Rn 17

Für den die Abtrennung begehrenden Ehegatten muss der weitere Aufschub des Scheidungsausspruchs eine unzumutbare Härte bedeuten. Nach ganz überwiegender Auffassung stellt die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer für sich genommen regelmäßig nicht schon eine unzumutbare Härte dar (MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 58; FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 31; Keidel/Weber § 140 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 23; Stuttg FF 17, 78; FamRZ 09, 64; Karlsr NJW 16,652; Brandbg FamRZ 14, 2022; KG FamRZ 14, 2023; Köln FamRZ 10, 659; krit Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 24), soweit es sich nicht in Einzelfällen um eine ›ganz außergewöhnliche Verzögerung‹ handelt; wann eine solche anzunehmen ist, wird in der Rspr uneinheitlich gesehen (Köln FF 18, 323: 6 Jahre reichen nicht; FamRZ 10, 659: 9 Jahre ausreichend; Stuttg FF 17, 78: 5 Jahre Verfahrensdauer reichen nicht; Karlsr NJW 16, 652: 6 Jahre reichen nicht; Brandbg FamRZ 14, 2022: nicht bei etwas mehr als 4 Jahren; KG FamRZ 14, 2023: 3,5 Jahre reichen aus). Anderenfalls wäre das eigenständige Erfordernis (BGH FamRZ 86, 898) der unzumutbaren Härte überflüssig (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 24 mwN; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 58). Allerdings kann die Verfahrensdauer als ein Gesichtspunkt in die Abwägung einfließen.

 

Rn 18

Das Vorliegen einer unzumutbaren Härte ist nach den Umständen des Einzelfalles zu würdigen. Unzumutbar ist die durch die Verzögerung des Scheidungsausspruchs hervorgerufene Härte dann, wenn – auch unter Berücksichtigung der finanziellen Belange gemeinsamer Kinder – das Interesse des ASt an einer frühzeitigen Scheidung deutlich schwerer wiegt als das Interesse des Antragsgegners an einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesachen (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 23; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 55; Keidel/Weber § 140 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 23; BGH FamRZ 86, 898; Stuttg FF 17, 78; FamRZ 05, 121; Zweibr FamRZ 98, 1525). Aus dem Begriff der unzumutbaren Härte folgt, dass für die ausnahmsweise Auflösung des Verfahrens- und Entscheidungsverbundes strenge Maßstäbe anzulegen sind (Karlsr NJW 16, 652; Stuttg FamRZ 09, 64; Hamm FamRZ 07, 651; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 57; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 23; wohl auch FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 34: ›Ausnahmeregelung‹; aA Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig § 140 Rz 26: nicht zu restriktiv). Kann die abzutrennende Folgesache in Kürze abgeschlossen werden, spricht dies gegen eine Abtrennung (MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 65). Wie lange die Ehegatten bereits getrennt gelebt haben, spielt grds keine Rolle und begründet selbst bei längerer Trennungszeit keine unzumutbare Härte (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 24 mwN; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 63; aA Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig § 140 Rz 27). Trägt der ASt selbst zu der Verzögerung bei, kann er sich nicht auf eine unzumutbare Härte berufen (Kobl FamRB 14, 414; Hamm FamRZ 09, 710; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 26 mwN). Die Abtrennung steht nicht zur Disposition der Ehegatten. Die Zustimmung des anderen Ehegatten zur Abtrennung kann zwar ein Indiz dafür sein, dass die Interessen des ASt überwiegen, berechtigt aber nicht ›automatisch‹ zur Abtrennung (BGH FamRZ 91, 1043; 91, 687).

 

Rn 19

Dass im Einzelfall hinreichende Gründe für eine Härtescheidung nach § 1565 II BGB gegeben sind, rechtfertigt nicht ›automatisch‹ die Abtrennung einer Folgesache wegen unzumutbarer Härte; allerdings können diese Umstände auch iRd Prüfung einer unzumutbaren Härte berücksichtigt werden (Brandbg FuR 20, 597; Stuttg FuR 16, 323). Das Interesse an einer neuen Eheschließung rechtfertigt ohne Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht die Annahme einer unzumutbaren Härte (Saarbr FamRZ 11, 1890; Frankf FamFR 13, 427; Hamm FamRZ 07, 651; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 69; Keidel/Weber § 140 Rz 12). Etwas anderes soll gelten, wenn ein Kind aus der neuen Verbindung erwartet wird (Kobl FamRB 14, 414): wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Ehegatten abgesichert ist und für das Beibehalten des Verbundes nur formale Gesichtspunkte vorgebracht werden; Saarbr FamRZ 11, 1890) oder die Lebenserwartung des Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten will, durch hohes Alter oder schlechten Gesundheitszustand begrenzt ist (Brandbg FamRZ 14, 323; Saarbr FamRZ 11, 1890; Hamm FamRZ 07, 651). Für eine Abtrennung kann auch sprechen, dass der Antragsgegner das Verfahren durch die verzögernde Behandlung seiner Folgesache(n) hintertreibt (zB grundlos unterbleibende Bezifferung von Anträgen im Rahmen eines Stufenantrags; FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 36; vgl MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 67 mwN; Keidel/Weber § 140 Rz 12 mwN; Hamm FamRZ 13, 2002 mwN; vgl auch Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 27 mwN; Brandbg FamRZ 20, 1575).

 

Rn 20

Bei der gebotenen Interessenabwägung sind auch die Belange des sich der Abtrennung widersetzenden Antragsgegners zu berücksichtigen. Ist eine Folgesache für den Antragsgegner besonders bedeutsam, muss das Interesse des ASt an der Aufhebung des Verbundes zurücktreten (Stuttg FF 17, 78; Hamm FamRZ 09, 710; 07, 651). Das ist der Fa...

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