Gesetzestext

 

1Die Rechtskraft der Urteile tritt vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs bestimmten Frist nicht ein. 2Der Eintritt der Rechtskraft wird durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels oder des Einspruchs gehemmt.

A. Begriff und Folgen der formellen Rechtskraft.

 

Rn 1

Der Rechtskraft fähig sind Urteile der letzten Rechtsmittelinstanz (uU auch ein erstinstanzliches Scheidungsurteil: BGHZ 100, 205), Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde nach § 574, der sofortigen nach § 567 oder befristeten Beschwerde unterliegen sowie der Rechtskraft fähige Vollstreckungsbescheide (BGH NJW-RR 90, 434 [BGH 18.01.1990 - III ZR 26/89]). Rechtskraft iSv § 705 bedeutet formelle oder äußere Rechtskraft. Formell rechtskräftig sind Entscheidungen, die unangreifbar geworden sind (ThoPu/Seiler § 705 Rz 1a). Das ist der Fall, wenn sie im Rechtsmittelzug mit einem ordentlichen, dh befristeten Rechtsmittel (§ 19 I, II EGZPO) oder einem Einspruch (§ 338) nicht mehr abgeändert werden können (BGH NJW 92, 2296 [BGH 12.05.1992 - VI ZR 118/91]). § 705 bestimmt nicht positiv, wann die formelle Rechtskraft eintritt, sondern nur, zu welchem Zeitpunkt das noch nicht der Fall ist (S 1) und wodurch ihr Eintritt gehemmt wird (S 2). Insoweit ist die Regelung inhaltlich nicht vollständig und bedarf der Ergänzung (MüKoZPO/Götz § 705 Rz 1). Die formelle Rechtskraft ist die Grundlage für den Eintritt der materiellen (oder inneren) Rechtskraft nach § 322, die jedoch keine Voraussetzung des § 705 ist. Nach dem Eintritt der Rechtskraft findet die Vollstreckung auf Grundlage der §§ 704, 705 statt (endgültige Vollstreckbarkeit), nicht mehr aufgrund vorläufiger Vollstreckbarkeit nach §§ 708, 709. Eine Sicherheit, die zur Zwangsvollstreckung geleistet wurde, ist nach § 715 zurückzugeben. Auf eine zur Abwendung der Vollstreckung geleistete Sicherheit nach §§ 708, 711, 712 kann der Gläubiger nun zugreifen (BGH NJW 78, 43 [BGH 28.09.1977 - VIII ZR 51/77]).

B. Eintritt der formellen Rechtskraft (S 1).

I. Mit Verkündung der Entscheidung.

1. Urteile.

 

Rn 2

Wann die formelle Rechtskraft genau eintritt, hängt bei Urteilen davon ab, ob sie rechtsmittelfähig sind oder nicht. Urteile, gegen die kein Rechtsmittel statthaft ist, werden bereits mit ihrer Verkündung formell rechtskräftig. Das sind, soweit es sich wegen des Einspruchsrechts nicht um erste Versäumnisurteile handelt: Revisionsurteile des BGH, Kostenurteile nach § 99 I, Zwischenurteile nach § 280 in den Fällen der §§ 513 II, 545 (BGH NJW 09, 3164, 3165 [BGH 09.07.2009 - III ZR 46/08]) sowie Berufungsurteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte nach § 542 II. Berufungsurteile, die nicht solche nach § 542 II sind, werden auch dann nicht mit der Verkündung rechtskräftig, wenn die Revision nach § 543 nicht zugelassen ist. Für die genannten Entscheidungen gilt § 705 S 1 freilich nicht, weil die Vorschrift voraussetzt, dass gegen eine Entscheidung überhaupt ein Rechtsmittel statthaft ist (MüKoZPO/Götz § 705 Rz 5).

2. Beschlüsse.

 

Rn 3

Beschlüsse, gegen die ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, werden mit Erlass formell rechtskräftig. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung aus dem gerichtsinternen Geschäftsbetrieb heraus befördert worden ist. Beispiele sind Beschlüsse nach § 522 III oder nach § 542 II, wenn nämlich ein in dieser Vorschrift genanntes Verfahren als unzulässig verworfen wird (BGH NJW 03, 69).

II. Vor Fristablauf.

 

Rn 4

Bevor die Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist abgelaufen ist, tritt entgegen § 705 formelle Rechtskraft mit dem Wirksamwerden der letzten Verzichtserklärung ein (§§ 515, 516), wenn beide Parteien wirksam auf Rechtsmittel (nicht nur auf den materiellen Anspruch: BGH NJW 89, 170; BGH MDR 88, 1033) verzichtet haben. Der Rechtsmittelverzicht nur einer Partei bewirkt den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht, weil sie das Recht hat, sich einem Rechtsmittel der anderen Partei nach §§ 524 II 1, 554 II 1 anzuschließen. Das gilt auch, wenn die Beschwer nur bei einer Partei liegt. Gibt sie eine Verzichtserklärung ab, kommt ein Anschlussrechtsmittel der anderen Partei zwar nicht in Betracht, weil es an der Anfechtungsmöglichkeit fehlt. Dennoch ist ein Rechtsmittel, das eingelegt wird, nicht unstatthaft, sondern unzulässig, worüber nur das Rechtsmittelgericht entscheiden kann (Karlsr NJW 71, 664). Ist ein Anschlussrechtsmittel dagegen nicht mehr statthaft, nämlich in der Revisionsinstanz nach Ablauf der Frist des § 544 II 2, bewirkt auch der einseitige Rechtsmittelverzicht ausnahmsweise den Eintritt der formellen Rechtskraft (St/J/Münzberg § 705 Rz 14). Beim Einspruch gegen Versäumnisurteile genügt der einseitige Verzicht dagegen stets, um die formelle Rechtskraft eintreten zu lassen. Die Verzichtserklärung muss nicht ausdrücklich erfolgen. Jedoch kann bei einem Teilrechtsmittel wegen des Rests nicht automatisch auf einen Verzicht geschlossen werden (BGH GRUR 05, 320, 324 [BGH 25.11.2004 - I ZR 49/02]; zum Umfang der hemmenden Wirkung s.u. Rn 8). Ein wirksamer Verzicht kann nicht widerrufen werden.

III. Mit Fristablauf.

 

Rn 5

Entscheidungen, die rechtsmittel- und einspruchsfähig sind, werden formell rechtskräftig, wenn die Rechtsmittel- oder Einspruchsfr...

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