Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Behandlungsfall im Fallpauschalensystem. keine Aufspaltung von Diagnostik und Beratung. Vermeidung vorzeitiger Entlassungen. Zuordnung einer Fallpauschale zu einem Behandlungsfall

 

Orientierungssatz

1. Unter Behandlungsfall ist bei einer stationären Behandlung im Fallpauschalensystem die gesamte Behandlung derselben Erkrankung zu verstehen, die ein Patient von der stationären Aufnahme bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung erhält. Damit nicht vereinbar ist die Trennung eines einheitlichen medizinischen Behandlungsfalles in die Abschnitte Diagnostik und Behandlung.

2. Bei einem Behandlungsablauf, welcher aus medizinischen Gründen oder mit Rücksicht auf den Patienten mehrere Krankenhausaufenthalte rechtfertigt, handelt es sich um Fälle, die nicht zu einem Aufenthalt zusammengefasst werden, weil sich die entsprechenden Behandlungsstrukturen ohne fehlsteuernde Anreize durch ein Fallpauschalensystem in der Vergangenheit entwickelt haben. Ferner fallen darunter sonstige Behandlungen, in denen eine Zusammenrechnung von Krankenhausaufenthalten aus nachvollziehbaren Erwägungen zu unterbleiben hat.

3. Ziel des Fallpauschalensystems nach § 17b Abs 1 S 1 KHG ist es, ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem zu schaffen. Gemäß S 3 der Vorschrift sollen die Entgelte die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergüten. Damit nicht vereinbar ist eine künstliche Aufspaltung einheitlicher Behandlungsvorgänge.

4. Sinn der Regelung des § 17c KHG ist es, vorzeitige Entlassungen zu vermeiden, da diese zu erhöhten Belastungen des Gesundheitswesens führen können. Gemäß § 17c Abs 3 S 3 sollen die dort genannten Beteiligten ein pauschaliertes Ausgleichsverfahren vereinbaren, um eine Erstattung oder Nachzahlung in jedem einzelnen Fall zu vermeiden. § 17c Abs 3 KHG steht einem Verlust des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses entgegen der Ansicht des SG Hamburg vom 19.2.2008 - S 48 KR 605/05 bereits deshalb nicht entgegen, weil Voraussetzung der Vorschrift ausdrücklich ist, dass bereits bezahlte Krankenhausleistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind. Wurden die Rechnungen hingegen noch nicht beglichen, so ist die Vorschrift insgesamt nicht anwendbar. In diesen Fällen bleibt es der einzelnen Krankenkasse überlassen, welche Folgen sie aus einer fehlerhaften und noch nicht beglichenen Krankenhausrechnung zieht.

5. Die Regelung für eine Fallzusammenführung bei Komplikationen kann nach § 8 Abs 5 S 2 KHEntgG durch abweichende Vereinbarung der Vertragsparteien nach § 17 b Abs 2 S 1 KHG oder eine abweichende Vorgabe durch eine Rechtsverordnung nach § 17b Abs 7 KHG ersetzt werden, was erstmals durch die Regelung des § 2 Abs 3 KFPV 2004 geschah. Für § 8 Abs 2 S 1 KHEntgG fehlt eine vergleichbare Vorschrift. Dies verdeutlicht, dass es um ein Grundprinzip des Gesetzes geht, nämlich dass einem Behandlungsfall eine Fallpauschale zuzuordnen ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 30. Januar 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung in Höhe von weiteren 2.132,31 € nebst Zinsen streitig.

Die bei der Beklagten versicherte C. P. (im Folgenden Versicherte) war in der Zeit vom 18. bis 30. September 2003 und vom 4. bis 21. Oktober 2003 in einem von dem Kläger betriebenen und in den Krankenhausplan des Freistaates Thüringen aufgenommenen Krankenhaus vollstationär untergebracht. Sie war am 18. September 2003 in die Frauenklinik aufgenommen worden, weil bei ihr der Verdacht auf einen Tumor bestand. Bei den anschließenden Untersuchungen wurde eine fortgeschrittene Tumorerkrankung diagnostiziert. Am 30. September 2003 entließ der Kläger die Versicherte laut Entlassungsbericht mit dem Vermerk "zunächst", und nahm sie am Samstag, den 4. Oktober 2003 wieder in die Chirurgie auf. Dort wurde sie am 6. Oktober 2003 operiert. Der Kläger rechnete für den ersten Zeitraum nach dem Fallpauschalenkatalog die Ziffer DRG 44A (andere Koloskopie mit äußerst schweren oder schweren CC oder komplizierenden Eingriff) ab und stellte der Beklagten am 8. Oktober 2003 2.199,75 € in Rechnung. Für den weiteren stationären Aufenthalt vom 4. bis 21. Oktober 2003 stellte der Kläger der Beklagten am 23. Oktober 2003 einen Betrag in Höhe von 10.851,41 € in Rechnung, weil er die Ziffer DRG G02A (große Eingriffe an Dünn- und Dickdarm mit äußerst schweren CC) in Ansatz brachte. Hinsichtlich der letzten Rechnung wandte sich die Beklagte an den MDK. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 30. Dezember 2003 zu dem Ergebnis, dass die Versicherte ohne zwischenzeitliche Entlassung im Krankenhaus hätte behandelt werden können. Eine Zusamme...

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