Gesetzestext

 

(1) Eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes im Sinne des Artikels 40 Abs. 1 Buchstabe b), für die eine Bescheinigung nach Abs. 2 im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.

Auch wenn das nationale Recht nicht vorsieht, dass eine in Artikel 11 Abs. 8 genannte Entscheidung über die Rückgabe des Kindes ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs von Rechts wegen vollstreckbar ist, kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung für vollstreckbar erklären.

(2) Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats, der die Entscheidung nach Artikel 40 Abs. 1 Buchstabe b) erlassen hat, stellt die Bescheinigung nach Abs. 1 nur aus, wenn

a) das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erschien,
b) die Parteien die Gelegenheit hatten, gehört zu werden, und
c) das Gericht beim Erlass seiner Entscheidung die Gründe und Beweismittel berücksichtigt hat, die der nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ergangenen Entscheidung zugrunde liegen.

Ergreift das Gericht oder eine andere Behörde Maßnahmen, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr in den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen, so sind diese Maßnahmen in der Bescheinigung anzugeben.

Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats stellt die Bescheinigung von Amts wegen unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV (Bescheinigung über die Rückgabe des Kindes) aus.

Das Formblatt wird in der Sprache ausgefüllt, in der die Entscheidung abgefasst ist.

 

Rn 1

Diese Vorschrift steht in Zusammenhang mit Art 11 VIII: Lehnt der Staat, in den das betroffene Kind widerrechtlich verbracht wurde, auf der Grundlage von Art 13 HKÜ die Rückführung des Kindes ab, ordnet aber der Ursprungsstaat am Schluss seines nach Art 11 VI–VIII dann durchzuführenden Verfahrens die Rückgabe des Kindes an, so ist diese Entscheidung automatisch nicht nur in dem anderen, sondern in allen Mitgliedstaaten (Wortlaut!) vollstreckbar. S iiE – auch zur diesbezüglichen Rspr des EuGH – Art 11 Rn 7 ff.

Der jeweilige Träger der elterlichen Verantwortung muss allerdings zunächst einen Rückführungsantrag im Vollstreckungsmitgliedstaat gestellt haben (EuGH FamRZ 08, 1729 [Rinau] Rz 69 ff). Hat er hingegen seinen Antrag im Ursprungsaufenthaltsstaat gestellt, ist Art 42 unanwendbar. Die Anerkennung und Vollstreckung richtet sich in diesem Fall nach den Art 21 ff (NK-BGB/Gruber Art 10 Rz 9). Wird die Rückgabeanordnung nicht auf Art 11 VIII gestützt, weil ein Fall des Art 13 HKÜ nicht vorgelegen hat, findet Art 42 auch keine Anwendung (Celle FamRZ 07, 1587; OGH IPRax 14, 543, 546).

 

Rn 2

(nicht besetzt)

 

Rn 3

Die Bescheinigung nach Anhang IV darf vom funktionell zuständigen Richter (§ 48 II IntFamRVG, zu den Einzelheiten s Art 41 Rn 1) nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des Art 42 II vorliegen (s insoweit zur Kindesanhörung Art 21–27 Rn 7). Das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats hat grds selbst dann keine eigene Prüfungskompetenz, ob das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Bescheinigung nach Art 42 richtig ausgestellt hat, wenn das Gegenteil aktenersichtlich ist; die Parteien können sich hiergegen allein im Ursprungsmitgliedstaat zur Wehr setzen (EuGH FamRZ 11, 355 [Zarraga] Rz 48, 50).

 

Rn 4

Auch die neue Brüssel IIb-VO sieht die Umgangsvollstreckung und die Kindesrückgabe nach einem erfolglosen HKÜ-Antrag – allerdings nur noch in den Fällen der Art 13 I lit b bzw. Art 13 II HKÜ (vgl Erw 49 S 1) – weiterhin als privilegiert an (Art 42 I lit a und lit b iVm Art 29 VI). Der Rückgabe des Kindes nach Art 29 VI muss allerdings zwingend eine Sorgerechtsentscheidung zugrunde liegen, anderenfalls handelt es sich nicht um eine privilegierte Entscheidung. Art 50 lit a schränkt die Wirksamkeit weiterhin dahingehend ein, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat bei Vorliegen einer späteren Entscheidung über das Sorgerecht abschließend bestimmen darf. Eine Aussetzung nach § 56 IV kommt gerade wegen der Privilegierung nicht in Betracht (aA Gruber/Möller IPRax 20, 393, 398).

 

Rn 5

Auf Antrag einer Partei wird nach Art 47 I eine Bescheinigung ausgestellt. Die Bescheinigung wegen der Rückgabe des Kindes darf nur ausgestellt werden, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung die Gründe und Tatsachen berücksichtigt hat, die der vorherigen Entscheidung zugrunde liegen, die in einem anderen Mitgliedstaat gem Art 13 I lit b bzw Art 13 II HKÜ 1980 ergangen ist. Nach Art 47 VI kann die Bescheinigung in den in Art 48 genannten Gründen – Unstimmigkeit, Unrichtigkeit, Ausstellung zu Unrecht – mit einem Rechtsmittel nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats angefochten werden (Art 48 III).

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