Gesetzestext

 

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

A. Begriff und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die Glaubhaftmachung ist eine eigenständige Art der Beweisführung, die ggü dem üblichen Beweisverfahren bzgl der Beweismittel, der Beweisaufnahme und des Beweismaßes Besonderheiten aufweist. Die Glaubhaftmachung ist nur dort zulässig, wo sie das Gesetz vorschreibt oder ausdrücklich erlaubt. Eine entsprechende Anwendung des § 294 auf andere Fälle ist nicht möglich (BGH VersR 73, 186, 187). Vor allem das Verfahrensrecht enthält zahlreiche Vorschriften, die eine Glaubhaftmachung fordern oder zulassen. Die Wichtigsten sind die §§ 44 II und IV, 104 II, 118 II 1, 227 III, 236 II, 381 I 2, 406 III, 511 III, 531 II 2, 589 II, 605 II, 719 I 2, 769 I 2, 900 IV, 920 II, §§ 18 II 1 u 51 I 2 FamFG sowie §§ 14 I, 15 II 1, 290 II InsO. Im Bereich des materiellen Rechts sind die §§ 885 I 2, 899 II 2, 1953 III 2, 2146 II und 2228 BGB zu nennen (weitere Beispiele bei MüKoZPO/Prütting Rz 6 ff; Scherer S 9 ff). Lässt das Gesetz die Glaubhaftmachung zu, so gilt dies auch für den Gegenbeweis des Gegners, der dann auch zu den Mitteln der Glaubhaftmachung greifen darf (Köln KTS 88, 553, 554). Gegenstand der Glaubhaftmachung sind ausschließlich Tatsachen. Dies gilt auch dann, wenn in einer Norm – wie in § 920 II – von einem ›Anspruch‹ die Rede ist, der glaubhaft zu machen ist. Die Glaubhaftmachung bezieht sich dann auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs (vgl Scherer S 49 ff).

B. Die Besonderheiten bei der Glaubhaftmachung.

I. Reduzierung des Beweismaßes.

 

Rn 2

In Abweichung vom Regelbeweismaß des Vollbeweises (§ 286 Rn 24) reicht bei der Glaubhaftmachung ein geringerer Grad an richterlicher Überzeugung aus. Glaubhaft gemacht ist eine behauptete Tatsache bereits dann, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist (BVerfGE 38, 35, 39; BGHZ 156, 139, 141 = NJW 03, 3558, 3559; BGH NJW-RR 11, 136, 137; BAG NJW 13, 1467, 1469). Erforderlich und ausreichend ist es also, wenn etwas mehr für das Vorliegen der behaupteten Tatsache spricht als gegen sie (BGH aaO). Wann dies der Fall ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern – wie etwa in den §§ 104 II, 118 II 1, 227 III – nur genügen lässt (MüKoZPO/Prütting Rz 24). Die Absenkung des Beweismaßes greift ferner auch ein bei der Führung des Indizienbeweises, indem es ausreicht, dass die Gesamtheit der Indizien lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulässt (BGH NJW 98, 1870). Die Absenkung des Beweismaßes gilt auch für den Gegenbeweis gegen die glaubhaft gemachte Tatsache des Antragstellers (Gegenglaubhaftmachung vgl Köln ZIP 88, 664, 665; Dresd FamRZ 19, 553, 554). Hat die beweisbelastete Partei dagegen statt der Glaubhaftmachung den Vollbeweis erbracht, gilt auch für den Gegenbeweis das Regelbeweismaß (HK-ZPO/Saenger Rz 3).

II. Mittel der Glaubhaftmachung.

 

Rn 3

Bei der Glaubhaftmachung kommen nicht nur die in §§ 371 ff geregelten Beweismittel des Strengbeweises in Betracht, sondern va die Versicherung an Eides statt, die von Dritten, aber auch von den Parteien selbst stammen kann (vgl Celle NJW-RR 87, 447, 448). Ausgeschlossen ist sie nur in den Fällen der §§ 44 II, 406 III und 511 III. Erforderlich ist dabei stets eine eigene Sachdarstellung der betreffenden Partei (BGH NJW 96, 1682 [BGH 20.03.1996 - VIII ZB 7/96]; Kobl MDR 05, 827, 828). Wertlos ist deshalb eine eidesstattliche Versicherung, in der eine Partei nur auf die Schriftsätze ihres Anwalts Bezug nimmt und deren Richtigkeit bestätigt (Karlsr OLGR 98, 95; großzügiger Kobl MDR 05, 827). Schenkt das Gericht einer eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben, muss es der betreffenden Partei Gelegenheit geben, Beweis durch ein Beweismittel des Strengbeweises anzutreten (BGH MDR 10, 648 – ReNo-Fachangestellte als Zeugin anstelle ihrer eidesstattlichen Versicherung; BGH MDR 20, 431, 432 [BGH 28.01.2020 - VIII ZB 39/19] Rz 18; NJW 20, 1225, 1227 [BGH 28.01.2020 - VI ZB 38/17] Rz 10 – Vernehmung des Anwalts anstelle seiner eidesstattlichen Versicherung). Der eidesstattlichen Versicherung steht die sog anwaltliche Versicherung jedenfalls dann gleich, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die der Anwalt in seiner Eigenschaft als Prozessbevollmächtigter der betreffenden Partei wahrgenommen hat (Köln MDR 86, 152). Erforderlich ist aber stets, dass der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert (BGH NJW-RR 17, 1266, 1267 = Bespr Greger, MDR 17, 1169 [BGH 05.07.2017 - XII ZB 463/16]). Schenkt das Gericht einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Glauben, muss es den die Wiedereinsetzung Begehrenden darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten. Zudem ist dann die Prüfung veranlasst, ob nicht bereits in der Vorlage der a...

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