Leitsatz (amtlich)

Ein Schuldner verliert nicht dadurch die Befugnis zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist. Der Schuldner kann dieses Recht - wenn der Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässigerweise einen Prozess gegen ihn fortführt - vielmehr dahin geltend machen, dass die Gegenleistung in die Insolvenzmasse gezahlt werden soll.

 

Normenkette

BGB § 320 Abs. 1; InsO § 80 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 12.07.2011; Aktenzeichen 14 U 119/11)

LG Leipzig (Entscheidung vom 15.12.2010; Aktenzeichen 7 O 1852/09)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Dresden vom 12.7.2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die klagende Stadt schloss mit dem Beklagten einen Erbbaurechtsvertrag, der nicht im Grundbuch vollzogen wurde. Der Beklagte, der bereits vor Eintragung des Erbbaurechts ein Entgelt in Höhe des Erbbauzinses zahlen sollte, nahm das Grundstück in Besitz und begann mit dem Bau eines Einfamilienhauses. Der Bau blieb im Rohbauzustand stecken, und der Beklagte zahlte das vereinbarte Nutzungsentgelt nicht weiter. Die Klägerin trat von dem Erbbaurechtsvertrag zurück, nachdem sie dem Beklagten fruchtlos eine Frist zur Nachzahlung des rückständigen Entgelts gesetzt hatte.

Rz. 2

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Klage u.a. auf Herausgabe des Grundstücks erhoben, der Beklagte hat sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen seiner Aufwendungen für den Bau berufen. Über das Vermögen des Beklagten ist nach Rechtshängigkeit der Klage das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Klägerin hat den Rechtsstreit wieder aufgenommen, nachdem der Insolvenzverwalter ihr mitgeteilt hatte, dass er keinen Besitz an dem Erbbaugrundstück ausübe.

Rz. 3

Das LG hat den Beklagten zur Herausgabe des Grundstücks verurteilt. Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Beklagte erreichen, nur Zug um Zug gegen Ersatz seiner Aufwendungen für den Bau zur Herausgabe des Grundstücks verurteilt zu werden.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe nach § 346 Abs. 1 BGB das Grundstück an die Klägerin herauszugeben, weil diese wirksam von dem Erbbaurechtsvertrag zurückgetreten sei. Dem Beklagten stehe weder ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 348 i.V.m. § 322 Abs. 1 BGB) noch ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) wegen eines Verwendungsersatzanspruchs zu. Der Beklagte könne einen solchen Anspruch jedenfalls deshalb nicht geltend machen, weil die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Verwalter übergegangen sei. Er habe nicht vorgetragen, dass ihm von dem Verwalter, der zwar das Grundstück, nicht aber den Anspruch auf Verwendungsersatz freigegeben habe, eine Einziehungsermächtigung erteilt worden sei.

II.

Rz. 5

Das Berufungsurteil ist bereits deshalb aufzuheben, weil es keine tatsächlichen Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) enthält.

Rz. 6

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft unter Hinweis auf § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO von einer Wiedergabe des Parteivorbringens abgesehen. Von dieser Möglichkeit darf es nur Gebrauch machen, wenn es sich zuvor von Amts wegen vergewissert hat, dass ein Rechtsmittel gegen sein Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (BGH, Beschl. v. 18.9.2012 - VI ZR 51/12, NJW-RR 2012, 1535). Daran fehlt es hier, weil die Beschwer des zur Herausgabe eines Grundstücks (Verkehrswert: 106.780 EUR) verurteilten Beklagten unter Zurückweisung eines Leistungsverweigerungsrechts für seine baulichen Aufwendungen (mit 77.700,53 EUR beziffert) eindeutig die für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision bestimmte Wertgrenze von 20.000 EUR (§ 26 Nr. 8 EGZPO) übersteigt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht gegeben sei, beruht offenbar auf seiner (unrichtigen - s. unten III. 3) Festsetzung des Streitwerts nach § 41 Abs. 2 GKG gemäß dem einjährigen Nutzungsentgelt (4.271,20 EUR). Die Bestimmung der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebenden Beschwer nach den Vorschriften über den Gebührenstreitwert ist jedoch nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern stellt darüber hinaus eine mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbare, objektiv willkürliche Rechtsanwendung dar (vgl. BVerfG AnwBl. 1996, 643).

