Rn 7

Kommt weder eine Rechtskrafterstreckung noch eine Gestaltungswirkung zum Tragen, so fragt es sich, ob sonstige Urteilswirkungen eine notwendige Streitgenossenschaft konstituieren. Der Rechtsanwender muss sich stets vor Augen halten, dass materiell-rechtliche Erwägungen und Gründe der Logik, die eine einheitliche Entscheidung notwendig oder wenigstens wünschenswert erscheinen lassen, nicht in eine prozessrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft münden (BGHZ 30, 195, 199 f; 23, 73, 75 f; BGH NJW 89, 2133f). Insbesondere vermag eine Präjudizialität, die Bindungswirkung eines Urteils für eine Vorfrage in einem Verfahren gegen einen anderen Bekl, eine notwendige Streitgenossenschaft nicht zu erzeugen, weil grds nicht auszuschließen ist, dass ein einzelner Streitgenosse aus in seiner Person liegenden Gründen verliert oder obsiegt.

 

Rn 8

Werden nebeneinander eine OHG und ihr persönlich haftender Gesellschafter (§ 128 HGB) verklagt, fehlt es an einer notwendigen Streitgenossenschaft, selbst wenn der Gesellschafter keine persönlichen Einwendungen erhebt und die Ausschlusswirkung des § 129 HGB durchgreift, weil es für die Beurteilung, ob eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, nicht auf die von dem Gesellschafter geltend gemachten Einwendungen ankommen kann (BGH NJW 88, 2113; BGHZ 63, 51, 54 = NJW 74, 2124; BGHZ 54, 251, 254 f = NJW 70, 1740). Keine notwendige Streitgenossenschaft liegt auch bei einer Klage gegen eine Außen-GbR und ihre akzessorisch haftenden Gesellschafter vor (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056) sowie bei einer Inanspruchnahme nur der Gesellschafter. Im Verhältnis von Hauptschuldner und Bürge handelt es sich ebenfalls um eine einfache Streitgenossenschaft. Die Rechtskraft eines von dem Gläubiger zu Lasten des Hauptschuldners erwirkten Urteils wirkt ohnehin nicht gegen den Bürgen (BGHZ 76, 222, 230 f = NJW 80, 1460), dem umgekehrt ein klageabweisendes Urt unter dem Gesichtspunkt des materiell-rechtlichen Einwendungsdurchgriffs (§ 768 I 1 BGB) zustattenkommt. Eine die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft allein rechtfertigende Rechtskrafterstreckung ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen (BGH NJW 69, 1480 f [BGH 21.05.1969 - VIII ZR 141/67]; St/J/Bork Rz 11). Aus diesen Erwägungen besteht bei Inanspruchnahme des persönlichen Schuldners und des Eigentümers einer beweglichen oder unbeweglichen dinglichen Sicherheit (§§ 1211, 1137 BGB) ebenfalls keine notwendige Streitgenossenschaft.

 

Rn 9

Auch der Schädiger/Versicherungsnehmer und der unmittelbar haftende Pflichtversicherer (§ 3 Nr 1, 2 PflVG) bilden nur eine einfache Streitgenossenschaft, weil die ihnen wechselseitig zugutekommende Klageabweisung gegen den anderen Verpflichteten (§ 3 Nr 8 PflVG) Folge der materiell-rechtlichen Abhängigkeit der Ansprüche und kein Fall der Rechtskrafterstreckung ist (BGHZ 63, 51, 55 = NJW 74, 2124; BGH NJW 82, 996 f; 78, 2154; aA Oldbg VersR 69, 47; Köln VersR 70, 687; Frankf NJW 74, 1473; Gerhardt FS Henckel 282 ff). Miteigentümer, Miterben und Mitgläubiger, die ohne ihre Teilhaber einzeln klagebefugt sind (§§ 1011, 2039, 432 BGB) und gegen die mangels einer Rechtskrafterstreckung voneinander abweichende Entscheidungen ergehen können, sind keine prozessrechtlich notwendigen Streitgenossen (BGHZ 92, 351, 354 = NJW 85, 385; BGHZ 79, 245, 247 = NJW 81, 1097; BGHZ 23, 207, 212 = NJW 57, 906; BGH NJW 97, 2115 f; aA St/J/Bork Rz 8). Wegen der fehlenden Rechtskrafterstreckung scheidet auch für die gesondert verklagbaren Gesamtschuldner (§ 425 BGB) eine notwendigen Streitgenossen aus (BGH NJW 92, 2413f [BGH 24.06.1992 - VIII ZR 203/91]). Ebenso verhält es sich für gesamtschuldnerisch in Anspruch genommene Mitglieder einer Gesamthandsgemeinschaft (§§ 128 HGB, 2058 BGB). Mehrere Gesamtgläubiger (§ 429 III BGB) sind keine notwendigen Streitgenossen. Dies gilt auch für Unterhaltsberechtigte, die auf der Grundlage des § 844 ihren Unterhaltsschaden einfordern, und mehrere durch die Amtspflichtverletzung eines Notars geschädigte Vertragsparteien (BGH NJW 93, 648f). Anfechtende Gläubiger in einem Verbraucherinsolvenzverfahren sind nicht notwendige Streitgenossen, auch wenn sie gemeinsam klagen (Brandbg ZInsO 12, 1675, 1676).

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