Rn 4

Für die Frage, ob in der Berufungsinstanz entgegen § 398 I eine Pflicht zur erneuten Vernehmung besteht, gelten die Regeln des § 529 (BGH NJW 04, 1876 [BGH 12.03.2004 - V ZR 257/03]). Insbesondere muss das Berufungsgericht, will es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders würdigen oder den Sinngehalt seiner protokollierten Aussage anders verstehen, würdigen oder werten als die 1. Instanz, den Zeugen erneut persönlich anhören, anderenfalls ein Verstoß gegen Art. 103 I GG (rechtliches Gehör) anzunehmen ist (BGH NJW 18, 308 [BGH 25.07.2017 - VI ZR 103/17] Rz 9; WM 18, 1845 [BGH 23.11.2017 - I ZR 51/16] Rz 29; NJW-RR 17, 1101 [BGH 02.08.2017 - VII ZR 155/15], Rz 14). Eine erneute Vernehmung kann allenfalls dann unterbleiben, wenn das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen (also seine Glaubwürdigkeit) noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit (dh die Glaubhaftigkeit) seiner Aussage betreffen (§ 529 Rn 13; st Rsp des BGH seit NJW 91, 3285 [BGH 19.06.1991 - VIII ZR 116/90]; s zB NJW-RR 17, 1101 [BGH 02.08.2017 - VII ZR 155/15], Rz 14; hieran hat sich durch die ZPO-Reform 2002 nichts geändert, s BGH VersR 11, 817 [BGH 15.02.2011 - VI ZR 190/10] Rz 6; WM 11, 1533 [BGH 21.06.2011 - II ZR 103/10] Rz 7; ebenso BVerfG NJW 11, 49 [BVerfG 14.09.2010 - 2 BvR 2638/09]; unvereinbar hiermit BGH 22.4.10 – IX ZR 128/09, Rz 2 betr. ›Ergiebigkeit‹ einer Aussage; zutr dagegen BGH 10.5.11 – VIII ZR 241/10, Rz 9).

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