfahrens gehört indes zu den Verfassungsprinzipien abstrakter Natur, der die Heranziehung konkreter Vorschriften des einfachen Rechts nicht ersetzt (vgl. dazu Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. Lieferung, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 72). Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, dass das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält (vgl. nur BVerfGE 63, 45 ≪61≫). Vielmehr ist es Regelungsauftrag an den Gesetzgeber und Leitlinie für den das Strafverfahren im Rahmen der von der Strafprozessordnung vorgegebenen Regeln gestaltenden Richter, seine Konkretisierung Pflicht der zuständigen Fachgerichte bei der ihnen obliegenden Gesetzesauslegung und -anwendung (BVerfGE 64, 135 ≪146≫; 92, 277 ≪326 f.≫). Demzufolge ist es zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, das Recht auf ein faires Verfahren auszugestalten. Er kann dabei zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung der grundgesetzlichen Anforderungen wählen. Er kann Rechtsfolgen ihrer Verletzung normieren (vgl. § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO), muss dies aber nicht, da lückenfüllend das Recht auf ein faires Verfahren zur Anwendung gelangt. Die Fachgerichtsbarkeit hat sodann den Schutzgehalt der jeweils in Frage stehenden Verfahrensnorm und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten Verfahrensnorm kann danach ebenso in das Recht des Beschuldigten eingreifen wie eine Überspannung der weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich rechtswidrig gewonnener Beweise (dazu vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 1995 – 2 BvR 326/92 –, NStZ 1995, S. 555).
c) Das faire Verfahren wird allerdings nicht nur durch die Normen der Strafprozessordnung, sondern auch durch völkervertragsrechtliche Vorschriften ausgestaltet. Bundesgesetze im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilen innerstaatlich den Befehl zur Anwendung der betreffenden völkerrechtlichen Verträge bzw. setzen diese in nationales Recht um. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen völkerrechtliche Verträge wie das Konsularrechtsübereinkommen, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 82, 106 ≪120≫; 111, 307 ≪317≫). Diese Rangzuweisung führt in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dazu, dass deutsche Gerichte das anwendbare Völkervertragsrecht wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (vgl. nur BVerfGE 111, 307 ≪317≫). Ist eine völkerrechtliche Norm in den Rang des Gewohnheitsrechts erwachsen, sind die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 25 GG grundsätzlich daran gehindert, innerstaatliches Recht in einer die Norm verletzenden Weise auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪27≫).
Art. 36 WÜK, der in der deutschen Rechtsordnung damit im Range eines Bundesgesetzes gilt, enthält Vorgaben, die unmittelbar für den deutschen Strafprozess einschließlich des Ermittlungsverfahrens relevant sind, wenn – wie vorliegend – Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaats verfolgt werden. Die Norm ist hinreichend bestimmt, um von den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf keiner Ausführungsgesetzgebung, sondern ist self-executing (vgl. auch Supreme Court of the United States, Sanchez-Llamas v. Oregon, Dissenting Opinion Justice Breyer of 28 June 2006 – No. 04-10566, im Umdruck S. 8; Grzeszick, Rechte des Einzelnen im Völkerrecht, AVR 43 ≪2005≫, S. 312 ≪318≫). Daran ändert nichts, dass mit den RiVASt der Normgehalt des Art. 36 WÜK innerstaatlich konkretisiert wurde. Denn als Verwaltungsvorschriften haben die RiVASt unmittelbar nur interne Bedeutung.
d) Das Grundgesetz legt die deutsche öffentliche Gewalt programmatisch auf die internationale Zusammenarbeit (Art. 24 GG) und die europäische Integration (Art. 23 GG) fest und bindet sie darüber hinaus an das Völkervertrags- (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) und Völkergewohnheitsrecht (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 25 GG). Es ist Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, dass dieses nach Möglichkeit so auszulegen ist, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht. Hieraus ergibt sich eine verfassungsunmittelbare Pflicht der deutschen Gerichte, einschlägige Judikate der für Deutschland zuständigen internationalen Gerichte zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
aa) Ungeachtet des Umstands, dass die Gewährleistungen der Menschenrechtskonvention in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab sind (BVerfGE 74, 102 ≪128≫; 111, 307 ≪317≫), hat das Bundesverwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die deutschen Gerichte eine Pflicht zur vorrangigen Beachtung gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Menschenrechtskonvention treffe (BVerwGE 110, 203 ≪210≫). Der Auslegung der Konvention durch den Gerichtshof kann über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine normative Leitfunktion beigemessen werden, an der sich die Vertragsparteien zu orientieren haben. Diesem Ansatz hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen (vgl. BGHSt 45, 321 ≪328 ff.≫; 47, 44 ≪47 ff.≫).
