Gesetzestext

 

Wird bei einer Vollstreckungshandlung Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners vorzunehmenden Vollstreckungshandlung weder der Schuldner noch ein erwachsener Familienangehöriger, eine in der Familie beschäftigte Person oder ein erwachsener ständiger Mitbewohner anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen.

A. Ratio und Tatbestand.

 

Rn 1

§ 759 dient der Transparenz des Vollstreckungsverfahrens und hat einen doppelten Regelungszweck. Zum einen schützt die Vorschrift den GV vor nicht zutreffenden Verdächtigungen des Schuldners, zum anderen den Schuldner vor sonst kaum nachweisbaren Übergriffen bei der Zwangsvollstreckung. In objektiver Hinsicht stellt die Vorschrift die jederzeitige Kontrollierbarkeit des Vollstreckungsverfahrens sicher und bürgt damit für dessen Rechtsstaatlichkeit. Sie ist Teil des zwingenden Rechts und kann daher durch eine Vereinbarung zwischen GV und Schuldner nicht abbedungen werden. Zeugen muss der GV bei der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme in zwei Fällen zuziehen, zunächst dann, wenn er bei der Vollstreckungshandlung auf Widerstand stößt. Zum Begriff des Widerstandes s § 758 Rn 7. Im zweiten Fall werden in der Wohnung des Schuldners (zum Begriff s § 758 Rn 3) anlässlich der Vollstreckung weder er selbst, noch ein Familienangehöriger oder eine der Familie dienende erwachsene Person angetroffen. Es ist nicht erforderlich, dass die angehörige Person mit dem Schuldner zusammen lebt (Musielak/Lackmann § 759 Rz 1). Trifft der GV dagegen in der Wohnung eine oder mehrere Personen an, muss er die Voraussetzungen des § 759 prüfen (LG Konstanz DGVZ 84, 119). Es muss sich dabei nicht zwingend um eine volljährige Person handeln (Schuschke/Walker/Walker § 759 Rz 4). Sie muss jedoch fähig sein, das Vollstreckungsgeschehen einzuordnen und wiedergeben zu können (MüKoZPO/Heßler § 759 Rz 10). Ob das der Fall ist, hat der GV zu prüfen und muss sich, wenn Zweifel bleiben, für die Hinzuziehung von Zeugen entscheiden.

B. Hinzuziehung von Zeugen als Rechtsfolge.

 

Rn 2

Stößt der GV bei der Vollstreckung auf nicht vorhersehbaren Widerstand, hat er diese, sofern nicht die Unterbrechung den Vollstreckungserfolg mit Sicherheit vereiteln würde (Schuschke/Walker/Walker § 759 Rz 2), umgehend vorübergehend einzustellen und erst wieder aufzunehmen, wenn er Zeugen hinzugezogen hat (Zö/Seibel § 759 Rz 2). Die Anwendung von Gewalt ist dabei insofern zulässig, als sie dazu dient, den Widerstand des Schuldners gegen die Heranziehung von Zeugen zu brechen oder zu verhindern, dass der Schuldner flieht oder der Vollstreckung unterliegendes Vermögen beiseite schafft (BGHSt 5, 93, 94 = NJW 54, 200). Ohne konkrete Anhaltspunkte für zu erwartenden Widerstand darf der GV Zeugen aber nicht rein vorsorglich hinzuziehen (AG Dieburg JurBüro 16, 320), ebenso wenig bei etwaiger Abwesenheit des Schuldners (LG Bremen JurBüro 16, 552). Geeignete Zeugen sind erwachsene Personen oder ein Gemeinde- oder Polizeibeamter. Generell kommen als Zeugen nach § 62 II GVGA ›unbeteiligte und einwandfreie‹ Personen in Betracht, die nahe beim Vollstreckungsort wohnen. Der Gläubiger selbst ist nicht unbeteiligt und daher kein tauglicher Zeuge iSv § 759 (ThoPu/Seiler § 759 Rz 3; großzügiger St/J/Münzberg § 759 Rz 3). Die Zeugen sind gehalten, das Vollstreckungsprotokoll nach § 762 II Nr 4 mit zu unterzeichnen und sollen auf Verlangen eine angemessene Entschädigung für ihre Tätigkeit nach dem JVEG erhalten. Geleistete Entschädigungen sind Auslagen, die der GV nach dem GvKostG beitreibt.

C. Rechtsfolge bei Verstoß.

 

Rn 3

Der Verstoß gegen § 759 macht die Vollstreckungshandlung nicht unwirksam (Musielak/Lackmann § 759 Rz 3). Auch eine Anfechtungsmöglichkeit besteht nicht (str; St/J/Münzberg § 759 Rz 2). Denn mangels Beschwer ist der Schuldner nicht erinnerungsbefugt nach § 766. Allerdings handelt der GV bei einem Verstoß gegen § 759 rechtswidrig, so dass ein Schuldner, der ihm Widerstand leistet, wegen § 113 III StGB nicht nach § 113 I StGB strafbar ist (Alisch DGVZ 84, 108). Er kann gegen den GV Dienstaufsichtsbeschwerde erheben.

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