Rz. 7

2. Fehlen in dem angefochtenen Berufungsurteil die tatsächlichen Feststellungen zum Parteivorbringen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vollständig, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der regelmäßig zur Aufhebung und Zurückverweisung führt (BGH, Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290 [1291]; BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99 [101]; v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216 [220]; v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 [63]). Es ist weder die Aufgabe des Revisionsgerichts noch ist es ihm hinreichend sicher möglich, anstelle des Berufungsgerichts selbst den Sachverhalt zu ermitteln, um abschließend beurteilen zu können, ob die Revision begründet ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2007 - I ZR 152/04, NJW 2007, 2334 [2335]).

Rz. 8

Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich sowohl die tatsächlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung als auch die von den Parteien gestellten Anträge hinreichend deutlich aus den Gründen des Berufungsurteils ergeben (BGH, Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290 [1291]; BGH, Urt. v. 22.12.2003 - VIII ZR 122/03, NJW-RR 2004, 494). Daran fehlt es hier jedoch. Den Urteilsgründen können zwar einzelne Sachverhaltselemente entnommen werden, die das Berufungsgericht bei der Subsumtion unter die von ihm herangezogenen Rechtsvorschriften für wesentlich erachtet hat; den Gründen lässt sich aber nicht der maßgebliche Sach- und Streitstand insgesamt entnehmen. Gleiches gilt hinsichtlich der im Berufungsurteil nicht wiedergegebenen Anträge, was sich daran zeigt, dass die Parteien im Revisionsverfahren unterschiedlich vortragen, ob der Beklagte in der Berufungsinstanz wegen seiner Verwendungen Zahlung an sich oder in die Insolvenzmasse verlangt hat.

III.

Rz. 9

Vorsorglich weist der Senat für die neue Verhandlung und Entscheidung darauf hin, dass die Rechtsausführungen in den Urteilsgründen ebenfalls nicht von Rechtsfehlern frei sind.

Rz. 10

1. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, dass der Beklagte das Leistungsverweigerungsrecht infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr geltend machen könne. Ein Schuldner verliert nicht dadurch die Befugnis zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Anspruch auf die Gegenleistung nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist. Der Schuldner kann dieses Recht - wenn der Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässigerweise einen Prozess gegen ihn fortführt - vielmehr dahin geltend machen, dass die Gegenleistung in die Insolvenzmasse gezahlt werden soll.

Rz. 11

a) Richtig ist zwar, dass der Schuldner eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung nur dann aktiv (im Wege der Klage oder der Widerklage) geltend machen kann, wenn er dazu von dem Insolvenzverwalter ermächtigt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1961 - VII ZR 46/60, BGHZ 35, 180 [184]; v. 19.3.1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217 [218] - sog. modifizierte Freigabe). Das steht der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB durch den Schuldner jedoch nicht entgegen.

Rz. 12

b) Das Leistungsverweigerungsrecht folgt aus dem bei gegenseitigen Verpflichtungen durch § 320 BGB rechtlich geschützten Interesse jedes Vertragsteils, nicht leisten zu müssen, solange der andere Teil seinen vertraglichen Leistungspflichten nicht nachkommt.

Rz. 13

aa) Dieses Interesse wird selbst nach einer Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung geschützt. Der dadurch eingetretene Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Zedenten führt nicht zum Wegfall seines Leistungsverweigerungsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1994 - VIII ZR 295/93, NJW 1995, 187 [188]; Erman/H.P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 320 Rz. 9; NK-BGB/Tettinger, § 320 Rz. 5). Einer Ermächtigung zur Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Zessionar bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 26.7.2007 - VII ZR 262/05, NJW-RR 2007, 1612, 1613 Rz. 20). Das gilt - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - nicht nur für bei der Abtretung von Ansprüchen wegen Mängeln nach §§ 434 ff. BGB oder §§ 633 ff. BGB, sondern allgemein.

Rz. 14

bb) Vollstreckungsrechtliche Gesichtspunkte stehen der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Schuldner nach dem Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dann nicht entgegen, wenn das Recht im Interesse der Vollstreckungsgläubiger geltend gemacht wird.

Rz. 15

(1) In der Einzelzwangsvollstreckung wird davon ausgegangen, dass der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB trotz des mit der Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf die Gegenleistung bewirkten Verfügungsverbots (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ausüben kann, wenn er damit eine Verurteilung Zug um Zug bis zur Bewirkung der Gegenleistung an den Vollstreckungsgläubiger erreichen will (vgl. OLG Braunschweig, JR 1955, 342, 343 mit Anm. von Blomeyer). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass es nicht Zweck des Verfügungsverbots sei, dem Drittschuldner ein Mittel an die Hand zu geben, seinen Anspruch gegen den Schuldner durchzusetzen, ohne die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen. Die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts liege auch im Interesse des Vollstreckungsgläubigers, da der Schuldner dadurch Druck auf den Drittschuldner ausübe, an den Vollstreckungsgläubiger zu leisten (vgl. Blomeyer, a.a.O.).

