Rn 1

§ 890 ermöglicht dem Gläubiger eines titulierten Unterlassungs- oder Duldungsanspruchs gegen den Schuldner zu vollstrecken und entspricht für diesen Bereich der Handlungsvollstreckung nach den §§ 887 f. Praktische Bedeutung kommt § 890 va im Bereich der Störung dinglicher Rechte, im Wettbewerbs-, Urheber-, Patent- und Namensrecht sowie beim Schutz absoluter Rechtsgüter, zB der Ehre, zu. Auch gilt § 890 qua Verweisung in anderen Rechtsgebieten. ›Schlicht hoheitliche‹ Unterlassungsgebote werden nicht nach § 172 VwGO, sondern nach § 167 I VwGO iVm § 890 vollstreckt (OVG Berlin-Brandenburg NVwZ-RR 01, 99 f [OVG Berlin 29.08.2000 - 8 L 25/99]; OVG SchlH 17.10.19 – 2 O 6/19 Rz 7; ebenso für behördliche Unterlassungen allgemein OVG NRW NWVBl 2019, 40 Rz 3). § 172 VwGO erfasst vielmehr nur die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung gegen die öffentliche Hand, mit der die Verwaltung zu Maßnahmen verpflichtet wird, mit denen sie eine spezielle hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt (VG Ansbach 13.8.20 – AN 14 V 20.01444 Rz 12). Die Privilegierung des § 172 VwGO greift nicht, wenn die ihm zugrunde liegende Vermutung, bei der öffentlichen Verwaltung sei allenfalls ein geringer Druck erforderlich, um sie zur Befolgung eines rechtskräftigen Urteils anzuhalten, im konkreten Einzelfall widerlegt ist (VGH BaWü ZUR 20, 555 [VGH Baden-Württemberg 14.05.2020 - 10 S 461/20] Rz 23). § 890 gilt qua Verweis auch für die in § 95 I FamFG genannten Titel (näher Prütting/Helms/Hammer § 95 FamFG Rz 5). Zu Unterlassungsverpflichtungen aus § 1 GewSchG vgl zudem § 96 I FamFG.

 

Rn 1a

Schließlich kann der Schuldner aufgrund von Abs 3 zur Bestellung einer Sicherheit auf bestimmte Zeit verurteilt werden, damit dem Gläubiger der durch weitere Zuwiderhandlungen entstehende Schaden ersetzt werden kann. Die Haft zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 802g) ist im Gegensatz dazu ein reines Beugemittel zur Erzwingung eines vom Gesetz befohlenen Verhaltens; die Erzwingungshaft muss zeitlich nicht hinter ersatzweise angeordneter Ordnungshaft nach § 890 zurückbleiben (BVerfG NJW 18, 531 [BVerfG 03.11.2017 - 2 BvR 2135/09] Rz 19, 21f).

 

Rn 2

Als Vollstreckungsmittel stehen dem Gericht Ordnungsgeld oder Ordnungshaft zur Vfg. Nach richtiger Ansicht erfüllen beide eine Doppelfunktion: Durch ihre Verhängung wird der Schuldner zum einen angehalten, der titulierten Verpflichtung für die Zukunft nachzukommen. Insoweit hat die Norm also präventive Funktion in Gestalt der Willensbeugung des Schuldners (vgl BGHZ 120, 73, 78; BVerfG NJW-RR 17, 957 Rz 25). Da die Verhängung des Ordnungsmittels auf ein pflichtwidriges Verhalten des Schuldners reagiert, kommt ihm gleichzeitig strafähnlicher (repressiver) Charakter zu (grdl BVerfG NJW 67, 195, 196; fortgeführt durch BVerfGE 58, 159, 162 f; BVerfG NJW-RR 17, 957 Rz 25; BGHZ 156, 335, 345; G/S/B-E § 73 Rz 26 f; Brandbg FamRZ 19, 1269; KG MD 19, 581 Rz 46; aA Ddorf NJW-RR 88, 1216), insb dann, wenn Prävention ausscheidet, weil ein weiterer Verstoß gegen das Unterlassungs- oder Duldungsgebot nicht in Betracht kommt. Insoweit unterscheidet sich § 890 von den in § 888 vorgesehenen Zwangsmitteln, deren Bedeutung sich in der Beugefunktion erschöpft. Dies wird aus der unterschiedlichen Bezeichnung der Vollstreckungsmittel in § 888 (Zwangsgeld, Zwangshaft) und in § 890 (Ordnungsgeld, Ordnungshaft) ersichtlich. Es gelten das Schuldprinzip (BVerfG NJW-RR 17, 957 [BVerfG 09.05.2017 - 2 BvR 335/17] Rz 26), weswegen die Norm Verschulden voraussetzt, und das Verbot der Doppelahndung (Art 103 GG): die durch einen Ordnungsmittelbeschluss bereits sanktionierte Zuwiderhandlung darf nicht erneut zum Gegenstand einer weiteren Ahndung gemacht werden (näher Frankf GRUR-RR 17, 166) und auch ansonsten können strafrechtliche Grundsätze Anwendung finden, vgl Rn 20.

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