Gesetzestext

 

(1) Die Versäumnisentscheidung gegen den Antragsteller ist dahin zu erlassen, dass der Antrag als zurückgenommen gilt.

(2) Eine Versäumnisentscheidung gegen den Antragsgegner sowie eine Entscheidung nach Aktenlage ist unzulässig.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält eine für alle Ehesachen geltende spezielle Regelung über die Folgen der Säumnis des ASt (Abs 1) und des Antragsgegners (Abs 2). Die Vorschriften der §§ 330, 331 ZPO finden trotz der allgemeinen Verweisung in § 113 I 2 mithin keine Anwendung. Die Vorschrift gilt nicht für Scheidungsfolgesachen; hier gelten die besonderen Vorschriften der §§ 142 I 2, 143.

 

Rn 2

In Abs 1 wird die bis dahin nur für Feststellungsverfahren geltende Regelung des § 632 IV ZPO aF, wonach das Versäumnisurteil dahin zu erlassen ist, dass die Klage als zurückgenommen gilt, auf alle Ehesachen erstreckt. Da in Ehesachen ein erhöhtes Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung besteht, soll allein aufgrund des Umstandes der Säumnis keine grds der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung (Abweisung des Antrags) ergehen (Keidel/Weber § 130 Rz 4; ThoPu/Hüßtege § 130 Rz 2). Bei Säumnis des Antragsgegners ist gem Abs 2 – wie auch bereits in § 612 IV ZPO aF – eine Säumnisentscheidung gegen ihn ausgeschlossen. Dies gilt nun ausdrücklich auch für eine Entscheidung nach Aktenlage; nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine nach Sinn und Zweck konsequente Erweiterung bzw Klarstellung (BTDrs 18/6308, 228).

B. Die Vorschrift im Einzelnen.

I. Säumnis in der ersten Instanz.

1. Säumnis des Antragstellers (Abs 1).

 

Rn 3

Gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen ASt ist eine Versäumnisentscheidung in allen Ehesachen nur noch mit dem Inhalt möglich, dass der Antrag als zurückgenommen gilt bzw als zurückgenommen erklärt wird. Die Zurückweisung des Antrags (wie in § 330 ZPO vorgesehen) darf nicht ausgesprochen werden. Es spielt keine Rolle, ob der Antrag zulässig oder unzulässig war (Keidel/Weber § 130 Rz 4). Der Antrag des (anwaltlich vertretenen) Antragsgegners auf Erlass eines Säumnisbeschlusses beinhaltet zugleich seine ggf erforderliche Zustimmung zur Rücknahme des Scheidungsantrags iSv § 269 I ZPO (Keidel/Weber § 130 Rz 4; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 3).

 

Rn 4

Wurde schon einmal mündlich verhandelt und ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, kann der Antragsgegner gem § 113 I 2 iVm § 331a ZPO auch eine Entscheidung nach Aktenlage beantragen; dies ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausgeschlossen (vgl zB Prütting/Helms/Helms § 130 Rz 3; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 3; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig § 130 Rz 5; Zö/Lorenz § 130 Rz 2; ThoPu/Hüßtege § 130 Rz 2; einschr Keidel/Weber § 130 Rz 4).

 

Rn 5

Hat der anwaltlich vertretene Antragsgegner einen eigenen Scheidungsantrag gestellt, kommt der Erlass einer Säumnisentscheidung gegen den ASt schon aufgrund der gebotenen Einheitlichkeit der Entscheidung nicht in Betracht (Prütting/Helms/Helms § 130 Rz 5; Keidel/Weber § 130 Rz 4; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 2; Zö/Lorenz § 130 Rz 5; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 130 Rz 5). Es kommt eine einseitig streitige Verhandlung und Entscheidung in Betracht; hiervon sollte aber aufgrund der gebotenen Anhörung beider Ehegatten nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht und eher eine Vertagung in Betracht gezogen werden.

 

Rn 6

Ergeht ein Säumnisbeschluss gegen den ASt, kann er hiergegen innerhalb der Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung des Säumnisbeschlusses Einspruch einlegen, § 113 I 2 iVm §§ 338 ff ZPO. Tut er dies nicht, steht es ihm frei, einen erneuten Antrag zu stellen, dem nicht der Einwand doppelter Rechtshängigkeit entgegengehalten werden kann, da die Rechtshängigkeit seines als zurückgenommen zu behandelnden Antrags beendet wird. Die Bewilligung von VKH für einen weiteren Scheidungsantrag kann unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit, § 113 I 2 iVm § 114 II ZPO problematisch werden (vgl zB Karlsr FamRZ 99, 1669; FamRZ 98, 485; Hamm FamRZ 90, 1375; Köln FamRZ 88, 92).

2. Säumnis des Antragsgegners (Abs 2).

 

Rn 7

Der Antragsgegner einer Ehesache ist vor Erlass einer gegen ihn gerichteten Säumnisentscheidung geschützt. Da gem § 113 IV Nr 3 die Vorschriften über das schriftliche Vorverfahren nicht anwendbar sind, darf ein Säumnisbeschlusses auf der Grundlage von §§ 276 I 1, II, 331 III ZPO nicht ergehen. Erscheint der Antragsgegner unentschuldigt nicht im Termin, ordnet § 130 II ausdrücklich an, dass sowohl ein Säumnisbeschluss als auch eine Entscheidung nach Aktenlage unzulässig sind. Eine gegen den Antragsgegner gerichtete Säumnisentscheidung würde regelmäßig dem Antrag des ASt entsprechen und ausschließlich auf der Grundlage seines Vorbringens ergehen. Das ist weder mit dem Gebot vereinbar, in Ehesachen eine materiell richtige Entscheidung zu treffen noch mit dem in Art 6 I GG verankerten Schutz der Ehe. Das Erscheinen des Antragsgegners zum Termin kann mit Ordnungsmitteln erzwungen werden, § 128 IV. Erscheint er mehrmals nicht und wird auf seine Anhörung ausnahmsweise verzichtet, ergeht eine kontradiktorische Entscheidung, die mit der Beschwerde angefochten werden kann. Aus den genannten Gründen kommt auch eine Entscheidung nach Lage der Akt...

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