Gesetzestext

 

(1) Gepfändetes Geld ist dem Gläubiger abzuliefern.

(2) 1Wird dem Gerichtsvollzieher glaubhaft gemacht, dass an gepfändetem Geld ein die Veräußerung hinderndes Recht eines Dritten bestehe, so ist das Geld zu hinterlegen. 2Die Zwangsvollstreckung ist fortzusetzen, wenn nicht binnen einer Frist von zwei Wochen seit dem Tag der Pfändung eine Entscheidung des nach § 771 Abs. 1 zuständigen Gerichts über die Einstellung der Zwangsvollstreckung beigebracht wird.

(3) Die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seiten des Schuldners, sofern nicht nach Absatz 2 oder nach § 720 die Hinterlegung zu erfolgen hat.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift ordnet in Abweichung von § 814 die Verwertung von gepfändetem Geld durch schlichte Ablieferung an. Das in Abs 2 geregelte Hinterlegungsverfahren soll die Rechte Dritter an dem gepfändeten Geld wahren. Abs 3 betrifft die Gefahrtragung.

B. Verwertung gepfändeten Geldes.

I. Voraussetzungen.

 

Rn 2

Es müssen die Verwertungsvoraussetzungen wie § 814 Rn 2 vorliegen. Geld sind Euro-Banknoten und -münzen. Nach § 815 behandelt werden auch gültige inländische Wertzeichen wie Briefmarken, Stempel-, Versicherungs- und Kostenmarken, die vom GV ohne besondere Anordnung in Geld gewechselt werden (MüKoZPO/Gruber Rz 3; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2). Ausländisches Geld fällt als im Inland nicht ohne Weiteres gültiges Zahlungsmittel nicht unter § 815, sondern ist nach § 821 zu verwerten (s § 821 Rn 3). Münzsammlungen, die einen über den Nominalwert hinausgehenden Wert haben, gelten nicht als Geld iSv § 815, sondern werden nach § 814 oder § 825 verwertet (MüKoZPO/Gruber Rz 3; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2).

II. Ablieferung.

 

Rn 3

Sie erfolgt an den Vollstreckungsgläubiger, nicht an den Gläubiger iSd BGB (MüKoZPO/Gruber Rz 4; Scheld DGVZ 83, 161, 164; aA B/L/H/A/G/Weber Rz 3). Das Geld wird nach Abzug der Vollstreckungskosten (§ 15 GVKostG) dem Gläubiger bargeldlos über das Dienstkonto des GV überwiesen oder ausnahmsweise durch Übergabe von Zahlungsmitteln ausgezahlt (§ 52 VII GVO). An einen Vertreter kann das Geld abgeliefert werden, wenn dieser seine Empfangsvollmacht durch Vorlage der Urschrift oder einer Ausfertigung nachweist (AG Lehrte DGVZ 08, 29; LG Bremen DGVZ 02, 168; LG Bielefeld DGVZ 93, 28; LG Aachen DGVZ 91, 173). Nicht ausreichend ist eine Generalinkassovollmacht (LG Ingolstadt DGVZ 94, 92, 93) oder eine Prozessvollmacht (§ 31 III 5 GVGA; LG Duisburg DGVZ 13, 38; AG Brake DGVZ 94, 77). Zur Empfangnahme der vom Gegner zu erstattenden Prozesskosten ist der Prozessbevollmächtigte jedoch berechtigt (§ 81).

III. Wirkung.

1. Eigentumsübergang.

 

Rn 4

Die Ablieferung führt zum Eigentumsübergang auf den Gläubiger durch Hoheitsakt (BGH NJW 09, 1085, 1086; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2; Zö/Herget Rz 1; aA MüKoZPO/Gruber Rz 5: öffentlich-rechtlicher Vertrag). Das gilt auch, wenn schuldnerfremdes Geld gepfändet wurde. §§ 929 ff BGB sind weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (BGH NJW 09, 1085, 1086 [BGH 29.01.2009 - III ZR 115/08]; MüKoZPO/Gruber Rz 5; ThoPu/Seiler Rz 3). Bei Überweisung vom Dienstkonto des GV ist die Ablieferung mit der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers vollzogen (MüKoZPO/Gruber Rz 6; St/J/Würdinger Rz 14f).

2. Zahlungsfiktion (Abs 3).

 

Rn 5

Unabhängig vom Zeitpunkt des Eigentumserwerbs ordnet Abs 3 an, dass schon die Wegnahme des Geldes durch den GV, die nach § 757 zu quittieren ist, als Zahlung des Schuldners gilt mit der Folge, dass der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei wird und der Verzug endet (vgl BGH NJW 81, 2244 [BGH 24.06.1981 - IVa ZR 104/80]), auch wenn das Geld dem Gläubiger nicht abgeliefert wird. Damit geht die Gefahr, dass der GV das Geld dem Gläubiger nicht abliefert, auf den Gläubiger über; der Vollstreckungstitel ist in Höhe der fingierten Zahlung verbraucht (MüKoZPO/Gruber Rz 18; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4). Die Vorschrift findet auch Anwendung, wenn der Schuldner nur zur Hinterlegung verpflichtet ist (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; MüKoZPO/Gruber Rz 15). Erfolgt hingegen die Hinterlegung nach Abs 2, nach § 720 oder aus sonstigem Grund (zB §§ 771, 805 IV, 827 II, III), gilt die Fiktion nicht (St/J/Würdinger Rz 22; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4). Die Fiktion entfaltet ihre Wirkung, sobald der GV das Geld von der Hinterlegungsstelle wieder erhält (St/J/Würdinger Rz 21). Treten die Hinterlegungsvoraussetzungen nach Wegnahme, aber vor Ablieferung ein, entfällt die Fiktion (MüKoZPO/Gruber Rz 15). Gehört das gepfändete Geld nicht dem Schuldner, gilt Abs 3 nicht (MüKoZPO/Gruber Rz 17; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; aA Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 10a; B/L/H/A/G/Weber Rz 8).

 

Rn 6

Ob die Fiktion auch die materiell-rechtliche Erfüllung betrifft, ist streitig und wird in der Literatur überwiegend verneint (ThoPu/Seiler Rz 10; MüKoZPO/Gruber Rz 16 mwN; aA BGH JZ 84, 151; vgl aber BGH NJW 09, 1085, 1086 [BGH 29.01.2009 - III ZR 115/08]).

IV. Ende der Zwangsvollstreckung.

 

Rn 7

Die Zwangsvollstreckung ist trotz der Zahlungsfiktion erst mit der Ablieferung des Geldes beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die Zwangsvollstreckung noch eingestellt werden oder eine Anschlusspfändung erfolgen (Zö/Herget Rz...

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