Gesetzestext

 

Eine Schiedsvereinbarung schließt nicht aus, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm kennzeichnet eine Nahtstelle zwischen dem staatlichen Verfahren und dem Schiedsverfahren. Sie klärt die berühmte Streitfrage des früheren Rechts, ob und inwieweit ein staatliches Gericht einstweiligen Rechtsschutz gewähren konnte (umfassend zum früheren Recht Jeong-Ha). Heute wird durch die Norm klargestellt, dass das staatliche Gericht die Kompetenz zu Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat. Diese Klarstellung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass § 1041 auch dem Schiedsgericht die Kompetenz einräumt, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Letztlich steht hinter der Norm also der Gedanke der Gewährung von effektivem Rechtsschutz, um in Eilfällen vorläufige oder sichernde Maßnahmen erreichen zu können. Zum Verhältnis staatlicher Gerichte und Eilschiedsrichter vgl Kröll ZBB/JBB 16, 271.

B. Vorläufige oder sichernde Maßnahmen.

 

Rn 2

Mit dem gesetzlichen Wortlaut der vorläufigen oder sichernden Maßnahmen will das Gesetz all diejenigen Maßnahmen in Bezug nehmen, die den Charakter einer bloßen vorläufigen Sicherungswirkung haben. Dazu zählen in erster Linie der Arrest (§§ 916 ff) und die einstweilige Verfügung (§§ 935 ff). Darüber hinaus kommt auch das selbstständige Beweisverfahren in Betracht (§§ 485 ff). Soweit Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sog Familienstreitsachen iSv § 112 FamFG sind (Unterhaltssachen, Güterrechtssachen, sonstige Familiensachen nach § 266 I FamFG), kommen auch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem FamFG in Betracht (§ 119, 246 ff FamFG). Nicht unter § 1033 fällt eine Klage auf Sicherheitsleistung gem § 648a BGB aF = § 650 BGB nF (BGH SchiedsVZ 20, 50 = MDR 20, 187 [BGH 19.09.2019 - I ZB 4/19]).

C. Voraussetzungen.

 

Rn 3

Die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 919, 937, 486). Funktionell ist danach sowohl das Gericht der Hauptsache als auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Gegenstand oder die Person befinden. Sachliche und örtliche Zuständigkeit bestimmen sich nach allgemeinen Regeln, wobei als Ort der Hauptsache derjenige Ort anzusehen ist, der als Schiedsort vereinbart ist. Weiterhin ist ein ordnungsgemäßer Antrag beim zuständigen staatlichen Gericht erforderlich. Dagegen ist der Stand des parallelen Schiedsverfahrens ohne Bedeutung.

D. Verfahren.

 

Rn 4

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes richtet sich nach den allgemeinen Normen der §§ 916 ff. Soweit das staatliche Gericht vor der Einleitung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes erlässt und sodann Klageerhebung nach § 926 I anordnet, ist diese Klage regelmäßig vor dem Schiedsgericht zu erheben (Schwab/Walter Kap 7 Rz 13).

Soweit die Parteien konkurrierende Anträge vor dem staatlichen Gericht nach § 1033 und dem Schiedsgericht nach § 1041 beantragen, besteht die Gefahr von sich widersprechenden Entscheidungen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, diese Gefahr sei dadurch zu vermeiden, dass das staatliche Gericht vor dem Erlass einer Maßnahme eine strenge Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses vornimmt (vgl Musielak/Voit § 1033 Rz 5). Dem ist entgegenzuhalten, dass schiedsrichterliche Anordnungen einer Vollziehbarerklärung bedürfen und ein solcher Antrag nur zulässig ist, wenn nicht bereits ein Antrag auf einstweilige Maßnahmen beim staatlichen Gericht gestellt wurde.

E. Auslandsbezug.

 

Rn 5

Im europäischen Rechtsraum stellt sich die schwierige Frage, ob Anordnungen, durch die ein Gericht eines europäischen Staates das Führen eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedsstaat mit der Begründung verbietet, es verstoße gegen eine Schiedsvereinbarung (sog anti-suit-injunction) mit der EuGVO (bzw dem Lugano-ÜE) vereinbar sind. Dies ist va deshalb zweifelhaft, weil Art 1 II d EuGVO die Schiedsgerichtsbarkeit aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EuGVO generell ausschließt. Dennoch hat der EuGH mit Urt v 10.2.09 nunmehr entschieden, dass solche Anordnungen mit der VO unvereinbar sind (EuGH NJW 09, 1655 = IPRax 09, 336; dazu Illmer IPRax 09, 312; Lehmann NJW 09, 1645).

Nach Auffassung des BGH werden einstweilige Maßnahmen, die nicht der Durchführung des Schiedsverfahrens oder der Vollstreckung des Schiedsspruchs dienen, vom Ausschluss des Art 1 II d EuGVO nicht erfasst (BGH MDR 09, 645).

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