Gesetzestext

 

(1) Beteiligte des Musterverfahrens sind:

1. der Musterkläger,
2. die Musterbeklagten,
3. die Beigeladenen.

(2) Das Oberlandesgericht bestimmt nach billigem Ermessen durch Beschluss den Musterkläger aus den Klägern, deren Verfahren nach § 8 Absatz 1 ausgesetzt wurden. Zu berücksichtigen sind:

1. die Eignung des Klägers, das Musterverfahren unter Berücksichtigung der Interessen der Beigeladenen angemessen zu führen,
2. eine Einigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger und
3. die Höhe des Anspruchs, soweit er von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen ist.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

(3) Die Kläger, die nicht als Musterkläger ausgewählt werden, sind Beigeladene des Musterverfahrens.

(4) Das Oberlandesgericht kann den Musterkläger auf Antrag eines Beigeladenen abberufen und einen neuen Musterkläger nach Maßgabe des Absatzes 2 bestimmen, wenn der Musterkläger das Musterverfahren nicht angemessen führt.

(5) Musterbeklagte sind alle Beklagten der ausgesetzten Verfahren.

A. Zweck.

 

Rn 1

Mit der Bestimmung des Musterklägers und der Musterbeklagten werden die Parteien des Musterverfahrens definiert und dieses so einem regulären Prozess angenähert; die Rechte der anderen Verfahrensbeteiligten werden durch ihre Beiladung (s § 14 KapMuG) gewahrt. Die Anmelder (§ 10 II KapMuG) sind in Abs 1 nicht aufgeführt und sind daher auch keine Beteiligte des Musterverfahrens; sie nehmen an dessen Wirkungen nicht teil. In massenhaften Schadensfällen, für die das KapMuG konzipiert ist, schafft das Gesetz somit vier verschiedene Gruppen von Anspruchstellern: An der Spitze steht der Musterkläger, der das Verfahren führt (und ggf durch an ihn erfolgte Abtretungen de facto eine Gruppe repräsentiert), dahinter kommen die Beigeladenen mit ihren Verfahrensrechten gem § 14 KapMuG und ihrer Partizipation an den Ergebnissen des Musterverfahrens (§§ 22 ff KapMuG). An dritter Stelle sind die Anmelder zu nennen, die zunächst nur von der Verjährungshemmung gem § 204 I Nr 6a BGB profitieren. Viertens gibt es idR noch Anspruchsteller, die weder Klage erhoben noch von der Möglichkeit der Anmeldung Gebrauch gemacht haben; für diese Gruppe entfaltet das KapMuG gar keine rechtliche Wirkung. Diese Komplexität des KapMuG führt insbes in Massenverfahren zu Verzögerungen (vgl zum Telekom-Prozess aus Sicht der Kläger Tilp FS Achim Krämer 331). Auch die Strukturierung eines Vergleichs mit umfassender befriedender Wirkung wird dadurch nicht erleichtert (s § 17 KapMuG Rn 7).

B. Musterkläger.

I. Auswahl.

 

Rn 2

Es ist ein Musterkläger aus dem in Abs 2 S 1 genannten Kreis sämtlicher Kläger auszuwählen. Die Auswahlkriterien nennt Abs 2 S 2; die Auflistung ist aber nicht abschließend, dh das ›billige Ermessen‹ des Gerichts kann auch weitere Kriterien umfassen. Der Sache nach ist aber Abs 2 S 2 Nr 1 (Eignung des Klägers) das entscheidende Kriterium, da es den übergeordneten Zweck der Vorschrift beinhaltet, nämlich das Musterverfahren kompetent und interessengerecht durchzuführen. Nr 2 und Nr 3 sind eher als Indizien für eine solche Eignung zu lesen (vgl Wolf/Lange NJW 12, 3751, 3753, vgl zum KapMuG aF KG 11.2.09 – 24 Kap 15/07).

 

Rn 3

Berücksichtigt man die bewusste Anlehnung des Gesetzgebers an das amerikanische Recht (KK-KapMuG/Reuschle Rz 56), so ergibt sich die folgende Prüfungsreihenfolge: Zunächst ist zu ermitteln, welcher Kläger den höchsten Anspruch (Abs 2 S 2 Nr 3) vertritt, ggf auch als Zessionar. Für diesen Kläger wird vermutet, dass er der geeignetste Musterkläger ist (BTDrs 15/5091, 25; KK-KapMuG/Reuschle Rz 56). Diese Vermutung kann mit Rücksicht auf die Kriterien des Abs 2 S 2 Nr 2 oder Nr 1 widerlegt werden. Bei Nr 2 kommt der Vorschlag einer Klägergruppe in Betracht, die den höchsten Gesamtbetrag auf sich vereint (aA nach Köpfen: Wieczorek/Schütze/Kruis Rz 17). Zu Nr 1 nennt die Regierungsbegründung ua auch die Auswahl eines besonders geeigneten Prozessbevollmächtigten (BTDrs 17/8799, 21), wobei aber hier eher nur negative Indizien ins Gewicht fallen dürften (ausführlich zur Auswahl des Musterklägers Halfmeier ZIP 16, 1705).

 

Rn 4

Nach dem Wortlaut des Gesetzes könnte ein Kl auch ohne seine Zustimmung zum Musterkläger bestimmt werden; das ist aber aufgrund der gewünschten verfahrensfördernden Rolle des Musterklägers idR nicht sinnvoll (Vorwerk/Wolf/Lange § 8 KapMuG aF Rz 32; vgl KG 11.2.09 – 24 Kap 15/07).

II. Rechte und Pflichten.

 

Rn 5

Die Erwartung an den Musterkläger, dass er das Verfahren sachdienlich durchführt, ist rein faktischer Natur und enthält keine rechtliche Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die anderen Kläger (Bergmeister 214). Der Musterkläger ist also weder Vertreter noch treuhänderischer Sachwalter für alle anderen Kl, sondern er bildet mit ihnen nur eine Zufallsgemeinschaft im Massenverfahren (KK-KapMuG/Reuschle § 8 KapMuG aF Rz 54 f; BTDrs 15/5091, 49). Etwas anderes mag sich allenfalls aus internen Abreden zwischen den Klägern ergeben, aber nicht aus dem KapMuG. Dieses geht vielmehr in § 14 KapMuG davon aus, dass es Sache der Beigeladenen selbst ist, ihre Interessen durch entspre...

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