Gesetzestext

 

(1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein.

(2) Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein.

(3) Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Absatz 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. Widerspricht der Gläubiger unverzüglich, so wird der Zahlungsplan mit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zugleich endet der Vollstreckungsaufschub. Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät.

A. Bedeutung und Normzweck.

 

Rn 1

Die Förderung gütlicher Einigung der Vollstreckungsparteien ist eines der maßgeblichen Anliegen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung (s § 802a Rn 1; Becker-Eberhard FS Schilken, 603 ff; ders DGVZ 16, 163 ff). Sie ist als Regelbefugnis des Gerichtsvollziehers nach § 802a II 1 Nr 1 ausgestaltet und findet sogar dann statt, wenn der Gläubiger sie im Vollstreckungsauftrag nicht extra bezeichnet (s § 802a II 2). Die Norm regelt einvernehmliche Leistungsregulierungen (Aufschub der Vollstreckung bei Zahlungsvereinbarung) der Vollstreckungsparteien und die entsprechenden Befugnisse des Gerichtsvollziehers. Bei den nach der Norm möglichen Vereinbarungen handelt es sich um Prozessverträge, nicht um materiell-rechtliche Stundungsvereinbarungen (BTDrs 16/13432, 42 f; BGH NJW 16, 876, 878 [BGH 21.12.2015 - I ZB 107/14] Rz 28; Schuschke/Walker/Walker/Vuia § 802b Rz 5; Mroß DGVZ 12, 169; anders wohl noch BTDrs 16/10069, 24). Im Ablauf der Vollstreckung steht der Versuch gütlicher Einigung in der Regel am Anfang und erfolgt auch ohne gesonderten Antrag des Gläubigers. Ein Antrag ist nur notwendig, wenn der Gläubiger lediglich den Einigungsversuch will (§ 802a Rn 13). Die Zahlungsvereinbarung führt zunächst zum Aufschub der Vollstreckung, bei Erfüllung zur Erledigung des Vollstreckungsverfahrens (zum Ablauf s ansonsten § 802a Rn 3). Die Zahlungsvereinbarung steht dabei unter dem Vorbehalt, dass der Gläubiger ihr nicht widerspricht. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen direkte materiell-rechtliche Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers den Zahlungsvereinbarungen iSd § 802b II insoweit gleichgestellt, als beide die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882 verhindern (BGH NJW 16, 876, 878 [BGH 21.12.2015 - I ZB 107/14]). Die Wirkung eines Vollstreckungsaufschubs nach Abs 2 S 2 kommt allerdings nicht in Betracht. Hier gilt lediglich die allgemeine in § 775 Nr. 4 vorgesehene vollstreckungsrechtliche Wirkung, was freilich dazu führt, dass eine Vollstreckung nicht begonnen bzw. eingestellt oder beschränkt werden muss.

B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Gütliche Erledigung als Programm (Abs 1).

 

Rn 2

Mit der Aufhebung der Einzelregelungen zur gütlichen Erledigung der §§ 806b, 813a und 900 III geht die programmatische Festschreibung der gütlichen Erledigung für alle Abschnitte (dazu § 802a Rn 1) der Zwangsvollstreckung einher (Becker-Eberhard FS Schilken, 603). Die gütliche Erledigung kann in jeder Lage des Verfahrens zur Anwendung kommen. Der Grundsatz der gütlichen Einigung gilt also vom Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft bis zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (BTDrs 16/10069, 24). Beendet ist das Verfahren deshalb mit Erledigung des Vollstreckungsauftrags infolge der unanfechtbaren Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (BGH NJW-RR 17, 511 [BGH 09.02.2017 - I ZB 56/16]). Sobald das Verfahren aber beendet ist, entfällt die Befugnis des Gerichtsvollziehers zur gütlichen Erledigung und zum Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 802b (LG Mönchengladbach JurBüro 17, 261; Gietmann DGVZ 16, 1).

II. Zahlungsvereinbarung und Vollstreckungsaufschub (Abs 2).

1. Zahlungsvereinbarung.

a) Voraussetzungen (Abs 2 S 1).

 

Rn 3

Die gütliche Vereinbarung versucht der Gerichtsvollzieher auch ohne gesonderten Antrag, es sei denn der Gläubiger will nur diesen Einigungsversuch; dann ist ein Antrag erforderlich (s § 802a Rn 13 – Modul E5 Formular nach § 1 Nr 1 GVFV, s § 802a Rn 4). Notwendig ist eine glaubhafte Darlegung des Schuldners zu seiner Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft; insbesondere dazu, dass er die Forderung innerhalb von zwölf Monaten werde begleichen können (vgl Abs 2 S 3). Die Darlegungen werden vom Gerichtsvollzieher frei gewürdigt (Schuschke/Walker/Walker/Vuia § 802b Rz 7; Mroß DGVZ 12, 169), ohne dass die Regelung des § 294 Anwendung finden soll (BTDrs 16/10069, 24). Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer gütlichen Einigung wird auch die Anzahl sonstiger Gläubiger eine Rolle spielen, gleichzeitig wird aber eine gütliche Erledigung für einen Gläubiger durch das spätere Hinzutreffen weiterer Gläubiger nicht beeinflusst (Mroß DGVZ 12, 169, ...

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