Gesetzestext

 

(1) Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig.

(2) Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Bestimmung dient der Straffung des Verfügungsverfahrens und weist hinsichtlich der Zuständigkeit und des Verfahrensablaufs zwei Unterschiede zum Arrestverfahren auf. Im Gegensatz zum Arrestverfahren (§ 919) gibt es für das Verfügungsverfahren gem Abs 1 keine gleichrangige und wahlweise Zuständigkeit zwischen Amtsgericht und Hauptsachegericht. Das Amtsgericht kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 942 angerufen werden; ansonsten gilt die Regelzuständigkeit des Hauptsachegerichts. Abs 2 sieht vor, dass eine einstweilige Verfügung nur ausnahmsweise durch Beschl erlassen werden darf, nämlich dann, wenn wegen besonderer Dringlichkeit eine Anberaumung eines Verhandlungstermins nicht in Betracht kommt.

B. Zuständigkeit.

 

Rn 2

Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist das Gericht der Hauptsache (§ 943) örtlich und sachlich ausschließlich zuständig (§ 802). Solange die Hauptsache noch nicht anhängig ist, ist für das Verfügungsverfahren jedes Gericht zuständig, bei dem eine Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist (Karlsr MDR 10, 1013; Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 7). Der Antragsteller kann mithin zwischen mehreren in der Hauptsache zuständigen Gerichten wählen (§ 35). Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für das Verfügungsverfahren entfällt nicht dadurch, dass nach Einreichung des Verfügungsantrags anderenorts Hauptsacheklage erhoben wird (Karlsr MDR 10, 1013). Ist die Hauptsache bereits anhängig, so ist das befasste Gericht auch dann ausschließlich für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig, wenn es für die Hauptsache nicht zuständig ist (RGZ 50, 342, 346; Nürnbg GRUR 57, 296, 297; Hambg MDR 81, 1027; Hamm OLGZ 89, 338; Zö/Vollkommer Rz 1). Die Zuständigkeitskonzentration auf das mit der Hauptsache befasste Gericht erstreckt sich auch auf die dort angerufene Zivilkammer oder Kammer für Handelssachen (Zweibr MDR 89, 272). In Familiensachen kommt nur eine einstweilige Anordnung durch das Familiengericht in Betracht (§ 49 FamFG). Das Gericht, bei dem eine negative Feststellungsklage anhängig ist, soll Gericht der Hauptsache sein für einen den identischen Streitgegenstand betreffenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den der Beklagte der negativen Feststellungsklage als Antragsteller des Eilverfahrens verfolgt (Frankf WRP 96, 27; MüKoZPO/Drescher Rz 3; Musielak/Voit/Huber Rz 3; Zö/Vollkommer Rz 1). Jedenfalls für Wettbewerbsverfahren und sonstige Verfahren, in denen aus Kostengründen vorweg Abmahnungen (§ 940 Rn 25) erfolgen müssen (etwa AGB-Kontrollklagen), kann dies nicht uneingeschränkt gelten. Hier ist dahin zu modifizieren, dass ein durch ein Feststellungsverfahren begründeter Gerichtstand der einstweiligen Verfügung für den Gläubiger nur wahlweise gilt. Der Gläubiger ist berechtigt, die einstweilige Verfügung auch bei dem für die Leistungsklage (abw) zuständigen Gericht zu beantragen (Hambg GRUR 01, 361 [OLG Hamburg 16.11.2000 - 3 U 107/00] unter Bezugnahme auf BGH NJW 94, 3107 [BGH 07.07.1994 - I ZR 30/92] – Parallelverfahren II; Köln NJW-RR 12, 818, 819 [OLG Köln 20.04.2012 - 6 W 23/12]; LG Düsseldorf GRUR 00, 611 [LG Düsseldorf 20.04.1999 - 4 O 108/99]; Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 3).

C. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

 

Rn 3

Im Regelfall wird über den Verfügungsantrag aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden (vgl hierzu auch Teplitzky FS Bornkamm, 2014, 1073, 1077 f; ders WRP 16, 1181, 1183). Hiervon abw eröffnet Abs 2 zwei Ausnahmen. Die erste betrifft dringende Fälle, bei denen auch eine kurzfristige Terminanberaumung nicht mehr abgewartet werden kann oder wenn der Zweck der einstweiligen Verfügung die Überraschungswirkung der Beschlussverfügung erfordert (Karlsr NJW-RR 87, 1206 [OLG Karlsruhe 15.04.1987 - 6 W 30/87]). Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt aber nicht ohne Weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung des Verfügungsantrags aus dem Verfahren herauszuhalten; ihr ist ein Äußerungsrecht einzuräumen (BVerfG NJW 18, 3631 Rz 21). Hiervon kann im Hinblick auf §§ 945a, 945b abgesehen werden, wenn die Gegenseite zuvor zeitnah abgemahnt wurde (BVerfG NJW 18, 3631 Rz 21). Für die Frage, ob vor Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Antragsgegner rechtliches Gehör gewährt werden muss, gelten im Beschwerdeverfahren keine anderen Kriterien als im erstinstanzlichen Verfügungsverfahren (Frankf Beschl v 1.12.2014 – 6 W 103/14; Teplitzky/Feddersen Kap. 55 Rz 7). Auch für das Beschwerdeverfahren wird das erforderliche nachträgliche Gehör durch den Widerspruch vor dem erstinstanzlichen Gericht ausreichend gewährleistet (Frankf Beschl v 1.12.2014 – 6 W 103/14). – Einseitige persönliche oder telefonische Kontaktaufnahmen sollten unterbleiben; sie sind allenfalls zulässig, wenn sie vollständig aktenkundig gemacht werden (vgl BV...

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