Gesetzestext

 

1Kommt der Gegner der Anordnung, die Urkunde vorzulegen, nicht nach oder gelangt das Gericht im Falle des § 426 zu der Überzeugung, dass er nach dem Verbleib der Urkunde nicht sorgfältig geforscht habe, so kann eine vom Beweisführer beigebrachte Abschrift der Urkunde als richtig angesehen werden. 2Ist eine Abschrift der Urkunde nicht beigebracht, so können die Behauptungen des Beweisführers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angenommen werden.

A. Bedeutung der Vorschrift.

 

Rn 1

Nichtvorlage der Urkunde trotz Anordnung und Nichterfüllung der Nachforschungspflicht sind als Fälle der Beweisvereitelung zu qualifizieren, die das Gesetz mit möglichen Beweisnachteilen sanktioniert. Die Würdigung bleibt dem Gericht überlassen; § 427 gibt kein Beweisergebnis vor. Das Gericht kann in freier richterlicher Beweiswürdigung über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde befinden. Andere Rechtsfolgen als die innerprozessuale Sanktion des § 427 treten infolge dieser Beweisvereitelung nicht ein. Das Gericht kann insb keine Zwangsmittel zur Durchsetzung der Vorlegungspflicht einsetzen (BGH DNotZ 14, 837, 838 [BGH 17.07.2014 - III ZR 514/13]; St/J/Berger § 426 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 427 Rz 4).

B. Voraussetzungen.

 

Rn 2

§ 427 kommt in zwei Fällen der Beweisvereitelung zur Anwendung. Hierbei handelt es sich zum einen um die Missachtung der Vorlegungsanordnung. Die Vorlegungsanordnung kann auf § 425 oder auf § 426 S 4 beruhen. Zum anderen sanktioniert § 427 die Nichterfüllung der Nachforschungspflicht. Das Gericht muss hierzu überzeugt sein, dass eine Nachforschungspflicht bestand und der Beweisgegner dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl § 426 Rn 4).

C. Rechtsfolge.

I. Beweiserleichterung für den Beweisführer.

 

Rn 3

Das Gericht kann als Ergebnis seiner Würdigung die substantiierten Behauptungen des Beweisführers zur Beschaffenheit und zum Inhalt der Urkunde als erwiesen erachten. Eine vom Beweisführer beigebrachte Abschrift der Urkunde kann als mit der vorgelegten Urkunde übereinstimmend angesehen werden. Dieses Ergebnis wird häufig gerechtfertigt sein, es ist jedoch nicht vorgegeben. Skepsis ist angebracht, wenn der Beweisführer die Abschrift erst dann vorlegt, wenn der Beweisgegner der Vorlegungsanordnung nicht nachgekommen ist (B/L/H/A/G/Gehle § 427 Rz 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 427 Rz 8; St/J/Berger § 427 Rz 8). Misstraut das Gericht der Abschrift, kann es als Ergebnis seiner Beweiswürdigung den Beweis als nicht erbracht ansehen. Gegen die Behauptungen des Beweisführers im Hinblick auf die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde respektive die Übereinstimmung einer Abschrift mit der nicht vorgelegten Urkunde ist der Gegenbeweis zulässig. Eine Vernehmung des Beweisführers als Partei kann wegen § 445 II nicht beantragt werden, wenn das Gericht die behaupteten Tatsachen nach § 427 als erwiesen erachtet (St/J/Berger § 426 Rz 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 427 Rz 11).

II. Ergebnis der Beweiswürdigung.

 

Rn 4

Die Beweiserleichterungen des § 427 beziehen sich nur auf die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde. Nur insoweit kann die Behauptung des Beweisführers als erwiesen angesehen werden. Ob die Urkunde echt ist, muss gesondert festgestellt werden (MüKoZPO/Schreiber § 427 Rz 3). Hierbei können die als erwiesen angesehenen Behauptungen zu Inhalt und Beschaffenheit (etwa die Qualifikation als öffentliche Urkunde) zugrunde gelegt werden. Die Tatsachen, die durch die Urkunde erwiesen werden sollen, können nicht nach § 427 unterstellt werden. Vielmehr gelten die allgemeinen Prinzipien zur Bedeutung der Urkunde für das jeweilige Beweisthema (MüKoZPO/Schreiber § 427 Rz 3; St/J/Berger § 427 Rz 9, vgl § 415 Rn 7). Da die Beweiswürdigung ggü allen Streitgenossen einheitlich erfolgt, treten die Beweiswirkungen nach § 427 auch im Verhältnis zu den Streitgenossen ein, gegen die sich die Vorlegungsanordnung nicht richtete (vgl § 426 Rn 1) oder die keinen Vorlegungsantrag gestellt hatten (St/J/Berger § 427 Rz 2).

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