Gesetzestext

 

(1) Erhält der Gerichtsvollzieher anlässlich der Zwangsvollstreckung durch Befragung des Schuldners oder durch Einsicht in Dokumente Kenntnis von Geldforderungen des Schuldners gegen Dritte und konnte eine Pfändung nicht bewirkt werden oder wird eine bewirkte Pfändung voraussichtlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen, so teilt er Namen und Anschriften der Drittschuldner sowie den Grund der Forderungen und für diese bestehende Sicherheiten dem Gläubiger mit.

(2) 1Trifft der Gerichtsvollzieher den Schuldner in der Wohnung nicht an und konnte eine Pfändung nicht bewirkt werden oder wird eine bewirkte Pfändung voraussichtlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen, so kann der Gerichtsvollzieher die zum Hausstand des Schuldners gehörenden erwachsenen Personen nach dem Arbeitgeber des Schuldners befragen. 2Diese sind zu einer Auskunft nicht verpflichtet und vom Gerichtsvollzieher auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. 3Seine Erkenntnisse teilt der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger mit.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Mit § 806a soll eine gesicherte Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass der GV den Gläubiger über seine anlässlich der Zwangsvollstreckung gewonnenen Erkenntnisse über Geldforderungen des Schuldners unterrichtet. § 806a schafft die dafür notwendige Erlaubnis, begrenzt diese zugleich und verpflichtet den GV zur Information des Gläubigers. Zweck der Regelung ist es zudem, Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (nunmehr: Vermögensauskunft) zu erübrigen (BTDrs 11/3621, 51). Neben den seit 1.1.13 geltenden §§ 802a ff hat § 806a nur noch eine ergänzende Funktion. Wirkungsvoller sind die Auskünfte, die der GV gem § 802l einholen kann. Die Befugnis des Gläubigers, den GV gem § 845 mit einer Vorpfändung zu beauftragen, wird von § 806a nicht berührt (vgl auch § 802a II 1 Nr 5).

B. Voraussetzungen.

I. Maßnahme der Zwangsvollstreckung.

 

Rn 2

Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung müssen erfüllt sein. Nicht erforderlich ist ein auf die Erkenntnisgewinnung nach § 806a gerichteter besonderer Antrag oder Auftrag des Gläubigers an den GV. Das Interesse des Gläubigers an der Mitteilung gem § 806a ergibt sich bereits daraus, dass die Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen des Schuldners nicht zur vollständigen Befriedigung führt (BTDrs 11/3621, 51). Dies ist zugleich Voraussetzung für die Mitteilungspflicht und -befugnis des GV. Entscheidend ist die Einschätzung, dass der Verwertungserlös aus den gepfändeten Gegenständen zur Befriedigung nicht ausreicht. § 806a ist zudem nur anwendbar, wenn der GV mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die auf eine Pfändung gerichtet ist, beauftragt war, also mit Vollstreckungsmaßnahmen gem §§ 753, 803, 808, einer Sicherungsvollstreckung gem § 720a oder einer Arrestvollziehung gem § 930 I. Verweigert der Schuldner die Durchsuchung (§ 758a), ist eine Unterrichtung nach § 806a nicht zulässig. Vollstreckungshandlungen nach §§ 883, 892 oder die Verhaftung des Schuldners nach § 802g II (früher: § 909 I) genügen ebenfalls nicht. § 806a eröffnet nicht die Möglichkeit, den GV mit Ermittlungen zu Forderungen des Schuldners zu beauftragen. § 806a berechtigt auch nicht zu einer Befragung des Schuldners oder zu einer Mitteilung amtsbekannter Erkenntnisse, wenn ein Vollstreckungsversuch beim Schuldner wegen bekannter Unpfändbarkeit (vgl § 32 GVGA) nicht zu unternehmen ist.

II. Kenntnisnahme durch Befragung des Schuldners oder Einsichtnahme (Abs 1).

 

Rn 3

Ist erkennbar, dass die Pfändung nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt, ist der GV verpflichtet, den Schuldner nach dessen Geldforderungen zu befragen. Der Schuldner ist nicht verpflichtet, dem GV Auskunft zu erteilen. Eine solche Pflicht besteht erst im Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft. Eine Belehrung des Schuldners über sein Schweigerecht durch den GV ist nicht erforderlich. Nach Dokumenten, aus denen sich mglw Forderungen des Schuldners gegen Dritte ergeben, darf der GV nicht gezielt suchen. Der Schuldner ist zur Mitwirkung nicht verpflichtet. Es muss sich daher um solche Dokumente (auch elektronische) handeln, die der Schuldner dem GV vorgelegt hat oder die der GV anlässlich der Durchsuchung der Wohnung und von Behältnissen (§ 758 I) vorfindet und die Informationen über das Bestehen von Forderungen enthalten. Eine Wegnahme dieser Dokumente gestattet § 806a dem GV nicht (auch nicht zur Herstellung von Ablichtungen). Dass der Schuldner anwesend ist, ist für die Einsichtnahme in die Dokumente nicht erforderlich; ausreichend ist, dass der GV einen Vollstreckungsversuch unternimmt. Sonstige Erkenntnisse darf der GV mitteilen, wenn sie amtsbekannt oder offenkundig sind. Dies gilt auch für Erkenntnisse, die er anlässlich einer Vollstreckungsmaßnahme für einen anderen Gläubiger gewonnen hat (str.; wie hier: Zö/Herget Rz 7; ThoPu/Seiler Rz 4; aA Musielak/Flockenhaus Rz 2 und 4; differenzierend nach der zeitlichen Nähe: MüKoZPO/Gruber Rz 10). Für eine solche Befugnis sprechen die Gewährleistung einer wirksamen und kostensparenden Zwangsvollstreckung und ein mangelndes Schutzinteresse des Schul...

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