bb) Im Hinblick auf die internationale Strafgerichtsbarkeit bestimmt Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, dass ein Deutscher an einen internationalen Gerichtshof ausgeliefert werden darf, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind. Die Norm bezieht sich primär auf die internationalen Strafgerichtshöfe im Rahmen der Vereinten Nationen (vgl. BTDrucks 14/2668 vom 10. Februar 2000, S. 4). Neben die vom UN-Sicherheitsrat als Nebenorgane gegründeten Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda tritt nunmehr der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Ebenso wie die genannten Vorgänger ist er für die Anwendung der Normen des Völkerstrafrechts zuständig, ohne territorial auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt zu sein. Internationale Gerichtshöfe im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG können Urteile mit unmittelbarer Wirkung für Einzelne erlassen. Ihre Rechtsprechung ist von deutschen Gerichten zu beachten, die das internationale Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden haben (vgl. Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2000 – 2 BvR 1290/99 –, NJW 2001, S. 1848 ≪1849≫). Für den Bereich der internationalen Strafgerichtsbarkeit bildet Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG damit die Grundlage der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung der Entscheidungen der zuständigen internationalen Gerichte und Tribunale auch bei der Auslegung der Grundrechte (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪25≫).
cc) Eine solche Berücksichtigungspflicht trifft die Fachgerichte auch hinsichtlich der hier relevanten Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs auf dem Gebiet des Konsularrechts.
Zwar ordnet das Grundgesetz nicht allgemein die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter das Völkerrecht und einen Geltungsvorrang der Völkerrechtsordnung vor dem Verfassungsrecht an. Nur soweit das Grundgesetz die Staatsorgane mittelbar in den Dienst der Durchsetzung des Völkerrechts stellt und dadurch das Risiko der Nichtbefolgung internationalen Rechts vermindert, kann von einer verfassungsunmittelbaren und rügefähigen Pflicht der deutschen Behörden zur Berücksichtigung der Entscheidungen der zuständigen internationalen Gerichtsbarkeit auch bei der Auslegung der Grundrechte ausgegangen werden. Die Pflicht der Fachgerichte, die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zum Konsularrechtsübereinkommen zu berücksichtigen, ergibt sich vorliegend indes aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Verbindung mit der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 59 Abs. 2 GG), welche die Entscheidungen eines völkerrechtlich ins Leben gerufenen internationalen Gerichts nach Maßgabe des Inhalts des inkorporierten völkerrechtlichen Vertrags umfasst (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪319≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 –, NVwZ 2004, S. 852 ≪853≫). Daher kann dahinstehen, ob es sich bei Art. 36 WÜK um ein Menschenrecht im Sinne von Art. 1 Abs. 2 GG handelt, wie dies die Bundesrepublik Deutschland im LaGrand-Verfahren ebenso wie Mexiko im Avena-Fall vertreten hatte (dazu Oellers-Frahm, Die Entscheidung des IGH im Fall LaGrand – ein Markstein in der Rechtsprechung des IGH, in: Marauhn ≪Hrsg.≫, Die Rechtsstellung des Menschen im Völkerrecht, 2003, S. 21 ≪26 f.≫; Grzeszick, a.a.O., S. 323).
(1) Gemäß Art. 60 IGH-Statut sind die Urteile des Internationalen Gerichtshofs endgültig und unterliegen keinen Rechtsmitteln. Sie erwachsen damit in formelle Rechtskraft. In materieller Hinsicht erstreckt sich ihre Bindungswirkung ausschließlich auf die Parteien des Rechtsstreits in Bezug auf die konkrete Sache (vgl. Art. 94 Abs. 1 UN-Charta, Art. 59 IGH-Statut). Die materielle Rechtskraft der Urteile ist damit grundsätzlich durch die personellen und sachlichen Grenzen des Streitgegenstandes begrenzt. Andererseits hat der Internationale Gerichtshof im Avena-Fall festgestellt, dass die im US-amerikanischen Recht bestehende Möglichkeit eines Gnadengesuchs (so genannte clemency procedure) nicht den völkerrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsweges genügt, der dem Beschuldigten hinsichtlich möglicher Verletzungen von Art. 36 Abs. 1 WÜK offenstehen müsse (IGH, a.a.O., S. 619 f., Ziffer 143). Dies zeigt, dass Urteile des Internationalen Gerichtshofs jedenfalls dann in die innerstaatliche Rechtsordnung hineinwirken, wenn – wie hier – individualschützende Normen in Rede stehen. Sie verfügen allerdings nicht über eine die Rechtskraft nationaler Entscheidungen beseitigende Wirkung. Insofern kann die genaue Art und Weise des Hineinwirkens nicht allein auf der Grundlage des Völkerrechts beurteilt werden.
