Gesetzestext

 

Die Rechtskraft eines Beschlusses tritt nicht ein, bevor die Frist für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs, des Widerspruchs oder der Erinnerung abgelaufen ist. Der Eintritt der Rechtskraft wird dadurch gehemmt, dass das Rechtsmittel, der Einspruch, der Widerspruch oder die Erinnerung rechtzeitig eingelegt wird.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm stellt klar, dass ein Beschluss in der fG der formellen Rechtskraft fähig ist. Dies entspricht inhaltlich dem § 705 ZPO. Die Norm ist in allen Verfahren der fG anwendbar. Für Ehe- und Familienstreitverfahren gilt § 705 ZPO unmittelbar.

B. Terminologie.

 

Rn 2

Der Begriff der formellen Rechtskraft bedeutet Unanfechtbarkeit der Entscheidung durch Rechtsmittel oder durch die im Gesetz genannten Rechtsbehelfe im laufenden Verfahren. Demgegenüber meint die materielle Rechtskraft die inhaltliche Verbindlichkeit einer Entscheidung für die Beteiligten. Eine formell rechtskräftige Entscheidung schließt also die Fortsetzung des Verfahrens aus, durch die materiell rechtskräftige Entscheidung wird ein neues Verfahren in derselben Sache ausgeschlossen. Eine zeitlich nachträgliche Änderung der zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage nennt das Gesetz ›Abänderung‹ (§ 48 I).

C. Formelle Rechtskraft.

 

Rn 3

Die formelle Rechtskraft tritt ein mit Ablauf der Frist für die Einlegung eines ordentlichen Rechtsmittels. Damit sind Beschwerde, sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde gemeint. Nicht hierher gehören die Anhörungsrüge (§ 44), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 48 II), die Wiedereinsetzung (§ 17), die Verfassungsbeschwerde und die Menschenrechtsbeschwerde (Art 34 EMRK) sowie die Gegenvorstellung. Neben den ordentlichen Rechtsmitteln wird der Eintritt der formellen Rechtskraft gehemmt im Falle eines zulässigen Einspruchs, Widerspruchs oder der Erinnerung. Ist keines der genannten ordentlichen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe statthaft, tritt die formelle Rechtskraft mit dem Wirksamwerden der Entscheidung ein. Ferner tritt die formelle Rechtskraft mit einem Rechtsmittelverzicht aller Beteiligten ein.

 

Rn 4

Wird ein ordentliches Rechtsmittel oder ein im Gesetz genannter Rechtsbehelf rechtzeitig eingelegt, der statthaft ist, wird der Eintritt der formellen Rechtskraft aufgeschoben. Das gilt auch, wenn der Rechtsbehelf im konkreten Fall unzulässig ist. Die formelle Rechtskraft tritt dann ein, wenn der Rechtsbehelf verworfen bzw zurückgewiesen oder wenn der Rechtsbehelf zurückgenommen wird.

D. Materielle Rechtskraft.

 

Rn 5

Anders als im Zivilprozess folgt aus der formellen Rechtskraft eines Beschlusses in der fG nicht generell das Bestehen der materiellen Rechtskraft. So werden nach der hM insbesondere Verfahren der Fürsorge nicht materiell rechtskräftig (Betreuung, Unterbringung, Freiheitsentziehung). Gleiches gilt für Verfahren über die elterliche Sorge, für Personenstandssachen, für Erbscheinsverfahren und für Registersachen. Allerdings lehnt die hM in der fG in diesen Fällen den Eintritt der materiellen Rechtskraft oft mit dem Hinweis ab, es müsse eine Möglichkeit zur Abänderung der Entscheidung bei nachträglicher Änderung der Sachlage bestehen. Ein solcher Fall ist in der Tat in § 48 I als Abänderung geregelt. Das Wesen der materiellen Rechtskraft wird aber missverstanden, wenn ihr Eintritt mit zeitlich nachträglichen Ereignissen in Verbindung gebracht wird. Die materielle Rechtskraft weist auch im Zivilprozess zeitliche Grenzen auf. Ereignisse nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz sind also auch im Zivilprozess nicht präkludiert und können Gegenstand eines zweiten Verfahrens sein (s § 322 ZPO Rn 43 ff). Abzulehnen ist der Eintritt einer materiellen Rechtskraft in der fG daher nur dort, wo im Hinblick auf Alt-Tatsachen ein neues Verfahren möglich ist. Dies ist in Erbscheinsverfahren wegen § 2361 BGB zu bejahen, ebenso in Grundbuchsachen (§§ 22, 53, 84, 87 GBO) und in weiteren Registersachen.

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