Gesetzestext

 

(1) 1Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. 2Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) 1Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. 2Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

A. Ratio und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Zweck des Verfahrens nach § 719 ist es, solchen Entscheidungen ihre vorläufige Vollstreckbarkeit zu nehmen, die sich bereits bei summarischer Prüfung als offenkundig nicht haltbar erweisen (BGH WuM 16, 305; Ddorf GRURPrax 16, 83). Abs 1 der Vorschrift verweist für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen (oder Vollstreckungsbescheiden nach § 700), gegen die Einspruch oder Berufung eingelegt wurde, auf § 707. Hinsichtlich der Einstellungsmodalitäten wird dieser Verweis bei einem Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid in Abs 1 S 2 modifiziert. Bei diesen beiden Titelarten dominieren die Interessen des Gläubigers an der Zwangsvollstreckung ggü denen des Schuldners an der Einstellung, weil dieser sich nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitteln gewehrt hat und daher seine eigene Säumnis für die Existenz der Titel ursächlich geworden ist (MüKoZPO/Götz § 719 Rz 1).

 

Rn 2

Abs 2 trifft für Urteile, die in der Revisionsinstanz für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind, eine ggü § 707 besondere und inhaltlich strengere Regelung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Da sich bereits zwei Tatsacheninstanzen mit der Rechtsposition des Schuldners befasst haben und die Vollstreckung möglichst nicht wieder hinaus geschoben werden soll, ist die Einstellung nur noch in dem Ausnahmefall möglich, dass die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt und der Einstellung nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Für die praktisch wichtigsten Fälle der Einstellung der Zwangsvollstreckung, der Berufung, des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil, des Vollstreckungsbescheids und – über den Wortlaut des § 719 hinaus – der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 V S 2 ist § 719 daher die einschlägige Rechtsvorschrift (BGH GRUR 16, 1206 [BGH 12.09.2016 - X ZR 14/15]). Sie ist auch anwendbar bei der Berufung gegen Urteile, die einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erlassen oder bestätigen (§§ 922 I, 925 I, 936; München ZIP 18, 1796), nicht dagegen bei Urteilen, die einen Arrestbeschluss aufheben (Bremen InVo 98, 362). Entscheidungen, die einstweiligen Rechtsschutz gewähren oder bestätigen, sind auch ohne besonderen Ausspruch vorläufig vollstreckbar und insoweit den für vorläufig vollstreckbar erklärten vergleichbar. Allerdings muss die Praxis dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um Eilfälle handelt, so dass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in besonderen Fällen in Betracht kommt, insb wenn der Erfolg des eingelegten Rechtsmittels sehr wahrscheinlich ist (Frankf MDR 97, 393; KG NJW-RR 98, 1381 [KG Berlin 13.08.1997 - 3 UF 3216/97]; Celle NJW 90, 3280).

B. Tatbestand des Abs 1 S 1.

I. Formeller.

 

Rn 3

Neben den Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 707 (s § 707 Rn 6 ff) ist eine statthafte, nicht jedoch zwingend zulässige Berufung erforderlich, die durch den Eingang der Berufungsschrift bei Gericht tatsächlich eingelegt worden ist. Vorher kommt eine Entscheidung nicht in Betracht, weil die Erfolgsaussichten der Berufung nicht geprüft werden können (Saarbr MDR 97, 1157 [OLG Saarbrücken 24.07.1997 - 1 U 605/97 - 124]). Allein der Antrag auf PKH für eine in Aussicht genommene Berufung genügt insoweit nicht (Zö/Herget § 719 Rz 3). Das mit der Berufung angefochtene Urt muss für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sein, was bei allen Urteilen der Fall ist, deren Rechtskraft nicht bereits mit der Verkündung eintritt (s § 705 Rn 2). Das Urt muss nicht zwingend einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, weil dem Schuldner nicht abverlangt werden kann, mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen die Vollstreckungsfähigkeit abklären zu lassen, während er den Titel selbst ja schon mit der Berufung angefochten hat (str; St/J/Münzberg § 719 Rz 2; aA Zö/Herget § 719 Rz 1). Ob das Urt ohne oder gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar ist, ist nur iRd Begründetheit des Einstellungsantrags von Bedeutung (MüKoZPO/Götz § 719 Rz 3). In Patentsachen ist § 719 I (und nicht § 719 II) im Revisionsverfahren und im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision...

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