Rz. 16

(2) Die auf die Einzelzwangsvollstreckung bezogenen Erwägungen treffen auch zu, wenn der Insolvenzschuldner das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB geltend macht, um damit auf seinen Gläubiger Druck zur Zahlung in die Insolvenzmasse auszuüben. Leistung an sich kann der Schuldner dagegen nicht verlangen, da diese den Gläubiger nicht von seiner zur Masse zu erfüllenden Verbindlichkeit befreite (§ 82 InsO).

Rz. 17

Insolvenzrechtliche Gründe stehen einer solchen Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Schuldner jedenfalls dann nicht entgegen, wenn - wie hier - der gegen den Schuldner geführte Prozess auf Herausgabe einer Sache (Passivprozess) zwischen den Parteien fortgesetzt wird, nachdem der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit nicht aufgenommen hat, weil er entweder die Sache als nicht massebefangen ansieht und für diese auch nicht in Besitz genommen (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.1994 - XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156 [162]) oder die Sache in Anerkennung eines Aussonderungsrechts freigegeben hat (BGH, Beschl. v. 10.10.1973 - VII ZR 9/72, NJW 1973, 2065). Geschieht das, so gewinnt der Schuldner seine Verfügungsbefugnis über den Gegenstand und seine Prozessführungsbefugnis zurück. Ein vom Gegner oder vom Schuldner wieder aufgenommener Rechtsstreit wird zwischen diesen Parteien fortgesetzt. Das Prozessrisiko betrifft dann allein das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners (KPB/Lüke, InsO [2009], § 86 Rz. 17; Schumacher in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 86 Rz. 26; Wittkowski in Nerlich/Römermann, InsO [2011], § 86 Rz. 11; Windel in Jaeger, InsO, § 86 Rz. 22). Die berechtigte Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts durch den Schuldner wirkt zugunsten der Masse, weil sie einen Druck auf den Gläubiger ausübt, seine Gegenleistung in diese zu erbringen, den der Insolvenzverwalter in Bezug auf die nicht zur Masse gehörenden oder von ihm freigegebenen Gegenstände nicht (mehr) erzeugen kann. Eine unrechtmäßige Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts wirkt dagegen nur zu Lasten des Schuldners, der in diesem Fall die Kosten des verlorenen Rechtsstreits aus dem ihm verbliebenen massefreien Vermögen aufzubringen hat.

Rz. 18

c) Der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Beklagten stehen auch keine anderen Gründe entgegen. Zwar setzen die Ansprüche auf Verwendungs- oder Aufwendungsersatz nach dem Wortlaut des § 347 Abs. 2 Satz 1 BGB voraus, dass der Rückgewährschuldner die Sache zurückgibt (§ 346 Abs. 1 BGB) oder Wertersatz leistet (§ 346 Abs. 2 BGB). Die Revision geht aber zutreffend mit der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 1.3.2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261, 266 Rz. 17) und dem Schrifttum (NK-BGB/Hager, § 347 Rz. 6, Gaier in MünchKomm/BGB, BGB. 6. Aufl., § 347 Rz. 17; PWW/Medicus/Stürner, BGB, 7. Aufl., § 347 Rz. 10) davon aus, dass der Schuldner wegen dieser Ansprüche ein Leistungsverweigerungsrecht nach §§ 348, 320 BGB gegenüber dem Rückgewähranspruch des Rücktrittsgläubigers geltend machen kann.

Rz. 19

2. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - dahinstehen lassen, ob dem Beklagten ein Ersatzanspruch wegen der von ihm behaupteten Verwendungen auf das Grundstück zusteht. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass das erstinstanzliche Gericht einen solchen Anspruch rechtsfehlerhaft verneint hat.

Rz. 20

a) Anspruchsgrundlage ist allerdings - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Vorschrift in § 347 Abs. 2 Satz 1 BGB, nach der der Rücktrittsschuldner nur den Ersatz der notwendigen Verwendungen auf den Gegenstand vom Rücktrittsgläubiger verlangen kann.

