Gesetzestext

 

(1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken.

(2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn einzutreten haben.

(3) Diese Vorschriften sind auch auf Schöffen anzuwenden.

 

Rn 1

Zur vorschriftsmäßigen Besetzung der Gerichte gehört, dass an jeder Entscheidung nur die gesetzlich bestimmten Richter mitwirken dürfen. Wegen der Einheit der Hauptverhandlung kann dies in Strafsachen bei länger andauernden Verfahren zu schwerwiegenden Problemen führen, denen mit der Hinzuziehung von Ergänzungsrichtern, die von Anfang an an der Hauptverhandlung teilnehmen und ausgefallene Richter ersetzen, entgegengewirkt wird. Die Entscheidung, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, trifft der Vorsitzende, wobei ihm ein Ermessensspielraum zusteht (BGH 5.9.18 – 2 StR 421/17, NStZ 19, 359). In Zivilsachen stellt sich das Problem nicht in gleicher Form, weil der Spruchkörper in seiner jeweiligen Besetzung entscheidet und, falls ein Richterwechsel eintritt, die mündliche Verhandlung gem § 156 II S 3 ZPO wiedereröffnet werden kann.

 

Rn 2

Der gesetzliche Richter ergibt sich aus den §§ 75, 105, 122 GVG und aus der Geschäftsverteilung gem den §§ 21e, 21g GVG, auch hinsichtlich des Wechsels des Vorsitzenden im Laufe der Hauptverhandlung (BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08]). Ein Verhinderungsfall liegt nicht vor, wenn einem Richter ein anderes Richteramt übertragen und er nach § 37 DRiG rückabgeordnet wird (BGH St 53, 99 = NJW 09, 3819). Nach dem Urteil des BGH v 7.11.16 (2 StR 9/15, NJW 17, 745) soll das Beschäftigungsverbot während der nachgeburtlichen Mutterschutzfrist auch für die Mitwirkung einer Richterin in der Hauptverhandlung gelten. Über eine Tatbestandsberichtigung entscheiden gem § 320 IV 2 und 3 ZPO nur die Richter, die an dem Urt mitgewirkt haben.

 

Rn 3

Die Richter, die das Urt gefällt haben, müssen nicht notwendigerweise mit den Richtern identisch sein, die es verkündet haben (BFH BeckRS 03, 25001627). Wenn das Urt nach Beratung und Abstimmung bereits beschlossen und damit iSd § 309 ZPO gefällt wurde, aber noch nicht verkündet worden ist, ist das Gericht noch nicht daran gebunden. Die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem § 156 ZPO aufgrund eines erst nach abschließender Beratung vorgelegten Antrags wird analog § 320 IV 2 und 3 ZPO in der Besetzung der verbliebenen Richter eines Kollegialgerichts, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen habe, getroffen (BGH NJW 02, 1426 [BGH 01.02.2002 - V ZR 357/00]).

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