Gesetzestext

 

(1) Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt. Die Sache hat stets grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Absatz 2 Nummer 1 der Zivilprozessordnung. Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Prozessgericht nach § 6 Absatz 1 und 2 zu Unrecht einen Musterentscheid eingeholt hat. Beschwerdeberechtigt sind alle Beteiligten.

(2) Das Rechtsbeschwerdegericht benachrichtigt die übrigen Beteiligten des Musterverfahrens und die Anmelder über den Eingang einer Rechtsbeschwerde, wenn diese an sich statthaft ist und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt wurde. Die Benachrichtigung ist zuzustellen. Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden; § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die übrigen Beteiligten können binnen einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung der Benachrichtigung nach Absatz 2 dem Rechtsbeschwerdeverfahren beitreten. Der Beitrittschriftsatz ist innerhalb eines Monats ab Zustellung der Benachrichtigung nach Absatz 2 zu begründen; § 551 Absatz 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(4) Lehnt ein Beteiligter den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht innerhalb der in Absatz 3 genannten Frist, so wird das Musterverfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt. Auf die Rechtsstellung der Beteiligten, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind, ist § 14 entsprechend anzuwenden.

(5) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde wird den Beteiligten und den Anmeldern zugestellt. Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

A. Zweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist gegen jeden Musterentscheid statthaft, weil sie ausdrücklich im Gesetz zugelassen ist (§ 574 I 1 Nr 1 ZPO iVm § 20 I 1 KapMuG) und das Merkmal der grundsätzlichen Bedeutung (§ 574 II Nr 1 ZPO) kraft gesetzlicher Anordnung (§ 20 I 2 KapMuG) erfüllt ist. Die generelle Zulassung der Rechtsbeschwerde dient der umfassenden Richtigkeitskontrolle des Musterentscheids (vgl BTDrs 15/5091, 29) und wurde trotz intensiver Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zum KapMuG 2012 letztlich beibehalten (vgl BTDrs 17/10160, 8 unter Verweis auf die Breitenwirkung und wirtschaftliche Relevanz eines KapMuG-Musterentscheids). In der Praxis hat dies den Vorteil, dass die im Musterverfahren verhandelten Rechtsfragen, die oft eine Vielzahl von Kapitalanlegern betreffen, vergleichsweise zügig einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden können. Die Vorschrift gilt aber nur für den Musterentscheid selbst (auch wenn er die Unzulässigkeit des Musterverfahrens ausspricht, KG 18.5.09 Az 24 Kap 4/08), nicht dagegen für sonstige Beschlüsse während des Musterverfahrens wie etwa die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (BGH ZIP 09, 341; vgl zur Abgrenzung von anderen Rechtsbehelfen KK-KapMuG/Rimmelspacher Rz 5 ff).

B. Beschwerdebefugnis und Verfahren.

 

Rn 2

Alle Beteiligten des Musterverfahrens, also auch die Beigeladenen, können Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid einlegen. Für das Verfahren gelten §§ 574 ff ZPO mit den in §§ 20, 21 KapMuG genannten besonderen Regeln. Für Musterkläger und Musterbeklagte läuft die Beschwerdefrist von einem Monat (§ 575 I ZPO) ab Zustellung bzw öffentlicher Bekanntmachung des Musterentscheids (§ 16 I KapMuG). Für die Beigeladenen läuft dieselbe Frist (BTDrs 15/5091, 29). Bei Veröffentlichung des Musterentscheids im Klageregister wird am Tag der Veröffentlichung die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt.

 

Rn 3

Wird Rechtsbeschwerde eingelegt, so können alle anderen Beteiligten dieser beitreten und werden darüber gem § 20 II KapMuG durch Zustellung einer entsprechenden Mitteilung oder entsprechende Veröffentlichung im Klageregister informiert. Eine Begründung der Rechtsbeschwerde wird für die Information gem Abs 2 nicht vorausgesetzt (BGH ZIP 12, 2177). Diejenigen Beigeladenen, die der Rechtsbeschwerde beitreten, haben dieselbe Stellung wie die Beigeladenen im Musterverfahren (§ 20 IV 2 iVm § 14 KapMuG). Wer der Rechtsbeschwerde nicht beitritt, hat auf das Verfahren vor dem BGH keinen Einfluss, erlangt aber ggf im Falle der Aufhebung des Musterentscheids und Zurückverweisung der Sache an das OLG wieder seine ursprüngliche Stellung als Beigeladener (KK-KapMuG/Rimmelspacher Rz 75).

 

Rn 4

Sowohl die Rechtsbeschwerde als auch der Beitritt zum Rechtsbeschwerdeverfahren können wegen § 78 I 3 ZPO nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erklärt werden.

C. Prüfung und Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

 

Rn 5

Der BGH prüft nur die Verletzung von Rechtsnormen (§ 576 ZPO), dh nicht die tatsächlichen Feststellungen des OLG. Insoweit gelten die Grundsätze des allgemeinen Revisionsrechts (BGH NZG 14, 1384, 1387 [BGH 29.07.2014 - II ZB 30/12]). Ebenso wie das OLG (s oben § 6 Rn 9) kann auch der BGH entscheiden, dass bestimmte Ansprüche nicht Gegenstand von Musterverfahren und Musterentscheid sein können; Abs 1 S 3 verbietet dies nicht (BGH ZIP 19, 25 Rz 70). Wegen § 577 VI 2 u 3 ZPO muss der Beschl, mit dem über die Rechtsbeschwerde entschieden wird, nicht in j...

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