Gesetzestext

 

(1) 1Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des ersten Rechtszuges ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angefochten wird, auf Antrag von dem Berufungsgericht durch Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu erklären. 2Die Entscheidung ist erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zulässig.

(2) Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt.

A. Systematik, Zweck, Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Vor Eintritt der Rechtskraft ist das erstinstanzliche Urt für den Gläubiger regelmäßig gar nicht oder nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Auch wenn das Urt nur tw angefochten wird, hindert dies vielfach den Eintritt der Rechtskraft des Urteils in vollem Umfang, da eine Erweiterung der Anfechtung im Berufungsverfahren möglich bleibt. Bevor dies geschieht, gibt es indes keinen Grund, den Schutz des Schuldners im nicht angefochtenen Teil des Urteils aufrecht zu erhalten. Auf Antrag des Gläubigers (dh regelmäßig des Berufungsbeklagten) kann das Urt insoweit für unbedingt vorläufig vollstreckbar erklärt werden. § 537 stellt damit eine Ergänzung der §§ 708 ff dar, die eine Abänderung der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit eines erstinstanzlichen Urteils nach Einlegung der Berufung erlaubt.

 

Rn 2

Die Vorschrift gilt in allen Berufungsverfahren, auch im WEG-Verfahren. Da Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die die Berufung zulässig ist, gem § 62 I 1 ArbGG stets (unbedingt) vorläufig vollstreckbar sind, kommt eine entsprechende Anwendung des § 537 nach § 64 VI ArbGG nur im Fall eines Ausschlusses der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 62 I 2 ArbGG in Betracht.

B. Voraussetzungen.

 

Rn 3

Für die Entscheidung nach § 537 kommt es weder auf die Zulässigkeit noch auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels an (Schneider DRiZ 79, 44, 45). Auch materielle Einwendungen (Erfüllung) bleiben regelmäßig unbeachtlich, etwas anders kann nur gelten, wenn die fehlende Leistungsverpflichtung unstr ist (Musielak/Ball Rz 5). Zu prüfen sind lediglich formelle Voraussetzungen.

I. Nicht unbedingt vollstreckbares Urteil.

 

Rn 4

Erforderlich ist, dass das erstinstanzliche Urt nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht auf § 708 Nr 1–3, sondern auf § 708 Nr 4–11 iVm § 711, § 709 oder § 712 I 1, II 2 beruht. Darauf, ob die erstinstanzliche Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtig war oder nicht, kommt es nicht an; ggf besteht ein Wahlrecht der Partei zwischen § 537 und §§ 716, 321 (St/J/Grunsky § 534 aF Rz 2). Ausgenommen sind Urteile, die nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, insb solche in Arrest- und einstweiligen Verfügungssachen.

II. Bloß teilweise angefochtenes Urteil.

 

Rn 5

Für unbedingt vollstreckbar erklärt werden kann das Urt nur, soweit es mit der Berufung nicht angegriffen ist (Kobl MDR 13, 873). Durch Berufungsanträge angefochten ist der Teil des erstinstanzlichen Urteils, der von den zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 537 aktuellen Anträgen des Berufungsführers bzw der Berufungsführer und von den Anträgen der Anschlussberufung(en) (Hamm MDR 95, 311) umfasst wird. Nur tw angefochten ist ein Urt auch, wenn eine zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung oder Anschließung durch Rücknahme oder Verzicht tw weggefallen ist. Eine entsprechende Anwendung des § 537 auf einen erkennbar aussichtslos angefochtenen Teil des Urteils ist nicht möglich (Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 2). Nicht möglich ist auch eine auf die anteiligen Kosten beschränkte Entscheidung nach § 537, da die Kostenentscheidung unabhängig vom Umfang der Anfechtung der Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt (Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 8; tw aA Zö/Gummer/Heßler Rz 6).

III. Noch nicht rechtskräftiges Urteil.

 

Rn 6

Wird das Urt infolge der Nichtanfechtung tw rechtskräftig, kann aus ihm nach § 704 I unbedingt vollstreckt werden, eine Entscheidung nach § 537 kommt dann nicht mehr in Betracht (RGZ 130, 229, 230). Nach heute hM (BGH NJW 92, 2296 [BGH 12.05.1992 - VI ZR 118/91]; Hamm NJW-RR 90, 1470; Zö/Gummer/Heßler Rz 1; Eichele/Hirtz/Oberheim/Ahrens Kap 13 Rz 112 f mwN) geht der Umfang der Hemmungswirkung weiter als der der Anfallswirkung. Der Eintritt der Rechtskraft nach § 705 S 2 wird auch bzgl des vom Berufungsführer nicht angefochtenen Teils seiner Beschwer gehemmt, da es ihm möglich bleibt, den Umfang seiner Anfechtung auch noch nach Ablauf der Berufungsfrist durch Änderung des Antrags zu erweitern. Teilweise rechtskräftig können danach nur diejenigen Teile des Urteils werden, bzgl derer das Recht zur Berufung oder Anschließung durch Verzicht nicht mehr besteht (§ 515 Rn 12). Soweit noch die Auffassung vertreten wird, die Hemmung der formellen Rechtskraft nach § 704 I trete lediglich im Umfang der Anfechtung ein (St/J/Grunsky § 519 aF Rz 49; § 534 aF Rz 1; AK/Ankermann § 534 Rz 1), wird eine Entscheidung nach § 537 dennoch befürwortet, um die Parteien nicht zum Opfer eines dogmatischen Theorienstreits werden zu lassen.

IV. Antrag.

 

Rn 7

Antragsberechtigt ist der Gläubiger der nicht angefochtenen Forderung. Dies ist regelmäßig der berufungsbeklagte ...

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