(2) Diesbezüglich ergibt sich aus dem Zusammenspiel der sachgebietsbezogen obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs auf dem Gebiet des Konsularrechts, der begrenzten materiellen Rechtskraft seiner Entscheidungen, dem Status der Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei des Konsularrechtsübereinkommens und des Fakultativprotokolls sowie der innerstaatlichen Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verträge, dass die nationalen Gerichte jedenfalls solche Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs zu berücksichtigen haben, die auf dem Gebiet des Konsularrechts in konkreten Rechtsstreitigkeiten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergehen. Dieses Ergebnis folgt zwingend aus der verfassungsrechtlichen Bindung der Träger der deutschen öffentlichen Gewalt an die von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völkerrechtlichen Verträge in ihrer Auslegung durch die zuständige internationale Gerichtsbarkeit (Art. 59 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Hat sich die Bundesrepublik Deutschland hingegen nicht der sachgebietsbezogen obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs unterworfen, kommt eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Berücksichtigung seiner Entscheidungen nicht in Betracht.
(3) Die innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs erschöpfen sich jedoch nicht in einer aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG abzuleitenden und auf die den konkreten Entscheidungen zugrunde liegenden Lebenssachverhalte begrenzten Berücksichtigungspflicht. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes begegnete eine Begrenzung der Berücksichtigungspflicht auf die unter deutscher Beteiligung entschiedenen Einzelfälle Bedenken. Für Staaten, die nicht an einem Verfahren beteiligt sind, haben die Urteile des Internationalen Gerichtshofs Orientierungswirkung, da die darin vertretene Auslegung Autorität bei der Auslegung der Konvention entfaltet. Die besondere Bedeutung der Entscheidungen ergibt sich ferner aus der institutionellen Stellung des Internationalen Gerichtshofs als „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen” (Art. 92 UN-Charta), das nach Art. I des Fakultativprotokolls zum Konsularrechtsübereinkommen zur gerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens berufen ist. Faktisch müssen sich die Vertragsstaaten, schon um die künftige Feststellung von Konventionsverletzungen gegen sich zu vermeiden, daher auch nach Urteilen richten, die gegen andere Staaten ergangen sind.
Würde eine Berücksichtigungspflicht hinsichtlich der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs auf den unter deutscher Beteiligung entschiedenen Einzelfall begrenzt, könnte vor dem Hintergrund der jedenfalls faktischen Präzedenzwirkung seiner Entscheidungen (vgl. Shahabuddeen, Precedent in the World Court, 1996, S. 26 ff.) regelmäßig nicht verhindert werden, dass Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht entstehen. Dergleichen Konflikte will das Grundgesetz mit seinen nach außen blickenden Verfassungsbestimmungen jedoch gerade vermeiden (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 111, 307 ≪318≫). Deshalb muss der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags durch den Internationalen Gerichtshof über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine normative Leitfunktion beigemessen werden, an der sich die Vertragsparteien zu orientieren haben. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bundesrepublik Deutschland Partei des einschlägigen, die in Rede stehenden materiell-rechtlichen Vorgaben enthaltenen völkerrechtlichen Vertrags ist und sich – sei es, wie im Falle des Fakultativprotokolls zum Konsularrechtsübereinkommen, vertraglich, sei es durch einseitige Erklärung – der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs unterworfen hat. Denn andernfalls würde die Art. 59 Abs. 2 GG zugrunde liegende Wertung, nach der das Völkervertragsrecht in seiner Auslegung durch die zuständige internationale Gerichtsbarkeit innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar ist, missachtet.
e) Der Bundesgerichtshof hat Art. 36 WÜK in den angegriffenen Beschlüssen restriktiver als der Internationale Gerichtshof in den Fällen „LaGrand” und „Avena” ausgelegt (aa), ohne sich mit dieser Rechtsprechung hinreichend auseinander gesetzt zu haben (bb).
