Gesetzestext

 

Der allgemeine Gerichtsstand einer Person, die keinen Wohnsitz hat, wird durch den Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt.

A. Normgegenstand.

 

Rn 1

Auf Personen ohne Wohnsitz findet § 13 keine Anwendung (§ 13 Rn 1). § 16 schafft für diese Personen einen allg Gerichtsstand, der an den Aufenthaltsort im Inland bzw an den letzten Wohnsitz anknüpft. Es handelt sich um eine rein prozessuale Vorschrift, die va dazu dient, den tatsächlichen Aufenthalt einer Person im Unterschied zu deren Wohnsitz iSv § 7 I BGB oder Staatsangehörigkeit zu bestimmen, ohne dass hieraus der Rückschluss auf einen einheitlichen Begriff des Aufenthaltsortes auch in anderem Zusammenhang gezogen werden könnte (BGH NJW 18, 1544 [BGH 04.04.2018 - IV ZR 104/17]).

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 16 findet nur Anwendung, wenn der Bekl/Antragsgegner weder über einen inländischen noch ausl Wohnsitz verfügt (Köln NZI 01, 380, 381 [OLG Köln 23.04.2001 - 2 W 82/01]; Saarbr NJW-RR 93, 190, 191; Zö/Schultzky Rz 4; St/J/Roth Rz 1; Musielak/Heinrich Rz 2). Fraglich ist, ob der Anwendungsbereich des § 16 eröffnet ist, wenn unbekannt ist, ob der Bekl/Antragsgegner einen Wohnsitz hat (vgl St/J/Roth Rz 7 mwN). Diese Frage lässt sich befriedigend nach den allg beweisrechtlichen Grundsätzen beantworten (dazu Rn 5). Entscheidend für die Anwendung des § 16 ist der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit; spätere Änderungen sind nach § 261 III Nr 2 ZPO unerheblich (vgl § 12 Rn 10, § 13 Rn 6). § 16 enthält eine allg Gerichtsstandsregelung, so dass er lediglich von ausschl Gerichtsständen verdrängt wird (vgl § 12 Rn 8). Eine Wahlfeststellung ist möglich (vgl zur Wahlfeststellung bei Gerichtsständen § 12 Rn 15), so etwa, wenn der Bekl am Gerichtsort entweder seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz dort hatte (vgl Hamm OLGR 06, 206, 208; MüKoZPO/Patzina Rz 10; St/J/Roth Rz 10; Musielak/Heinrich Rz 4). Kinder teilen den Wohnsitz des Personensorgeberechtigten, nicht aber dessen Wohnsitzlosigkeit (§ 13 Rn 8). Deshalb ist § 16 auf sie nur anzuwenden, wenn der Inhaber der Personensorge schon bei Geburt des Kindes wohnsitzlos war und seitdem keinen Wohnsitz begründet hat. Ansonsten behält das Kind seinen letzten Wohnsitz (§ 11 S 3 BGB; MüKoZPO/Patzina Rz 4; St/J/Roth Rz 6).

C. Gerichtsstand des inländischen Aufenthaltsortes (§ 16 Alt 1).

 

Rn 3

Ist der Anwendungsbereich des § 16 eröffnet (Rn 2), ist vorrangig auf den inländischen Aufenthaltsort des Prozessgegners abzustellen. Zur Begründung eines Aufenthaltsorts reicht eine nur vorübergehende kurzfristige Anwesenheit aus; eine Durchreise kann genügen (BGH WM 08, 1853 f; Zö/Schultzky Rz 7; St/J/Roth Rz 4). Es muss nur so viel Zeit verbleiben, dass die Klage/Antragsschrift an diesem Ort zugestellt werden kann (vgl Zö/Schultzky Rz 7; MüKoZPO/Patzina Rz 6; St/J/Roth Rz 4; Musielak/Heinrich Rz 3). Unerheblich ist, ob es sich um einen freiwilligen Aufenthalt handelt (BGH WM 08, 1853 f [BGH 17.07.2008 - I ZB 80/07]; Zö/Schultzky Rz 7; MüKoZPO/Patzina Rz 6; Musielak/Heinrich Rz 3); weshalb auch ein Krankenhausaufenthalt (BGH NJW-RR 88, 387) oder ein Aufenthalt in einer JVA (BayObLG VersR 85, 741 f [BGH 23.04.1985 - VI ZR 207/83]; München NZI 16, 698 [OLG München 01.07.2016 - 34 AR 77/16]) ausreicht. Zur Abgrenzung vom Wohnsitzbegriff vgl § 13 Rn 4; zum Gerichtsstand beim Aufenthalt von längerer Dauer s § 20; zum gewöhnlichen Aufenthalt s § 29c Rn 3.

D. Gerichtsstand des letzten Wohnsitzes (§ 16 Alt 2).

 

Rn 4

Auf den letzten Wohnsitz des Prozessgegners kann abgestellt werden, wenn der Prozessgegner wohnsitzlos (Rn 2) und ein Aufenthaltsort in Deutschland nicht bekannt ist. Ein bekannter ausl Aufenthaltsort ist unschädlich (Zö/Schultzky Rz 5; MüKoZPO/Patzina Rz 8; St/J/Roth Rz 5). Nach § 16 entscheidet stets der letzte Wohnsitz. Nur wenn dieser letzte (aufgegebene) Wohnsitz im Gerichtsbezirk lag, ist die örtliche Zuständigkeit nach § 16 begründet (vgl Zö/Schultzky Rz 5; ThoPu/Hüßtege Rz 2; St/J/Roth Rz 5, 8). Lag der letzte Wohnsitz dagegen im Ausland, kann auch nicht auf einen früheren inländischen Wohnsitz zurückgegriffen werden (MüKoZPO/Patzina Rz 8; Musielak/Heinrich Rz 3; St/J/Roth Rz 5, 8).

E. Darlegungs- und Beweislast.

 

Rn 5

Die Frage, ob § 16 anwendbar ist, wenn der Wohnsitz des Bekl/Antragsgegners unbekannt ist (vgl Rn 2), ist nach den allg Grundsätzen über die Darlegungs- und Beweislast zu beantworten. Nach diesen Grundsätzen hat der Kl/Ast die Wohnsitzlosigkeit des Bekl/Antragsgegners darzulegen und zu beweisen (St/J/Roth Rz 7; B/L/H/A/G/Bünnigmann Rz 5). Allerdings ist der Schwierigkeit Rechnung zu tragen, dass den Kl/Ast die Beweislast für das Fehlen eines Wohnsitzes, also für eine negative Tatsache, trifft (vgl dazu allg § 286 Rn 69; Zö/Greger vor § 284 Rz 24). Deshalb ist der Beweis schon erbracht, wenn ein Wohnsitz trotz zweckentsprechender Nachforschungen nicht bekannt ist (vgl BGH NJW-RR 92, 578; Zö/Schultzky Rz 4; MüKoZPO/Patzina Rz 5). Bei nachgewiesener Aufgabe eines früheren Wohnsitzes genügt, dass die Begründung eines neuen Wohnsitzes nicht feststellbar ist (Hamm OLGR 06, 206, 208; Zweibr NJW-RR 00, 929 [OLG Zweibrücken 22.06...

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