Gesetzestext

 

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5. wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6. wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

A. Bedeutung der absoluten Revisionsgründe.

 

Rn 1

Bei absoluten Revisionsgründen wird die Ursächlichkeit eines Verfahrensfehlers für den Inhalt der Entscheidung unwiderlegbar vermutet (vgl nur BGH 26.11.08 – VIII ZR 200/06 juris Tz 6; BGHZ 172, 250 Tz 11; Musielak/Voit/Ball § 547 Rz 2; MüKoZPO/Krüger § 547 Rz 1; Zö/Heßler § 547 Rz 1). Auch absolute Revisionsgründe können allerdings nur iRe statthaften und auch iÜ zulässigen Revision geltend gemacht werden; desgleichen werden absolute Revisionsgründe – mit Ausnahme unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen – nicht vAw, sondern nur auf ordnungsgemäße Verfahrensrüge (§ 551 III 1 Nr 2 lit b) geprüft (vgl BGH NJW 07, 909; Musielak/Voit/Ball § 547 Rz 2; Zö/Heßler § 547 Rz 1). Dies gilt jedenfalls in Bezug auf § 547 Nr 6 ZPO (BGH NJW 07, 909 [BGH 15.11.2006 - XII ZR 97/04] Tz 25; vgl auch BAG NJW 04, 92, 93 [BAG 01.10.2003 - 1 ABN 62/01]; anders jedoch – ohne nähere Begründung – BGH 13.6.06 – IX ZB 88/05 Tz 3 – juris für die Rechtsbeschwerde). Ist eine Partei des Rechtsstreits demgegenüber nicht ordnungsgemäß vertreten (§ 547 Nr 4), ist dieser Mangel in der Revisionsinstanz vAw zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 09, 690 [BGH 16.02.2009 - II ZR 282/07] Tz 9; vgl auch BGH NJW-RR 07, 98 [BGH 16.10.2006 - II ZR 7/05] Tz 7; NJW 03, 585 [BGH 30.10.2002 - XII ZR 345/00]).

 

Rn 2

Kennzeichnend für die absoluten Revisionsgründe ist allerdings nicht lediglich die unwiderlegbare Vermutung der Ursächlichkeit des Verfahrensverstoßes für die Entscheidung, sondern deren Qualifizierung als besonders schwerwiegende Verfahrensfehler (BGHZ 172, 250 Tz 11), was die Annahme trägt, dass die Revision ohne weiteres jedenfalls dann zuzulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr 1–4 geltend gemacht wird und vorliegt (BGHZ 172, 250 Tz 12 ff; zu den absoluten Revisionsgründe des § 547 Nr 5 und 6 und ihrer Relevanz für die Zulassung der Revision, vgl § 543 Rn 20). Die Qualifizierung als besonders schwerwiegende Verfahrensfehler wird auch daran sichtbar, dass die absoluten Revisionsgründe des § 547 Nr 1–4 mit den Nichtigkeitsgründen des § 579 I übereinstimmen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils rechtfertigen, weil es der Gesetzgeber für unzumutbar hält, von der unterlegenen Partei zu verlangen, sich mit dem Urt anzufinden (St/J/Jacobs 22. Aufl v § 578 Rz 26).

B. Die absoluten Revisionsgründe iE.

I. Nr 1 Nicht vorschriftsmäßige Besetzung.

 

Rn 3

Gemäß § 309 kann das Urt nur von denjenigen Richtern gefällt werden, welche der dem Urt zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. Ist ein Berufungsurteil von drei Richtern unterschrieben worden, die es nach dem Einleitungssatz auch erlassen haben, hat an der mündlichen Verhandlung, auf die das Urt ergangen ist, ausweislich der Sitzungsniederschrift dagegen nur die Vorsitzende Richterin als Einzelrichterin teilgenommen, war das Berufungsgericht beim Erlass des Urteils nicht vorschriftsmäßig besetzt (BGH 26.11.08 – VIII ZR 200/06 Tz 6 – juris). Gefällt ist ein Urt erst, wenn über das Urt abschließend beraten und abgestimmt worden ist. Tritt nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Fällung des Urt aufgrund einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans ein Richterwechsel ein, so ist das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn entgegen § 156 II Nr 3 ZPO nicht die mündliche Verhandlung wiedereröffnet, sondern ein Urt verkündet wird, das (auch) von dem mittlerweile ausgeschiedenen Richter unterschrieben worden ist (BGH NJW-RR 2012, 508 [BGH 01.03.2012 - III ZR 84/11] Tz 9).

 

Rn 4

Das erkennende Gericht ist auch nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitwirkt, der wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an der Wahrnehmung oder der Beurteilung der Vorgänge in der mündlichen Verhandlung gehindert ist (BGHZ 38, 347, 348 f; Musielak/Voit/Ball § 547 Rz 5 mwN).

 

Rn 5

Der Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts greift auch und insb ein, wenn der Rechtsbegriff der Verhinderung des Vorsitzenden verkannt wurde. Damit kann eine Revision gegen ein Berufungsurteil auf die Rüge gestützt werden, dass das Beru...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt HSO FV Sachsen online Kompaktversion. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen