Gesetzestext

 

Der Beweis wird durch die Vorlegung der Urkunde angetreten.

A. Beweisführung durch Urkunden.

 

Rn 1

Der Urkundenbeweis wird durch die schriftsätzliche Angabe des Beweisthemas und Inbezugnahme der zur Einsicht im Verfahren vorliegenden Urkunde geführt. Die §§ 420 bis 436 regeln den Antritt und die Durchführung des Urkundenbeweises. § 435 enthält eine Sonderregel für die Vorlegung öffentlicher Urkunden. Die Vorschriften über den Antritt und die Durchführung des Urkundenbeweises differenzieren danach, ob die Urkunde sich in den Händen des Beweisführers, des Prozessgegners (§ 421), eines Dritten (§ 428) oder einer Behörde oder eines Beamten (§ 432) befindet.

 

Rn 2

Von der Urkundenvorlegung aufgrund eines Beweisantritts muss die Anordnung der Urkundenvorlegung vAw gem § 142 unterschieden werden. Die Anordnung der Urkundenvorlegung vAw kann insb auch der Bereitstellung von Beweismitteln dienen (s § 142 Rn 2; BGH NJW 07, 155 [BGH 26.10.2006 - III ZB 2/06]; Derleder ZfIR 08, 284, 286 [BGH 26.06.2007 - XI ZR 277/05]; Zö/Greger § 142 Rz 1; Musielak/Voit/Stadler § 142 Rz 1; Stackmann NJW 07, 3521, 3535; aA Gruber/Kießling ZZP 116 [2003], 305, 314 f; zu den Grenzen der Editionspflicht vgl einerseits Wagner JZ 07, 706, 715 ff, andererseits Becker MDR 08, 1309, 1311). Die Regelung der Vorlegungsanordnung vAw ist nicht auf das Urkundenbeweisrecht abgestimmt. Gleichwohl findet § 142 keine Einschränkung; dem Prozessgegner kann die Vorlegung der Urkunde vAw auferlegt werden, selbst wenn die Voraussetzungen der §§ 422, 423 nicht vorliegen (s § 142 Rn 2; BGHZ 173, 23, 31 f = NJW 07, 2989, 2991 f; WM 10, 1448, 1451; NJW 17, 3304, 3306; vgl auch MDR 19, 825, 826; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 420 Rz 12; zur Bedeutung der Vorlage von Urkunden durch den Arbeitgeber im Arbeitsgerichtsprozess vgl Bergwitz NZA 18, 333, 336).

B. Beweisantritt durch Urkundenvorlage.

 

Rn 3

§ 420 regelt den Grundfall des Antritts eines Urkundenbeweises, den Beweisantritt durch Urkundenvorlage. Die Vorschriften über den Beweisantritt beim Urkundenbeweis differenzieren danach, ob der Beweisführer (§ 429) oder der Beweisgegner (§ 421 ff) die beweiserhebliche Urkunde ›in Händen hält‹, ob die Urkunde sich im Besitz eines Dritten (§ 428 ff) oder ›in den Händen‹ einer Behörde oder eines Beamten (§ 432) befindet. Von der Urkundenvorlage ist die schriftsätzliche Ankündigung der Urkundenvorlage zu unterscheiden. Letztere ist noch kein Beweisantritt, sondern lediglich der Hinweis auf einen zukünftigen Beweisantritt (BGH NJW-RR 93, 691, 693 [BGH 03.02.1993 - VIII ZR 217/91]; MüKoZPO/Schreiber § 420 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 420 Rz 18; Zö/Geimer § 420 Rz 2).

I. Vorlage der Urkunde.

 

Rn 4

Der Beweis kann durch Vorlage der Urkunde angetreten werden, wenn die Urkunde sich in den Händen des Beweisführers befindet. Entscheidend ist, dass er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Urkunde ausübt (MüKoZPO/Schreiber § 420 Rz 2). Eine als Beweismittel genannte Urkunde muss spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden, wenn sie nicht aufgrund gerichtlicher Anordnung schon früher vorzulegen ist (BGH NJW 86, 428, 429 [BGH 19.09.1985 - VII ZR 158/84]; MüKoZPO/Schreiber § 420 Rz 4). Bei umfangreichen Urkunden oder Urkundensammlungen muss die beweisende Urkundenstelle etwa mit Seitenzahlangabe genau bezeichnet werden (BGH NJW 94, 3295, 3296 [BGH 09.06.1994 - IX ZR 125/93] zu § 432; Kobl NJOZ 19, 853; MüKoZPO/Schreiber § 420 Rz 3; ThoPu/Reichold § 420 Rz 2; Musielak/Voit/Huber § 420 Rz 2; zum Beweisantritt nach § 421: BGH NJW 14, 3312, 3313 [BGH 27.05.2014 - XI ZR 264/13]). Das Gericht hat hierauf uU nach § 139 ZPO gesondert hinzuweisen (BeckOKZPO/Krafka Ed. 38 § 420 Rz 1).

 

Rn 5

Privaturkunden sind im Original vorzulegen (BGH NJW 80, 1047, 1048; 92, 829, 830 [BGH 21.01.1992 - XI ZR 71/91]; MüKoZPO/Schreiber § 420 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 420 Rz 20; Musielak/Voit/Huber § 420 Rz 1; weitergehend Zoller NJW 93, 429, 430 ff). Eine entsprechende Anwendung des § 435 hat der BGH zu Recht abgelehnt (BGH NJW 80, 1047, 1048), da im Regelfall nur anhand des Originals Echtheit (§§ 439, 440) und Unversehrtheit (§ 419) sicher festgestellt werden können. Mit der Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Privaturkunde wird der Urkundenbeweis nicht angetreten. Die feste Beweisregel des § 416 findet keine Anwendung; das Gericht entscheidet unter freier Beweiswürdigung (BGH NJW 80, 1047, 1048 [BGH 16.11.1979 - V ZR 93/77]). Wenn der Gegner die Echtheit der Urkunde und die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift nicht bestreitet, wird jedoch ein Urkundenbeweis auch unter Vorlage einer Abschrift der Urkunde zugelassen (BGH NJW-RR 06, 847, 849 [BGH 08.03.2006 - IV ZR 145/05]; Schlesw SchlHA 09, 388; MüKoZPO/Schreiber § 435 Rz 1; zu Recht krit im Hinblick auf die strikten Beweisrechtsfolgen im Strengbeweisrecht: Wieczorek/Schütze/Ahrens § 420 Rz 23). Hinsichtlich der Übereinstimmung der Urkunde mit dem Original hat Gleiches zu gelten, wenn die Übereinstimmung durch einen Beglaubigungsvermerk mit der Beweiswirkung des § 418 nachgewiesen ist. In praxi führt die Vorlage...

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