Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7. psychische Erkrankung. posttraumatische Belastungsstörung. Rettungssanitäter. generelle Geeignetheit. bestimmte Personengruppe. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. wiederholte Konfrontation mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung einer PTBS eines Rettungssanitäters als Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7, da bisher weder gesicherte Erkenntnisse dafür vorliegen, dass (allein) die wiederholte Konfrontation der im Rettungsdienst tätigen mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen generell geeignet ist, eine PTBS zu verursachen noch ausreichend gesicherte neue medizinische Erkenntnisse über ein "deutlich erhöhtes Risiko" bei Rettungssanitätern vorliegen, eine beruflich verursachte PTBS zu entwickeln.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.06.2023; Aktenzeichen B 2 U 11/20 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Berufskrankheit (BK) streitig.

Der 1966 geborene Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 14.07.2016 den ärztlichen Entlassungsbericht vom 23.05.2016 über seine auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung absolvierte psychosomatische Rehabilitationsbehandlung wegen einer PTBS und eines Diabetes Mellitus vorgelegt und sinngemäß beantragt, die von den Ärzten der M. Klinik diagnostizierte PTBS als BK infolge seiner Tätigkeit als Rettungssanitäter u.a. mit Einsätzen beim Amoklauf von Winnenden und zwei Suiziden festzustellen.

In dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 23.05.2016 führte Dr. G. unter anderem aus, der Kläger sei im Rettungsdienst tätig und habe als solcher viele traumatisierende Erlebnisse gehabt. So sei er bei Amokläufen eingesetzt worden, bei denen er emotional bereits an seine Grenzen gekommen sei. Nur gelegentlich sei es zu Nachhallerinnerungen gekommen, die über die Jahre bereits sukzessive angestiegene Anspannung habe sich verstärkt. Als weiteres traumatisches Erlebnis erinnert der Kläger, den Suizid einer Jugendlichen, der ihn tief erschüttert habe, woraufhin er sich jedoch wieder weitgehend stabilisiert habe. Als er jedoch auf den Tag genau ein Jahr später zum Suizid der Freundin der Jugendlichen gerufen worden sei, sei es schließlich zur Dekompensation gekommen. Der Kläger könne seitdem nicht mehr richtig reagieren, es komme verstärkt zu Eskalationen, die er nur durch Rückzug vermeiden könne. Aufrechterhalten werde die Symptomatik durch ein zunehmendes Sinnlosigkeitserleben und die mangelnde Unterstützung seitens der Strukturen und Vorgesetzten. Dr. G. diagnostizierte im Gegensatz zu den Vorbehandlern keine depressive Episode, sondern eine PTBS. Deren Kriterien seien durch eine Kumulation außergewöhnlicher Belastungen, anhaltende Nachhallerinnerungen, Alpträume und eine ausgesprochen hohe innere Bedrängnis in ähnlichen Situationen, Vermeidungsverhalten in Bezug auf ähnliche Situationen, erhöhte psychische Erregung mit Ein- und Durchschlafstörungen, erhöhter Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und erhöhter Schreckhaftigkeit erfüllt. Zur weiteren Therapie werde dringend die zeitnahe Aufnahme einer kontinuierlichen ambulanten Psychotherapie, traumaadaptiert, empfohlen.

Mit Bescheid vom 25.08.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der PTBS als BK nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII ab. Zur Begründung führte sie aus, die beim Kläger diagnostizierte PTBS gehöre nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen, weshalb ihre Anerkennung als BK nicht möglich sei. Da weder die als schädigende Einwirkung angegebene Verarbeitung traumatischer Erlebnisse, noch die Krankheit, also die PTBS, in der Berufskrankheiten-Verordnung bezeichnet seien, sei schon deswegen eine Anerkennung als BK nicht möglich. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII, wie eine Berufskrankheit, sei nicht gegeben. Derzeit lägen keine neuen Erkenntnisse dahingehend vor, dass bestimmte Personengruppen durch ihre berufliche Tätigkeit, hier insbesondere im Rettungsdienst, mit dabei einhergehenden psychischen und körperlichen Belastungen körperliche oder psychische Erkrankungen erleiden. Diese seien gegenwärtig auch nicht Gegenstand entsprechender Forschungsvorhaben, so dass die diagnostizierte PTBS auch keine „Wie-Berufskrankheit“ sei.

Ob der Tatbestand eines Arbeitsunfalls nach § 8 SGB VII erfüllt sei, werde in einem weiteren Ermittlungsverfahren gesondert geprüft.

Dagegen ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch einlegen und darauf hinweisen, dass die bei ihm bestehende PTBS als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen und deren noch nicht erfolgte Aufnahme in die BKV unzutreffend sei. Mitarbeiter von Rettungsdiensten und der Polizei seien überdurchschnittlich oft, besonders belastenden psychischen Situationen ausgesetzt.

Im Widerspruchsverf...

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