Gesetzestext

 

(1) Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.

(2) Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

(3) Ist ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 oder 2 anhängig, kann ein schiedsrichterliches Verfahren gleichwohl eingeleitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen.

A. Systematik und Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm enthält die zentrale Wirkung einer Schiedsvereinbarung. Sie gibt dem Beklagten vor einem staatlichen Gericht die Möglichkeit, durch Einrede die Schiedsvereinbarung zur Geltung zu bringen und das staatliche Verfahren durch Klageabweisung als unzulässig zu beenden. Damit sichert die Norm die Ausschließlichkeitswirkung des Schiedsverfahrens ggü dem staatlichen Verfahren. Zugleich wird durch diese Norm die Einrede der Schiedsvereinbarung als eine Rüge zur Zulässigkeit der Klage in das System der allgemeinen Prozessvoraussetzungen eingereiht (s Einl Rn 7, 11). Im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen lassen sich die echten Prozessvoraussetzungen und die Sachurteilsvoraussetzungen von den verzichtbaren Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, abtrennen (vgl § 282 III). Die Einrede des Schiedsvertrags ist der wohl wichtigste Fall einer solchen verzichtbaren Rüge. Im Hinblick auf die Parteiautonomie als Basis für die Vereinbarung einer Schiedsabrede wird diese zwar nicht vAw berücksichtigt. Die Einrede durch die Partei führt aber selbst dann zur Unzulässigkeit der Klage vor dem staatlichen Gericht, wenn ein Schiedsverfahren nicht oder noch nicht in Gang gebracht ist.

Zusammen mit § 1055 (Wirkung des Schiedsspruchs als rechtskräftiges Urt) stellt § 1032 die Hauptwirkung einer Schiedsvereinbarung dar und führt somit zur Einordnung dieser Vereinbarung als Prozessvertrag (s § 1029 Rn 7).

B. Die Einrede des Schiedsvertrags (Abs 1).

I. Die Erhebung der Rüge.

 

Rn 2

Der Bekl muss sich im Verfahren vor dem staatlichen Gericht auf das Bestehen einer Schiedsvereinbarung bzgl des rechtshängigen Streitgegenstands berufen. Es gibt also weder eine Beachtung der Schiedsvereinbarung vAw durch das staatliche Gericht noch eine der staatlichen Rechtshängigkeit ähnliche ›Schiedshängigkeit‹, sofern bereits Klage vor einem Schiedsgericht erhoben worden war (BGHZ 41, 107; BGH NJW 58, 950). Die Erhebung der Einrede bedarf keiner besonderen Form (BGH NJW-RR 09, 790). Es müssen die für Prozesshandlungen üblichen Voraussetzungen vor dem staatlichen Gericht gewahrt sein. Vor dem LG und höheren Gerichten bedeutet dies Anwaltszwang. Im Übrigen müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Die Erhebung der Einrede setzt keine zwingende Formulierung voraus. Der Bekl muss allerdings seinen Willen eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er das Verfahren nicht vor dem angerufenen staatlichen Gericht, sondern vor dem vereinbarten Schiedsgericht entschieden haben will (BGH NJW-RR 09, 790 [BGH 13.01.2009 - XI ZR 66/08]). Gegenüber der Einrede der Schiedsvereinbarung ist im Einzelfall durch den Kl der Arglisteinwand bzw der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) möglich. Diesen Fall wird man insb annehmen können, wenn der Bekl bereits vor Erhebung der Einrede der Schiedsvereinbarung in einem vorprozessualen Schriftsatz oder in einem bereits laufenden schiedsrichterlichen Verfahren die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts behauptet hatte (vgl zum umgekehrten Fall BGH MDR 09, 883). Dagegen stellt es keinen Missbrauch der Berufung auf die Schiedsvereinbarung dar, wenn der Bekl in materiell-rechtlicher Hinsicht die Forderungen des Klägers nicht bestreitet (Ddorf MDR 77, 767 [BGH 02.11.1976 - 1 StR 590/76]; aA St/J/Schlosser § 1032 Rz 8; ausf Illmer) oder wenn der Bekl zunächst einem selbstständigen Beweisverfahren zustimmt, dann im Hauptsacheverfahren aber die Einrede erhebt (Brandbg MDR 11, 941; zu Einzelheiten vgl Longree/Wedel MDR 16, 1362). Auch eine Schiedsklausel in einem Sozietätsvertrag ermöglicht die Einrede, selbst wenn der vorgesehene Abschluss eines gesonderten Schiedsvertrags unterblieben ist (KG NJW 11, 2978 [KG Berlin 28.04.2011 - 23 U 33/11]).

II. Der Zeitpunkt.

 

Rn 3

Das Gesetz verlangt die Erhebung der Einrede vor dem staatlichen Gericht, die der Beklagte vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache vorbringen muss. Nicht verlangt wird vom Gesetz also die Erhebung der Einrede bereits im Schriftsatz der Klageerwiderung. Dies gilt auch dann nicht, wenn dem Beklagten eine richterliche Frist gesetzt worden war. Die Norm ist ähnl wie die rügelose Einlassung iRd Zuständigkeit gem § 39 gefasst. Bei einem Streit über die Einrede kann das staatliche Gericht eine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 anordnen.

Ist der Kl in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen und b...

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