aa) Die Auslegung von Art. 36 WÜK durch den Bundesgerichtshof steht im Zusammenhang mit der Frage, ob sich aus dem Verstoß gegen eine Beweisgewinnungsvorschrift ein Beweisverwertungsverbot ergibt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein solches Verbot nur dann in Betracht, wenn die verletzte Verfahrensnorm die Verfahrensstellung des Beschuldigten konstituiert (vgl. nur BGHSt 38, 214 ≪219 ff.≫). Daher wendet er sich in dem angegriffenen Beschluss vom 7. November 2001 ausschließlich der Schutzzweckbestimmung des Art. 36 Abs. 1 WÜK zu und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Norm nicht die Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren berühre.
Diese Auslegung ist nicht mit derjenigen des Internationalen Gerichtshofs in den Urteilen „LaGrand” und „Avena” vereinbar. Anders als der Bundesgerichtshof kam der Internationale Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Art. 36 Abs. 1 WÜK ein subjektives Recht auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsrechte einräume. Zur Belehrung über dieses Recht seien alle Strafverfolgungsbehörden einschließlich der vernehmenden Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren verpflichtet. Eine Verletzung dieser Rechte ziehe von Völkerrechts wegen die Revisibilität des Strafurteils nach sich. Zweck der Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK sei es, dass der Einzelne in den Genuss der in Art. 36 Abs. 1 Buchstabe c WÜK geregelten Unterstützung seines Heimatstaats kommen könne. Art. 36 Abs. 1 WÜK verkörpere insofern ein geschlossenes Regelungssystem, das den umfassenden Schutz der Staatsangehörigen des Konsularstaats, die im Empfangsstaat von einer Freiheitsentziehung betroffen sind, gewährleisten wolle. Art. 36 Abs. 1 Buchstabe c Satz 1 WÜK konstituiere somit die Verteidigungsmöglichkeit und folglich die verfahrensrechtliche Stellung des Beschuldigten.
Einer teleologischen Reduktion des Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK gegenüber Ausländern, die im Empfangsstaat ihren Lebensmittelpunkt haben, steht der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen, der allein an das formale Kriterium der ausländischen Staatsangehörigkeit anknüpft. Der Internationale Gerichtshof lehnte eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Belehrungspflicht implizit ab, indem er im LaGrand-Fall dem Umstand, dass die Brüder LaGrand ihren Lebensmittelpunkt seit frühester Jugend in den USA hatten, keine rechtliche Bedeutung zumaß. Im Avena-Fall setzte er sich eingehend mit der Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich der Frage der Staatsangehörigkeit der betroffenen Individuen auseinander, ohne die Frage des Lebensmittelpunktes auch nur aufzuwerfen (vgl. IGH, a.a.O., S. 602 f., Ziffer 54 ff.).
Die Belehrungspflicht obliegt bei alledem allen zuständigen Strafverfolgungsorganen des Empfangsstaats einschließlich der festnehmenden Polizeibeamten. Der Internationale Gerichtshof stellte im Fall „Avena” klar, dass die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK ab dem Moment relevant werde, ab welchem die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von der ausländischen Staatsangehörigkeit des Betroffenen erlangten bzw. sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Betroffene wahrscheinlich nicht US-Amerikaner sei (IGH, a.a.O., S. 608, Ziffer 88). Dies wird in aller Regel bereits im Zuge der Festnahme – im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung – der Fall sein.
Mit Blick auf die Rechtsfolgen einer Verletzung der Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK konkretisierte der Internationale Gerichtshof Art. 36 Abs. 2 Halbsatz 2 WÜK dahingehend, dass der Belehrungsausfall das Strafurteil in seiner Gesamtheit, das heißt hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs, revisibel machen müsse. Dem Beschuldigten müsse ein Verfahren offen stehen, welches gewährleiste, dass der Konventionsverletzung ungeachtet des konkreten Ergebnisses der Nachprüfung vollständig Rechnung getragen werde „which guarantees that full weight is given to the violation of the rights set forth in the Vienna Convention, whatever may be the actual outcome of such review and reconsideration”, IGH, a.a.O., S. 619, Ziffer 139). Es dürfe keine Regel des nationalen Prozessrechts bestehen, die die Möglichkeit der Rüge eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht des Wiener Konsularrechtsübereinkommens spezifisch ausschließe. Gleiches habe dann zu gelten, wenn eine allgemeine Regel wie die US-amerikanische procedural default rule mit dem Ergebnis angewendet werde, dass die Rechte des Beschuldigten nicht zum Tragen kommen könnten (IGH, a.a.O., S. 617 f., Ziffern 131, 133 f.). Von einer Konventionsverletzung ist vor diesem Hintergrund immer dann auszugehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Einzelne ein bestimmtes prozessuales Recht wie die Aussagefreiheit aufgrund der fehlenden konsularischen Unterstützung nicht in vollem Umfang wahrnehmen konnte, und dies nicht revisibel ist. Daraus folgt allerdings nicht, dass im Falle eines Belehrungsfehlers nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK zwingend von der Unverwertbarkeit der zustande gekommenen Beweisergebnisse auszugehen ist (vgl. auch Paulus, Anmerkung zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001, StV 2003, S. 57 ≪58≫).