Rz. 21

Dabei kann offenbleiben, ob die die - von der Revision herausgestellte - Kritik im Schrifttum (Staudinger/D. Kaiser, BGB [2012], § 347 Rz. 24 m.w.N. sowie zu § 994 BGB: Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl., § 11 Rz. 55; Westermann/Gursky, Sachenrecht, 8. Aufl. § 32 Rz. 4) an der ständigen Rechtsprechung des Senats, nach der eine den Zustand des Grundstücks verändernde Bebauung keine Verwendung darstellt (BGH, Urt. v. 10.7.1953 - V ZR 22/52, BGHZ 10, 171 [178]; v. 26.2.1964 - V ZR 105/61, BGHZ 41, 147 [160]; v. 14.6.2002 - V ZR 79/01, NJW 2002, 3478 [3479]), berechtigt ist. Für dahingehende Überlegungen gibt dieser Fall schon deshalb keinen Anlass, weil es sich bei den Aufwendungen des Beklagten für den im Rohbauzustand steckengeblieben Neubau jedenfalls nicht um notwendige Verwendungen im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Rz. 22

Notwendige Verwendungen sind die Aufwendungen, die zur Erhaltung oder zur ordnungsmäßen Bewirtschaftung des zurückzugebenden Gegenstands erforderlich gewesen sind und nicht nur Sonderzwecken des Rücktrittsschuldners gedient haben (vgl. zu § 994 BGB: BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 88/95, BGHZ 131, 220 [223]; v. 14.6.2002 - V ZR 79/01, NJW 2002, 3478, 3479 jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist, ob im Hinblick auf den vorhandenen Zustand der Sache und deren Bewirtschaftung dem Rücktrittsgläubiger Aufwendungen erspart werden, die er sonst hätte übernehmen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1975 - V ZR 206/74, BGHZ 64, 333 [339]; v. 14.6.2002 - V ZR 79/01, a.a.O.). Nur dann sind die Vermögensopfer des Rücktrittsschuldners, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem Rücktrittsgläubiger einen fortwirkenden Nutzen verschaffen oder den Wert der Sache erhöhen, zu erstatten, und es findet insoweit eine "Verlustabwälzung auf den Eigentümer" statt (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 88/95, a.a.O.; v. 14.6.2002 - V ZR 79/01, a.a.O.).

Rz. 23

Gemessen daran handelt es sich bei den dem Beklagten entstandenen Baukosten nicht um notwendige Verwendungen auf das Grundstück der Klägerin. Die Aufwendungen für den Bau des Gebäudes dienten in jedem Fall den Sonderzwecken des Beklagten. Als Erbbaurechtsausgeberin hat die Klägerin (eine Stadt) zwar ein bauplanerisches und wohnungspolitisches Interesse an der Bebauung der Erbbaugrundstücke. Sie bebaut die Grundstücke jedoch nicht selbst und hat schon deshalb durch die dem Beklagten infolge des Baus entstandenen Kosten keine Auslagen erspart.

Rz. 24

b) Der Beklagte kann jedoch nach § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB Ersatz in Höhe seiner Aufwendungen verlangen, soweit die Klägerin durch diese bereichert ist.

Rz. 25

aa) Diesen Anspruch kann die Klägerin nicht dadurch abwenden, dass sie den Beklagten auf ein Recht zur Wegnahme des Bauwerks verweist, wie es die Revisionserwiderung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats (Urt. v. 21.12.1956 - V ZR 110/67, BGHZ 23, 61 [65]) und auf Äußerungen im Schrifttum zum Schutz des Rücktrittsgläubigers vor einer aufgedrängten Bereicherung (jurisPK-BGB/Faust, 5. Aufl., § 347 Rz. 62; NK-BGB/Hager, 2. Aufl., § 347 Rz. 10; Gaier in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., BGB, § 347 Rz. 22; PWW/Medicus/Stürner, BGB, 7. Aufl., § 347 Rz. 6; Soergel/Lobinger, BGB, 13. Aufl., § 347 Rz. 63; Staudinger/D. Kaiser, BGB [2012], § 347 Rz. 58) vorbringt. Der Senat hat in der zitierten Entscheidung allerdings eine Befugnis des Eigentümers, den Entschädigungsanspruch nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 812, 818 BGB durch Gestattung der Wegnahme abzuwenden, bei einem gegen seinen Willen auf seinem Grundstück errichteten Bauwerk in Analogie zu § 1001 Satz 2 BGB bejaht. Ob dieser Rechtsgedanke auch auf den Anspruch nach § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB zutrifft, bedarf hier schon deswegen keiner Entscheidung, weil von einer Bebauung gegen den Willen des Eigentümers keine Rede sein kann, wenn der Beklagte - wie hier - nach dem Erbbaurechtsvertrag zu einer Bebauung des Grundstücks nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet war.

