Gesetzestext

 

(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.

(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift normiert eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts grds durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (sog perpetuatio fori, § 261 III 2) und erweitert insoweit für die in Abs 1 genannten Fälle die in § 281 I geregelte Möglichkeit der Verweisung an das (dann) zuständige Gericht. Dies soll gewährleisten, dass über zusammenhängende Verfahren das für den ersten Rechtszug zuständige (Land-)Gericht eine einheitliche Entscheidung treffen kann (vgl MüKoZPO/Deubner Rz 1) und insb der Möglichkeit einer Erschleichung der amtsgerichtlichen (sachlichen) Zuständigkeit durch mehrere Teilklagen über denselben Streitgegenstand bzw zusammenhängende Streitgegenstände oder Klageerweiterung erst nach Begründung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit durch den Kl vorbeugen (vgl Zö/Herget Rz 1). In Durchbrechung der Regelung in § 261 III Nr 2 wird dann der gesamte Rechtsstreit an das nunmehr zuständige Gericht verwiesen, also auch der bereits rechtshängige Anspruch, nicht nur die neu hinzugetretenen Ansprüche. Anders als in § 281 I oder § 99 GVG kann in den Fällen des § 506 I nicht nur der Kl (auf Rüge des Beklagten, § 39 S 1), sondern aufgrund des Wortlauts jede Partei, also auch der Beklagte die Verweisung beantragen. Dies nimmt andererseits dem Beklagten die ihm iRd § 281 I 1 ansonsten uneingeschränkt offenstehende Möglichkeit der rügelosen Einlassung gem § 39 S 1.

B. Anwendungsbereich.

I. Grundsatz.

 

Rn 2

Grds ist § 506 bei Erhebung einer Widerklage gem § 33, einer Klageerweiterung gem § 264 Nr 2 u 3 bzw klageerweiternden, streitwerterhöhenden Klageänderung gem § 263 sowie einer Klageerweiterung mittels Zwischenfeststellungsklage gem § 256 II anwendbar. Die entsprechenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, etwa der Sachzusammenhang in § 33, müssen jeweils vorliegen (MüKoZPO/Deubner Rz 2, St/J/Leipold Rz 8). Regelmäßig ist wegen der in § 5 S 1 geregelten Addierung der Streitwerte die Verweisung auszusprechen, wenn sich im Hinblick auf den gesamten rechtshängigen Anspruch die sachliche Zuständigkeit des LG gem §§ 23, 71 GVG ergibt, außer im Falle der Widerklage, die gem § 5 S 2 isoliert den entsprechenden Zuständigkeitsstreitwert erreichen muss, um eine Verweisung gem § 506 zu begründen. Ein Fall des § 506 kann auch dann vorliegen, wenn ein Kläger einer unbezifferten Schmerzensgeldklage unter Vortrag eines weitergehenden Schadens seine Mindestvorstellung hinsichtlich des von ihm begehrten Schmerzensgeldes von einem Betrag unter 5.000 EUR auf einen Betrag über 5.000 EUR erhöht (Hamm Beschl v 19.7,18 – I 32 SA 24/18). Eine anfängliche sachliche und örtliche Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen AG ist dagegen keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 506 (vgl etwa St/J/Leipold Rz 9, MüKoZPO/Deubner Rz 10), wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 506 später hinzukommen. Für den Fall, dass ein die Anwendbarkeit von § 506 auslösender Widerklageantrag oder eine Klageerweiterung unter den Vorbehalt der Bewilligung von PKH gestellt worden ist, kann eine Verweisung wegen erst dann eintretender Rechtshängigkeit allerdings erst nach Bewilligung der PKH durch das noch zuständige Prozessgericht erfolgen (KG KGR 07, 964).

II. Enge Auslegung.

 

Rn 3

Als Ausnahmevorschrift ist § 506 grds eng auszulegen und das Prinzip der perpetuatio fori nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen zu durchbrechen (B/L/H/A/G/Bünnigmann Rz 2, Zö/Herget Rz 2). Daher gilt § 506 nicht in den in §§ 302 IV 4, 600 II, 717 II und 1065 II 2 geregelten Fällen zwar den Streitwert erhöhender, die sachliche Zuständigkeit aber dennoch nicht berührender Widerklagen bzw der ebenfalls die sachliche Zuständigkeit nicht berührenden Klageerweiterung gem § 510b, ebensowenig bei (lediglich) bereits ursprünglicher sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit (dann Vorgehen nach §§ 504, 281). Anders jedoch bei Prozessverbindung gem § 147, insb wenn diese einen Fall vorheriger bewusster Aufteilung in Teilklagen durch den Kl zur jeweiligen Begründung einer amtsgerichtlichen Zuständigkeit betrifft (AG Neukölln MDR 05, 772 [AG Berlin-Neukölln 21.02.2005 - 19 C 244/03], B/L/H/A/G/Bünnigmann Rz 4, Zö/Herget Rz 2, St/J/Leipold Rz 17; aA Musielak/Wittschier Rz 1, MüKoZPO/Deubner Rz 6). Jedenfalls ist eine Verweisung nach § 506 bei Prozessverbindung gem § 147 für das Gericht, an das verwiesen worden ist, zumindest dann bindend, wenn sie nicht willkürlich war (KG MDR 07, 940, Hamm MDR 13, 1307; aA Rostock ...

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