bb) Der Bundesgerichtshof hat in dem angegriffenen Beschluss vom 7. November 2001 zwar einführend auf das LaGrand-Urteil verwiesen und zutreffend festgestellt, dass Art. 36 Abs. 1 WÜK auch subjektive Rechte eines einzelnen Staatsangehörigen begründen könne. Im Zusammenhang mit der eigentlich entscheidungserheblichen Frage nach dem Schutzzweck der Belehrungspflicht hat er sich jedoch nicht mit den Schlussfolgerungen des Internationalen Gerichtshofs auseinandergesetzt. Weder hat der Senat seine abweichende Auffassung hinsichtlich des hinter Art. 36 Abs. 1 WÜK stehenden Zwecks offengelegt, noch ist er in sonstiger Form auf das LaGrand-Urteil eingegangen. Er hat sich auch nicht auf Grundrechte Dritter oder sonstige Verfassungsbestimmungen gestützt, die gegebenenfalls eine vom Internationalen Gerichtshof abweichende Auslegung des Art. 36 WÜK erforderlich gemacht hätten. Die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs sind daher nicht mit der verfassungsunmittelbaren Pflicht zur Berücksichtigung der Urteile des Internationalen Gerichtshofs in den Fällen „LaGrand” und „Avena” vereinbar.
f) Die sich aus dem Verstoß gegen die Berücksichtigungspflicht ergebenden Rechtsfolgen sind verfassungsrechtlich nicht festgelegt (vgl. BVerfGK 4, 283 ≪285≫ zum Verstoß gegen § 136 a Abs. 1 StPO). Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich vorliegend auf die Prüfung, ob das fachgerichtliche Auslegungsergebnis die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzt. Soweit der Bundesgerichtshof im Rahmen der erneut auf Grundlage der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs vorzunehmenden Auslegung von Art. 36 WÜK zu dem Ergebnis gelangt, dass die schwurgerichtlichen Urteile verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind, ist es seine Aufgabe, die sich aus diesem Verfahrensfehler ergebenden Konsequenzen festzustellen.
aa) In diesem Sinne ist es dem Bundesgerichtshof nicht genommen, auf seine zu den Folgen von Verstößen gegen Belehrungspflichten entwickelte Rechtsprechung zurückzugreifen (vgl. BGHSt 38, 214 ≪219 ff.≫; 47, 172 ≪173 ff.≫). Danach zieht nicht jedes Verbot, einen Beweis zu erheben, ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Die Entscheidung für oder gegen ein Verwertungsverbot ist vielmehr aufgrund einer Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen. Dabei wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen die in § 136 Abs. 1 StPO geregelten Belehrungspflichten nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall einer Verletzung von Art. 36 WÜK übertragbar sein, zumal die – hier erfolgte – Belehrung über das Recht auf Hinzuziehung eines Verteidigers sich mit der Funktion der Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 WÜK, mit Hilfe des Konsulats einen Rechtsbeistand für den Beschuldigten zu beauftragen, überschneidet. Anders als § 136 Abs. 1 StPO knüpft Art. 36 Abs. 1 WÜK die Belehrungspflicht auch nicht an den Beginn der Vernehmung des Beschuldigten, sondern an seine Festnahme. So entschied der Internationale Gerichtshof im Fall „Avena”, dass die Pflicht zur unverzüglichen Belehrung
des Betroffenen nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass die Belehrung einer Vernehmung unbedingt vorauszugehen habe, so dass der Beginn einer Vernehmung vor der Belehrung eine Verletzung von Art. 36 WÜK wäre „cannot be interpreted to signify that the provision of such information must necessarily precede any interrogation, so that the commencement of interrogation before the information is given would be a breach of Article 36”, IGH, a.a.O., S. 608, Ziffer 87).
