Gesetzestext

 

(1) Beantragt die zuständige Verwaltungsbehörde oder bei Verstoß gegen § 1306 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die dritte Person die Aufhebung der Ehe, ist der Antrag gegen beide Ehegatten zu richten.

(2) Hat in den Fällen des § 1316 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Ehegatte oder die dritte Person den Antrag gestellt, ist die zuständige Verwaltungsbehörde über den Antrag zu unterrichten. Die zuständige Verwaltungsbehörde kann in diesen Fällen, auch wenn sie den Antrag nicht gestellt hat, das Verfahren betreiben, insbesondere selbständig Anträge stellen oder Rechtsmittel einlegen. Im Fall eines Antrags auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Einleitung eines Scheidungsverfahrens obliegt ausschließlich den Ehegatten. Demgegenüber kann das Verfahren auf Aufhebung einer Ehe in den in § 1316 I Nr 1 BGB genannten Fällen auch von der zuständigen Verwaltungsbehörde und im Fall einer Doppelehe (§ 1306 BGB) auch von der dritten Person (der Erstehegatte) eingeleitet werden. Die Verfahrensbeteiligung der Verwaltungsbehörde dient dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung wesentlicher Vorschriften des Eheschließungsrechts und bezweckt die Wahrung der rechtlichen Ordnung der Ehe (Keidel/Weber § 128 Rz 2). Die Vorschrift des § 129 setzt diese materiell-rechtlichen Vorgaben verfahrensrechtlich um; sie gilt in Verfahren auf Aufhebung der Ehe iSv § 121 Nr 2 und aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Abs 2 S 3 auch in Verfahren wegen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe iSv § 121 Nr. 3. Die Verwaltungsbehörde ist auch ohne eigenen Antrag am Verfahren zu beteiligen, § 129 II 2. Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde richtet sich gem § 1316 I 2, 3 BGB nach den jeweiligen Rechtsverordnungen der Landesregierungen (vgl wegen der Einzelheiten zB PWW/Friederici 13. Aufl § 1316 Rz 4). Wegen der zu treffenden Kostenentscheidung wird auf die Kommentierung zu § 132 verwiesen.

 

Rn 2

Auch die Regelung des § 129 ist nicht neu. Abs 1 entspricht dem bisherigen § 631 III ZPO; Abs 2 S 1, 2 entspricht dem bisherigen § 631 IV ZPO. Abs 2 S 3 entspricht in der Sache dem bisherigen § 632 III ZPO (BTDrs 16/6308, 228).

B. Die Vorschrift im Einzelnen.

I. Antrag der Verwaltungsbehörde (Abs 1).

 

Rn 3

Die Antragsbefugnis der Verwaltungsbehörde ergibt sich aus § 1316 I Nr 1 BGB. Danach ist die Verwaltungsbehörde befugt bei Verstoß gegen § 1303 S 1 BGB (Erfordernis der Ehemündigkeit), § 1304 BGB (keine Eheschließung durch einen Geschäftsunfähigen), § 1306 BGB (Verbot der Doppelehe oder Lebenspartnerschaft), § 1307 BGB (Verbot der Eheschließung unter Verwandten), § 1311 BGB (Anforderungen an die Erklärung der Eheschließung) sowie in den Fällen des § 1314 II Nr 1 und insb Nr 5 (Scheinehe). Die Behörde ist nicht antragsbefugt in einem Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe. Durch die Verweisung in Abs 2 S 3 wird der Behörde die Möglichkeit eröffnet, nach der gebotenen Unterrichtung durch das Gericht zur Wahrung des öffentlichen Interesses selbstständig am Feststellungsverfahren teilzunehmen.

 

Rn 4

Die Antragstellung steht grds im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde (BGH FamRZ 86, 879 –- noch für die früher zuständige Staatsanwaltschaft; vgl aber auch Frankf OLGR 07, 708). Gem § 1316 III 1 BGB wird das Ermessen eingeschränkt: In den dort genannten Fällen soll ein verfahrenseinleitender Antrag von der Verwaltungsbehörde nur dann gestellt werden, wenn nicht die Aufhebung der Ehe für einen Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder eine so schwere Härte bedeuten würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint. Das Vorliegen des Härtegrundes ist vom Gericht eigenständig zu prüfen und der Antrag der Verwaltungsbehörde als unzulässig zu verwerfen, wenn das Gericht das Eingreifen der Härteklausel bejaht (BGH FuR 12, 371). § 1316 III 2 BGB (gültig seit dem 22.7.17) schränkt das Ermessen weiter ein: Bei einem Verstoß gegen § 1303 S 1 muss die zuständige Behörde den Antrag stellen, es sei denn, der minderjährige Ehegatte ist zwischenzeitlich volljährig geworden und hat zu erkennen gegeben, dass er die Ehe fortsetzen will. Ist das nicht erkennbar, muss die Verwaltungsbehörde bei einem Verstoß gegen § 1303 S 1 BGB allerdings selbst dann die Aufhebung der Ehe beantragen, wenn der zuständige Mitarbeiter zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte iSv § 1315 I Nr 1 lit b BGB begründen könnte (vgl auch Oldbg FamRZ 18, 152; AG Frankenthal FamRZ 18, 749).

 

Rn 5

Die Behörde ist gem § 114 III 1 postulationsfähig und unterliegt nicht dem Anwaltszwang. Unterbleibt die Antragstellung, kann die Behörde auch nicht von einem Dritten zur Antragstellung gezwungen werden (PWW/Friederici 13. Aufl § 1316 Rz 7; MüKoFamFG/Lugani § 129 Rz 8). Stellt die Behörde einen Antrag, so ist sie Beteiligter des Verfahrens und nimmt dessen Rechtsstellung ein (vgl zB Musielak/Borth/Borth/Grandel § 129 Rz 4; ThoPu/Hüßtege...

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