Gesetzestext

 

(1) 1Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. 2Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. 3Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.

(2) Das Gericht kann eine schriftliche Verständigung verlangen oder die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine ausreichende Verständigung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1. den Umfang des Anspruchs auf Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2,
2. die Grundsätze einer angemessenen Vergütung für den Einsatz von Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2,
3. die geeigneten Kommunikationshilfen, mit Hilfe derer die in den Absätzen 1 und 2 genannte Verständigung zu gewährleisten ist, und
4. ob und wie die Person mit Hör- oder Sprachbehinderung mitzuwirken hat.
 

Rn 1

Die Vorschrift gilt nur für den Teil der wechselseitigen Kommunikation, der durch die konkrete Behinderung beeinträchtigt wird (Kissel/Mayer § 186 Rz 4). Eine vorübergehende Beeinträchtigung reicht aus. Das Gericht hat als Tatfrage festzustellen, ob eine Hör- oder Sprachbehinderung besteht, deren Schwere eine besondere Form der Verständigung erfordert. Diese Verständigung widerspricht nicht dem Mündlichkeitsprinzip.

 

Rn 2

Der hör- oder sprachbehinderten Person steht nach Abs 1 ein Wahlrecht zu ob sie sich zum Ausgleich ihrer Behinderung mündlich, schriftlich oder mit Hilfe eine Vermittlungsperson verständigen möchte. Das Gericht hat die geeigneten Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.

 

Rn 3

An die Wahl der behinderten Person hinsichtlich des Verständigungsmittels ist das Gericht nicht gebunden, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 vorliegen. Zulässig sind die schriftliche Verständigung und Hinzuziehung eines Dolmetschers. Darüber hinaus sind auch nonverbale Kommunikationsfähigkeiten zu nutzen (BGH 27.6.18 – XII ZB 601/17). Auch Mischformen zwischen schriftlicher und anderer Kommunikation kommen in Betracht, zB, dass die sprachbehinderte Person zusammenhängende Erklärungen schriftlich abgibt und geeignete Fragen mit Kopfnicken oder Kopfschütteln beantwortet (BGHSt 13, 366 = NJW 60, 584). Ein Anspruch der behinderten Person auf Gestaltung einer mündlichen Verhandlung nach seinen Vorstellungen besteht nicht (BVerfG 27.11.18 – 1 BvR 957/18, NJW 19, 291).

Maßnahmen des Gerichts nach Abs 2 sind prozessleitender Natur und obliegen dem Vorsitzenden.

 

Rn 4

Die Verständigung kann auch durch Heranziehung einer dem oder der Behinderten vertrauten Person vorgenommen werden. Unter dem Gesichtspunkt der Sachaufklärungspflicht muss das Gericht sogar eine derartige Maßnahme ergreifen. Eine solche Person ist kein Zeuge, weil sie lediglich aus Gründen der Sachaufklärung bei der Vernehmung eines Zeugen mitwirkt. In ihrer Funktion, Fragen und Antworten zu vermitteln, ist ihre Stellung derjenigen eines Dolmetschers ähnl. Es kann geboten sein, diese Person entsprechend dem Dolmetschereid zu verpflichten, um eine Garantie für die Zuverlässigkeit der Übertragung oder Auskunft zu gewinnen (BGH NJW 97, 2335).

 

Rn 5

Eine im Zivilprozess unterlegene taube und stumme Partei hat auch die Kosten zu tragen, die durch die notwendige Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers. entstanden sind. Die Überbürdung dieser Kosten ist nicht wegen Art 3 III GG, der (auch) die Diskriminierung wegen einer körperlichen Behinderung verbietet, unzulässig. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers stellt nämlich gerade keine Diskriminierung der behinderten Partei dar, sondern ermöglicht erst ihre Anhörung im Prozess, die das Gericht für erforderlich gehalten hat (LG Hamburg Beschl v 26.7.99 – 317 S 203/96).

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