Bei der Beantwortung der Frage, ob hinsichtlich der Aussagen der Beschwerdeführer zu II.1. und III. im Ermittlungsverfahren ein Beweisverwertungsverbot zum Tragen kommt, wird sich der Bundesgerichtshof ferner damit zu beschäftigen haben, dass die Beschwerdeführer in der tatrichterlichen Hauptverhandlung der Verwertung ihrer polizeilichen Aussagen lediglich generell bzw. unter Hinweis auf §§ 163 a Abs. 4 Satz 1, 136 Abs. 2 StPO widersprochen haben. Es wird zu klären sein, ob es sich hierbei um allgemeine, die Rüge der Verletzung von Art. 36 WÜK umfassende beweisthemenbezogene Verwertungswidersprüche oder lediglich um beweismittelbezogene Verwertungswidersprüche handelte, die sich ausschließlich auf die Rüge der fehlenden anwaltlichen Vertretung bezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03 –, NStZ 2004, S. 389 f.; BGHSt 39, 349 ≪352 f.≫). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass sich keiner der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung ausdrücklich auf einen Verstoß gegen Art. 36 WÜK berufen hat.
Für den Fall der Annahme eines Beweisverwertungsverbots wird der Bundesgerichtshof schließlich die Frage nach möglichen Fernwirkungen des Verfahrensfehlers zugunsten der übrigen Beschwerdeführer beantworten müssen. Unter Gesichtspunkten des Rechts auf ein faires Verfahren ist dem Schutzzweck der verletzten Verfahrensnorm maßgebliche Bedeutung zuzumessen. Daher wird unter anderem zu berücksichtigen sein, dass Art. 36 Abs. 1 WÜK in der – von Verfassungs wegen zu beachtenden – Auslegung durch den Internationalen Gerichtshof primär an die ausländische Staatsangehörigkeit des Betroffenen anknüpft. Die Norm dient in erster Linie dem Schutz des ausländischen Staatsangehörigen im Hinblick auf seine im Vergleich zu Inländern regelmäßig schwächere rechtliche und psychische Position. Diese Auslegung knüpft in der Tendenz an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Reichweite der §§ 53, 53 a, 55, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. BGHSt 33, 148 ≪150 ff.≫) an.
bb) Der Verstoß gegen das Grundrecht der Beschwerdeführer auf ein faires Verfahren nötigt das Bundesverfassungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt des Beruhens nicht zu einer Aufhebung der schwurgerichtlichen Urteile. Es ist nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit feststellbar, ob ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen den möglichen Verfahrensfehlern und den Urteilen besteht. Dies zeigt sich bereits darin, dass sich die Schwurgerichte für die maßgeblichen Feststellungen zwar im Schwerpunkt, jedoch nicht ausschließlich auf die Aussagen der Beschwerdeführer zu II.1. und zu III. gestützt haben. Im Übrigen sind Feststellung und Würdigung des Tatbestands ebenso wie die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz, die in Rechtskraft erwachsene Gerichtsentscheidungen in vollem Umfang auf Rechtsfehler hin überprüft.
Für den Fall der Annahme eines Beweisverwertungsverbots wird der Bundesgerichtshof daher am Maßstab des einfachen Rechts zu prüfen haben, ob die schwurgerichtlichen Urteile auf dem Verfahrensfehler beruhen (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Von Verfassungs wegen ist es nur dann geboten, einen Verfahrensfehler mit der Folge der zwingenden Aufhebung der mit der Revision angegriffenen Entscheidungen zu versehen, wenn eine Beruhensprüfung wegen Unmöglichkeit oder besonderer Schwierigkeit der Feststellung des Beruhens oder einer vergleichbaren Zusatzbedingung dazu führen würde, dass Verfahrensfehler der betreffenden Art regelmäßig sanktionslos blieben (vgl. dazu Lübbe-Wolff, Stufen des Grundrechtsschutzes gegen Verfahrensverstöße, in: Schwarze/Graf Vitzthum ≪Hrsg.≫, Grundrechtsschutz im nationalen und internationalen Recht, 1983, S. 137 ≪159 f.≫). Hierfür sind im vorliegend relevanten Fall der Nichtberücksichtigung völkerrechtlicher Belehrungspflichten keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1974864 |
NJW 2007, 499 |
NStZ 2007, 159 |
NJW-Spezial 2007, 89 |