Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Sonderbedarfszulassung. Anspruch auf Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte. Residenzpflicht. keine Verletzung bei Fahrzeiten von über einer Stunde. Berufsausübungsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch Vertragsärzte mit einer Sonderbedarfszulassung nach § 24 Buchst b ÄBedarfsplRL haben bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 24 Abs 3 Ärzte-ZV einen Anspruch auf Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte (Zweigpraxis), selbst wenn diese in einem anderen Planungsbereich liegt.

2. Die Residenzpflicht (§ 24 Abs 2 S 2 Ärzte-ZV) ist nicht in jedem Fall bereits wegen der Fahrzeiten von über einer Stunde zwischen Vertragsarztsitz/Wohnort und Zweigpraxis verletzt.

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 24 Abs 2 S 2 Ärzte-ZV hat den Zweck, die in Satz 1 der Vorschrift näher beschriebene, sich im Übrigen unmittelbar aus dem Zulassungsstatus des Vertragsarztes ergebende Verpflichtung abzusichern, in seiner Praxis Sprechstunden abzuhalten und damit für die Versicherten erreichbar zu sein. In diesem eingeschränkten Verständnis erweist sie sich als zulässige Regelung der vertragsärztlichen Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 S 2 GG.

 

Tatbestand

Durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in M-V vom 27.06.2007 wurde der Kläger als Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie für Bad Doberan gem. § 24 Buchst. b) ÄBedarfsplRL zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Zulassung wurde daran gebunden, dass nur Leistungen im Rahmen der Betreuung von Rheumapatienten abrechnungsfähig sind.

Im Dezember 2008 beantragte der Kläger die Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte im (...) in 18435 Stralsund mit Sprechstunden freitags 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Zur Begründung führte der Kläger an, dass in der Nebenbetriebsstätte prinzipiell die gleichen Leistungen vorgehalten würden, wie am Vertragsarztsitz am Krankenhaus (...). Derzeit würden bereits rund 200 Patienten aus Stralsund und Umgebung sowie Rügen am Hauptsitz betreut, die diesen Weg auf sich nähmen. Eine spezielle internistisch-rheumatologische Versorgung durch einen fachärztlich tätigen Rheumatologen existiere in Stralsund und Umgebung nicht.

Die Beklagte holte zahlreiche, in der Mehrzahl befürwortende Stellungnahmen in Stralsund und Umgebung niedergelassener Fachärzte für Innere Medizin ein. Insoweit wird auf die einzelnen in der Verwaltungsakte enthaltenen Schreiben der Ärzte verwiesen. Durch Beschluss vom 29.01.2009 lehnte die Beklagte den Antrag gleichwohl ab, weil gemäß § 25 ÄBedarfsplRL die Zulassung gem. § 24 Buchst. b) an den Ort der Niederlassung gebunden sei.

Der Widerspruch hiergegen hatte keinen Erfolg. Im Bescheid vom 13.07.2009 führte die Beklagte an, dass der Vorstand weiterhin daran festhalte, dass die Sonderbedarfszulassung an den Ort der Niederlassung gebunden und damit in der Regel die Genehmigung zum Betrieb einer Nebenbetriebsstätte ausgeschlossen sei. Aufgrund des am Standort der Praxis in Bad Doberan vorhandenen Bedarfs, der zur Erteilung der Sonderbedarfszulassung an diesem Ort geführt habe, sei beim Betrieb einer Zweigpraxis in Stralsund grundsätzlich von einer Beeinträchtigung der Versorgung am Hauptsitz auszugehen, so dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Genehmigung nicht vorlägen.

Zur Begründung seiner am 13.08.2009 erhobenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Bindung der Sonderbedarfszulassung an den Ort der Niederlassung für alle Zulassungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gelte, insoweit sei die Bestimmung in § 25 Abs. 1 S. 1 ÄBedarfsplRL zunächst einmal rein deklaratorischer Natur. Die Regelung könne nur so verstanden werden, dass durch diese Vorschrift verhindert werden solle, dass eine freie Verlegung innerhalb des Planungsbereiches stattfinde. Der Genehmigung einer Zweigpraxis stünde diese Regelung indes nicht entgegen. Auch Inhaber von Sonderbedarfszulassungen seien verpflichtet, an ihrem Vertragsarztsitz 20 Wochenstunden Sprechstunde abzuhalten. Während der übrigen Zeit könnten sie anderes tun, insbesondere auch an weiteren Orten arbeiten. Durch die Errichtung der Nebenbetriebsstätte Stralsund werde die Versorgung der Versicherten dort zweifelsfrei verbessert. Es sei dort kein fachärztlich internistischer Rheumatologe niedergelassen. Rheumatologische Patienten aus Stralsund seien bislang darauf angewiesen, Praxen in weiter Entfernung aufzusuchen. Insgesamt seien in M-V nur 5 internistische Fachärzte mit dem Schwerpunkt Rheumatologie zugelassen. Am deutlichsten zeige sich der vorhandene Bedarf jedoch, wenn man beachte, dass er bereits jetzt in seiner Praxis 230 Patienten aus Stralsund und Umgebung behandle. Durch die Errichtung der Zweigpraxis werde auch die Versorgung am Vertragsarztsitz nicht beeinträchtigt. Die in den Bundesmantelverträgen festgelegten Mindestsprechstundenzeiten würden erfüllt. Darüber hinaus unterschreite der beantragte Tätigkeitsumfang in der Zweigpraxis bei weitem die Zeit am Vertragsarztsitz. Insbesondere spreche gegen eine V...

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