Gesetzestext

 

(1) Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen.

(2) Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen.

(3) 1Eine Bezugnahme auf Dokumente ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält. 2Die Vorlesung von Dokumenten findet nur insoweit statt, als es auf ihren wörtlichen Inhalt ankommt.

(4) In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf Antrag das Wort zu gestatten.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift hat eine doppelte Zweckrichtung. Nach Abs 2 und Abs 4 soll einerseits die vollständige Erörterung des Rechtsstreits sichergestellt werden. Insoweit ergänzen diese Regelungen die Vorgaben aus § 136 III. Abs 1–3 regeln weiterhin Einzelheiten des Ablaufs der mündlichen Verhandlung. Sie werden durch die §§ 278, 279 für den Haupttermin ergänzt und konkretisiert. Abs 1–3 gelten sowohl im Anwalts- wie im Parteiprozess. Abs 4 hingegen gilt nur für den Anwaltsprozess.

B. Einleitung der mündlichen Verhandlung (Abs 1).

I. Antragsstellung.

 

Rn 2

Die mündliche Verhandlung wird eingeleitet durch das Stellen der Anträge. Dies kann durch Verlesen der Anträge aus dem Schriftsatz (§ 297 I), aufgrund der Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze oder, die Gestattung des Vorsitzenden vorausgesetzt, durch Erklärung zu Protokoll nach § 297 I 3 erfolgen. Die bloße Antragstellung leitet die Verhandlung ein, ohne jedoch selbst Verhandlung zur Sache zu sein, vgl §§ 39, 282 III 1, 333, 345. Wegen des Grundsatzes der Einheit der mündlichen Verhandlung besteht der einmal gestellte Antrag – auch nach einem Richterwechsel – fort (Zö/Greger § 137 Rz 3; Jena OLGR 04, 170; aA BAG NJW 71, 1332 [BAG 16.12.1970 - 4 AZR 98/70]). Nach § 297 II ist stets von einer stillschweigenden Bezugnahme auf die zu einem früheren Zeitpunkt gestellten Anträge auszugehen, solange sich aus dem Verhalten der Partei nicht der gegenteilige Wille ergibt. Dem Stellen der Anträge kann nach § 139 IV 1 auch die Hinweispflicht vorausgehen; das Gericht kann insoweit nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden (BGHZ 109, 41). Im Falle des Unterbleibens einer Antragstellung ist ein dennoch ergangenes Urt wegen Verstoßes gegen die §§ 137 I, 308 I aufzuheben (Kobl MDR 02, 415).

II. Form.

 

Rn 3

Die Form der Antragstellung richtet sich nach § 297. In der Praxis diktiert der Vorsitzende unter ausdrücklicher oder konkludenter Zustimmung der jeweiligen Partei den gestellten Antrag unter Bezugnahme auf den entsprechenden Schriftsatz nebst Datum und der Angabe der Blattzahl der Gerichtsakte.

C. Vortrag der Parteien (Abs 2, Abs 3).

I. Mündlichkeitsgrundsatz.

 

Rn 4

Abs 2 ist Ausfluss des Mündlichkeitsgrundsatzes, wonach die Parteien ihre Vorträge in freier Rede zu halten haben. Das bloße Ablesen der Schriftsätze kann demgemäß durch den Vorsitzenden nach § 136 II 1 unterbunden werden, wobei jedoch der Anspruch auf rechtliches Gehör einer uU weniger sprachgewandten Partei entsprechend zu berücksichtigen ist (MüKoZPO/Wagner § 137 Rz 6). Jedenfalls im Hinblick auf das Vorbringen der Naturalpartei ist das Verwenden von Aufzeichnungen nicht als Verstoß gegen die Vorgabe aus Abs 2 zu werten.

II. Bezugnahme.

 

Rn 5

Die Bezugnahme auf Schriftsätze und Dokumente ist stets insoweit zulässig, als die andere Partei dem nicht widerspricht und das Gericht diese für angemessen hält (Abs 3 S 1). Die Bezugnahme steht dem mündlichen Vortrag gleich (MüKoZPO/Wagner § 137 Rz 7 mwN). Sofern keine der Parteien ihre jeweilige Bezugnahme eingrenzt, wird der gesamte Akteninhalt zum Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung (BGH MDR 81, 1012). Die vorbehaltlose Antragstellung ist Ausdruck der konkludenten Bezugnahme auf den Sachvortrag aus den vorbereitenden Schriftsätzen. Eine pauschale Bezugnahme ersetzt indes nicht den substantiierten Parteivortrag. Dem Gericht darf es nicht überlassen werden, aus umfangreichen Schriftstücken nach seinem Ermessen diejenigen Tatsachen auszuwählen, die geeignet sein könnten, die Klage zu begründen (BGH NJW 56, 1878). Beigezogene Akten werden auch bei einer pauschalen Bezugnahme nur in dem Umfang Prozessstoff, als sie einen von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt betreffen (BGH NJW 94, 3295 [BGH 09.06.1994 - IX ZR 125/93]). In Bezug genommene Unterlagen, die weder Gegenstand noch Anlage eines Schriftstücks gewesen sind, können auch nicht nach Abs 3 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden (BGH NJW 95, 1841). Wurde ein Schriftsatz erst kurz vor dem Termin eingereicht, weswegen die Kenntnisnahme durch die andere Partei fraglich erscheint, ist ein entsprechender mündlicher Vortrag erforderlich (aA Deubner JuS 98, 1132).

D. Recht zur persönlichen Anhörung (Abs 4).

I. Vortragsrecht der Partei auf Antrag.

 

Rn 6

Das Recht zur persönlichen Anhörung als Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einem Anwaltsprozess haben sowohl die im Termin anwesende Partei, ihr gesetzlicher Vertreter als auch der Streithelfer (iE vgl Stackmann NJW 12, 1249, 1251). Das Recht auf persönliche Anhörung besteht, anders als das Fragerecht nach § 397 I, II, indes nur ›neben dem Anwalt‹. Voraussetzung ist danach dessen Anwesenheit im Prozess (BVerwG ...

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