Gesetzestext

 

(1) Erscheint eine Partei oder erscheinen beide Parteien in dem Termin zur Beweisaufnahme nicht, so ist die Beweisaufnahme gleichwohl insoweit zu bewirken, als dies nach Lage der Sache geschehen kann.

(2) Eine nachträgliche Beweisaufnahme oder eine Vervollständigung der Beweisaufnahme ist bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, auf Antrag anzuordnen, wenn das Verfahren dadurch nicht verzögert wird oder wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden außerstande gewesen sei, in dem früheren Termin zu erscheinen, und im Falle des Antrags auf Vervollständigung, dass durch ihr Nichterscheinen eine wesentliche Unvollständigkeit der Beweisaufnahme veranlasst sei.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Bestimmung schreibt im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie, aber auch mit Rücksicht auf die geladenen und erschienenen Zeugen oder Sachverständigen vor, dass eine Beweisaufnahme auch dann soweit wie möglich durchzuführen ist, wenn eine oder gar beide Parteien den Termin zur Beweisaufnahme nicht wahrnehmen. Sie schränkt mithin den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit ein. Abs 2 korrigiert diese gravierende Einschränkung für den Fall, dass eine (tw) Wiederholung der Beweisaufnahme das Verfahren nicht verzögert oder die Partei am ersten Termin schuldlos nicht teilgenommen hat.

B. Voraussetzungen und Folgen.

I. Nichterscheinen der Parteien.

 

Rn 2

§ 367 I setzt voraus, dass beiden Parteien Zeit und Ort der Beweisaufnahme ordnungsgemäß mitgeteilt wurden. Nur dann ist die Beweisaufnahme unbeschadet dessen durchzuführen, dass eine oder beide Parteien nicht erschienen sind. Anderenfalls ist sie auf Rüge der nicht ordnungsgemäß informierten Partei zu wiederholen (RG JW 1907, 392; St/J/Berger Rz 1). Dies gilt für Beweisaufnahmen vor dem Prozessgericht wie für solche durch den verordneten Richter und in gleicher Weise für vorterminliche (§ 358a) wie spätere Beweisaufnahmen.

 

Rn 3

Eine sofortige Beweisaufnahme darf auch dann durchgeführt werden, wenn das Gericht lediglich eine Anordnung nach § 273 II Nr 4 getroffen hat und die Parteien gem § 273 IV 1 benachrichtigt wurden. Wurde insoweit nicht schon ein Beweisbeschluss nach § 358a erlassen, kann das Gericht in dem so vorbereiteten Termin noch einen Beweisbeschluss nach Lage der Akten verkünden (§§ 251a, 331a). Dieser setzt ebenfalls keine vorherige mündliche Verhandlung voraus (§ 251a Rn 3; St/J/Berger Rz 2; aA Wieczorek/Wieczorek Anm A I b). Schließt sich an die Beweisaufnahme die mündliche Verhandlung an, kann ein Urt nach Lage der Akten ergehen, bei dem die Beweisaufnahme ebenfalls verwertet werden kann (BGH NJW 02, 301, 302 [BGH 25.10.2001 - III ZR 43/01]; § 370 Rn 7).

 

Rn 4

Die nicht anwesende Partei wird in der Folge mit ihren Mitwirkungs- und Fragemöglichkeiten, die sie bei der Beweisaufnahme hätte ausüben können, in dieser Instanz ausgeschlossen. Kann die Beweisaufnahme wegen des Fehlens der Partei nicht durchgeführt, zB eine von ihr vorzulegende Urkunde oder ein Augenscheinsobjekt nicht eingesehen werden, hängen die Folgen davon ab, ob sie Beweisführerin ist oder auf der Gegenseite steht. Im ersten Fall wird sie gem § 230 mit diesem Beweismittel ausgeschlossen. Im zweiten Fall ist das Ausbleiben der Partei vom Gericht unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung zu würdigen; s aber auch §§ 371 II, III, 427. Bleibt die zu vernehmende Partei dem Termin fern, gilt § 454.

II. Nachholung und Vervollständigung der Beweisaufnahme (Abs 2).

 

Rn 5

Die Beweisaufnahme ist auch bei schuldhaftem Fehlen der Partei auf Antrag nachzuholen, wenn das Verfahren dadurch nicht verzögert wird. Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze, wie sie zu § 296 entwickelt wurden (s dazu § 296 Rn 14 ff). Das Gericht entscheidet nach seiner freien Überzeugung.

 

Rn 6

Ist eine Verzögerung zu erwarten, kommt eine Nachholung oder Vervollständigung nur in Betracht, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter glaubhaft machen, dass sie an der Versäumung des früheren Termins kein Verschulden trifft. Hierfür ist eine konkrete Schilderung der Umstände erforderlich, die dazu geführt haben, dass sie den Termin trotz ordnungsgemäßer Mitteilung nicht wahrnehmen konnten. Wird nur eine Vervollständigung der Beweisaufnahme beantragt, muss darüber hinaus glaubhaft gemacht werden, dass die Beweiserhebung gerade aufgrund ihres Fehlens in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben ist. Dies wird etwa bei Zeugenvernehmungen oder Sachverständigenanhörungen Vortrag dazu erfordern, welche Fragen gestellt worden wären und wie diese Fragen das Beweisergebnis hätten verändern können.

 

Rn 7

Nach überwiegender Ansicht ist die Beweisaufnahme unabhängig davon nachzuholen, wenn die Gegenseite zustimmt. Die Vereinfachungsnovelle ließ den Wortlaut des § 367 unverändert. Daraus wird man den Willen des Gesetzgebers entnehmen können, die bis dahin herrschende Rechtspraxis bestehen zu lassen (St/J/Berger Rz 8; Zö/Greger Rz 2; aA MüKoZPO/Heinrich Rz 6; Musielak/Stadler Rz 6). Zudem kann die Gegenseite mit ihrer Einwilligung das Risiko einer erfolgreichen Berufung verringern (BeckOKZPO/Bach Rz 8.1).

III. Verfahren.

 

Rn 8

Der Antrag auf Nachholung od...

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