Rz. 26

bb) Das Berufungsgericht wird daher dem Vorbringen des Beklagten zur Höhe seiner Aufwendungen und zur Bereicherung der Klägerin nachzugehen haben. Letztere ist nach der durch die Bebauung eingetretenen Steigerung des Verkehrswerts des Grundstücks bei dessen Rückgewähr zu bemessen (vgl. Gaier in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., BGB, § 347 Rz. 22; Staudinger/D. Kaiser, BGB [2012], § 347 Rz. 58). Liegt eine solche Werterhöhung des Grundstücks der Klägerin noch vor, sind dem Beklagten seine Aufwendungen bis zu deren Höhe zu ersetzen. Ist das nicht der Fall (weil es sich um eine wertlose Bauruine handelt), besteht kein Anspruch.

Rz. 27

3. Rechtsfehlerhaft ist auch die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 41 Abs. 2 GKG. Bei einem Herausgabeverlangen des Grundstückseigentümers gegenüber dem Erbbauberechtigten (hier aufgrund eines vor der Eintragung des dinglichen Rechts noch möglichen Rücktritts - vgl. BGH, Urt. v. 15.2.1961 - V ZR 129/59, WM 1961, 607 [608]; v. 14.3.1969 - V ZR 158/65, NJW 1969, 1112) bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO nach dem Wert des Erbbaugrundstücks (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1706; OLG Bremen, AnwBl. 1996, 412). Die Nutzung des Grundstücks der Klägerin durch den Beklagten erfolgte nicht aufgrund eines den Miet- oder Pachtverhältnissen ähnlichen Nutzungsverhältnisses, sondern aufgrund des Vertrags über die Bestellung eines Erbbaurechts. Dieser ist ein Rechtskauf (§ 453 BGB) und begründet kein Dauerschuldverhältnis (vgl. nur BGH, Urt. v. 20.10.2005 - IX ZR 145/04, NJW-RR 2006, 188, 189 Rz. 10; v. 19.4.2007 - IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325, 2326 Rz. 10). Daran ändert sich nichts, wenn die Parteien schuldrechtlich vereinbaren, dass bereits vor der Entstehung des dinglichen Rechts durch Eintragung der künftige Erbbauberechtigte ein Entgelt in Höhe des Erbbauzinses zahlen soll (vgl. OLG Bremen, a.a.O., für den Fall einer entgeltlichen Stundung des Herausgabeanspruchs nach Ausübung des Heimfallrechts). Soweit der Beklagte allerdings nicht mehr die Aufhebung der Verurteilung zur Herausgabe, sondern "nur" eine Zug um Zug Verurteilung beantragen sollte, bestimmte sich auch der Streitwert allein nach dem Wert der Gegenleistung, deren sich der Beklagte berühmt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2004 - X ZR 167/02, NJW-RR 2004, 714).

Rz. 28

4. Die von den Parteien in der Revisionsverhandlung angeregte Nichterhebung der Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das Berufungsgericht (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) kommt hier nicht in Betracht, weil der offensichtliche und schwerwiegende Verstoß gegen § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Entstehung der Kosten des Revisionsverfahrens nicht ursächlich geworden ist. Auch ohne diesen Verstoß wäre das Berufungsurteil aufzuheben gewesen, nämlich wegen der Nichtanwendung der §§ 348, 320 BGB. Dieser Rechtsfehler rechtfertigt nicht die Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 21 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3722636

BB 2013, 1025

DB 2013, 1165

DB 2013, 6

DStR 2013, 2123

NWB 2013, 1551

EBE/BGH 2013

NJW-RR 2013, 1318

EWiR 2013, 323

StuB 2013, 636

WM 2013, 848

WuB 2013, 477

ZIP 2013, 5

ZIP 2013, 890

ZfIR 2013, 479

DZWir 2013, 530

JZ 2013, 352

JZ 2013, 357

MDR 2013, 676

NZI 2013, 692

NZI 2013, 7

ZInsO 2013, 823

NWB direkt 2013, 537

StBW 2013, 472

ZVI 2013, 392

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