Gesetzestext

 

(1) Unterhaltssachen sind Verfahren, die

1. die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht,
2. die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht,
3. die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m des Bürgerlichen Gesetzbuchs

betreffen.

(2) Unterhaltssachen sind auch Verfahren nach § 3 Abs. 2 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes und § 64 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes. Die §§ 235 bis 245 sind nicht anzuwenden.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift definiert den gesetzlichen Begriff der Unterhaltssachen. Die in Abs 1 genannten ›klassischen‹ Unterhaltsverfahren (vgl Zö/Lorenz § 231 Rz 1) sind Familienstreitsachen iSv § 112 Nr 1, die grds nach den Vorschriften der ZPO geführt werden. Bei den in Abs 2 genannten Verfahren zur Bestimmung der für den Bezug des Kindergeldes berechtigten Person nach § 3 II 3 BKKG und § 64 II 3 EStG handelt es sich demgegenüber um Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Soweit Unterhaltssachen aus bis zum 30.09.17 geschlossenen Lebenspartnerschaften zu regeln sind, bezeichnet das Gesetz diese in § 269 I Nr 8 und 9 aufgeführten Verfahren nicht als Unterhaltssachen, sondern als Lebenspartnerschaftssachen. Gem § 270 I 2 sind die Vorschriften über Unterhaltssachen jedoch entspr anzuwenden.

B. Die Familienstreitsachen des Abs 1.

 

Rn 2

Die in Abs 1 aufgezählten Unterhaltsverfahren sind Familienstreitsachen iSv § 112 Nr 1, für die gem § 113 I 2 grds die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten (§§ 1–494a ZPO) maßgebend sind, soweit das FamFG keine abweichenden Bestimmungen enthält.

I. Übersicht.

1. Die Beteiligten in Unterhaltssachen.

 

Rn 3

Unterhaltssachen iSv Abs 1 betreffen zunächst einen durch Verwandtschaft (Abs 1 Nr 1), Ehe bzw Lebenspartnerschaft (Abs 1 Nr 2) oder durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes (Abs 1 Nr 3) verbundenen Personenkreis. Über diesen Personenkreis hinaus können aber auch Rechtsnachfolger der Unterhaltsberechtigten oder Unterhaltsverpflichteten Beteiligte in Unterhaltssachen sein, wenn Unterhaltsansprüche auf sie übergegangen oder übergeleitet worden sind. Das können die Erben des Unterhaltsberechtigten sein, soweit ein Unterhaltsanspruch vererblich ist (vgl wegen der Einzelheiten die Kommentierung zu § 1615 BGB bzw § 1586 BGB zB Staud/Klinkhammer § 1615 BGB Rz 5; Staud/Baumann § 1586 Rz 6) oder die Erben des Unterhaltsverpflichteten sein (vgl wegen der Einzelheiten die Kommentierung zu § 1615 BGB, § 1615l BGB bzw § 1586b BGB zB jurisPK-BGB/Viefhues § 1615l Rz 294 ff; jurisPK-BGB/Löffler zu § 1586b BGB). In Fällen des gesetzlichen Forderungsübergangs können die Träger von BAföG-Leistungen (§ 37 BAföG) oder Träger der nach § 94 SGB XII, § 33 I SGB II, § 7 UVG auf sie übergegangener Sozialleistungen Beteiligte sein (vgl hierzu Prütting/Helms/Bömelburg § 231 Rz 9; Keidel/Weber § 231 Rz 12; Zö/Lorenz § 231 Rz 3; Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 2). Nicht unterhaltspflichtige Verwandte, die Regressansprüche nach §§ 1584 S 2, 1607 BGB geltend machen, können ebenso Beteiligte sein wie ein Dritter (Scheinvater), auf den der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger übergegangen ist, § 1607 III 2 BGB.

2. Gesetzliche, keine vertraglichen Unterhaltsansprüche.

 

Rn 4

Die Vorschrift erfasst ausdr nur gesetzliche Unterhaltsansprüche, sodass Verfahren, die rein vertragliche Unterhaltsansprüche betreffen (zB Unterhalt zwischen Verwandten in der Seitenlinie, vgl zB Palandt/Brudermüller § 1601 Rz 2), nicht zu den Unterhaltsverfahren iSv Abs 1 gehören. Soweit insoweit eine Zuständigkeit des Familiengerichts gem § 266 I Nr 3 gegeben ist, finden die besonderen Verfahrensvorschriften für Unterhaltssachen keine Anwendung (vgl zB Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 2). Entscheidend ist, dass der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage im Gesetz hat. Eine vertragliche Regelung nimmt einem gesetzlich geregelten Unterhaltsanspruch nicht ohne Weiteres seine Eigenschaft als gesetzlicher Anspruch (BGH FamRZ 97, 544; 90, 867; 87, 1021), sodass selbst bei erheblicher Abweichung vom gesetzlichen Leitbild und den üblichen Berechnungsmodalitäten idR anzunehmen ist, dass der Vertrag nur den gesetzlichen Anspruch näher ausgestaltet. Entscheidend ist allein, ob die vertragliche Regelung hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und des Erlöschens des Anspruchs die im gesetzlichen Unterhaltsrecht vorgegebenen Grundsätze aufnimmt und – wenn auch unter vielleicht erheblicher Modifikation – abbildet (BGH FamRZ 09, 219 – noch zu § 621 I Nr 5 ZPO aF; vgl. auch Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 2; FAKomm-FamR/Klein § 231 Rz 4; Prütting/Helms/Bömelburg § 231 Rz 12; Bork/Jacoby/Schwab/Hütter/Kodal § 231 Rz 4).

3. Verfahren, die die gesetzliche Unterhaltspflicht ›betreffen‹ – Unterhaltsverfahren kraft Sachzusammenhangs.

 

Rn 5

Der Wortlaut des § 231 lässt es ausreichen, dass das Verfahren die gesetzliche Unterhaltspflicht lediglich betrifft. Diese allg gehaltene Formulierung war bereits in § 621 I Nr 4, 5 und Nr 11 ZPO aF sowie in § 23b I 2 Nr 5,6 GVG aF verwendet worden (vgl dazu zB Zö/Philippi § 621 ZPO Rz 4). Es ist ausreichend, wenn die Einordnung als Unterhaltssache nach Sinn und Zweck geboten ist und das Verfahren seine Wurzel im unterhaltsrechtlichen Verhältnis hat, also ein unterhaltsrechtlicher Zusam...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt HSO FV Sachsen online Kompaktversion. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen