Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Unfallkausalität. Cannabiskonsum. allein wesentliche Ursache: Mindest-THC-Wert. drogenbedingte Fahruntüchtigkeit. besondere Beweiszeichen

 

Orientierungssatz

1. Cannabiskonsum kann nur dann als allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden, wenn ein THC-Wert von mindestens 1 ng/ml festgestellt wurde und weitere Beweisanzeichen die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten - ähnlich wie bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer BAK von unter 1,1 ‰ - belegen.

2. Es müssen aber immer Beweisanzeichen gegeben seien, die es nahelegen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt rauschmittelbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist. Hierfür ist es erforderlich, eine konkrete Beeinträchtigung des Klägers im Unfallzeitpunkt durch den Drogenkonsum festzustellen. Allein ein objektiv riskantes Verhalten reicht nicht aus. Denn allein aufgrund der Blutuntersuchung nach dem Unfall lässt sich keine konkrete Beeinträchtigung der Wegefähigkeit nachweisen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.012018 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger am 04.05.2017 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat.

3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls als Arbeits-(Wege)unfall.

Der am 00.00.1981 geborene Kläger erlitt am 04.05.2017 gegen 13:30 Uhr auf dem Weg von seinem Wohnort zum Beschäftigungsort einen Verkehrsunfall. Er befuhr mit seinem E-Fahrrad den Radweg an der C. Straße in Fahrtrichtung D.. In Höhe des E. weges fuhr er von dem Radweg nach rechts auf die Fahrbahn der C. Straße, um diese in Richtung E. weg zu überqueren. An dieser Stelle besteht auf der Landstraße eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h. Ein PKW-Fahrer, der die C. Straße mit dem PKW in Fahrtrichtung D. befuhr, konnte nicht mehr rechtzeitig abbremsen, so dass der Kläger mit dem PKW kollidierte. Er traf mit dem Vorderreifen auf die Front des PKW und schlug mit dem Körper auf die Windschutzscheibe auf. Der Kläger trug keinen Helm.

Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen mit angelegtem Stiffneck und Beckengurt in die EUREGIO-Klinik A-Stadt gebracht. Nach dem Durchgangsarztbericht vom 04.05.2017 sowie des Verlegungsbriefes vom 05.05.2017 war der Kläger nicht bewusstlos gewesen. Während der Fahrt war der Kläger ABC stabil. Bei der Erstuntersuchung im Schockraum zeigte der Kläger eine normale Sprache ohne krankhafte Atemgeräusche. Das Bewertungsschema zur Beschreibung der Bewusstseinslage (GSC) ergab die maximale Punktzahl von 15/15, somit den Wert für volles Bewusstsein. Es bestand eine anterograde Amnesie, die Pupillen waren isocor und lichtreagibel. Ein Verdacht auf Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss wurde nicht gesehen. Nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung wurden ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine Rippenserienfraktur 5. bis 8. Rippe rechts, eine offene Unterschenkelfraktur rechts, eine geschlossene Unterschenkelfraktur links, ein Pneumothorax rechts sowie eine Stirnplatzwunde diagnostiziert. Eine Thoraxdrainage wurde angelegt. Es erfolgte eine operative Versorgung der Frakturen noch am Unfalltag. Der Kläger wurde danach auf die Intensivstation verlegt, intubiert und beatmet. Der Kläger wurde am 05.05.2017 in die F. Kliniken G. in H. verlegt.

Nach dem Unfallbefundbericht des Polizeikommissariat A-Stadt vom 04.05.2017 konnte der Kläger am Unfallort nicht zum Sachverhalt befragt werden, da er sich in notärztlicher Behandlung befand. Im Krankenhaus konnte kurzzeitig mit dem Kläger gesprochen werden, der sich aber an den Vorfall nicht erinnern konnte. Der Unfallgegner gab noch an der Unfallstelle an, der Kläger sei auf dem links gelegenen Radweg gefahren und habe plötzlich die Fahrbahn gekreuzt. Er habe nicht mehr reagieren können. Nach den durchgeführten Zeugenbefragungen war der Kläger vor dem Überqueren der Fahrbahn unmerklich langsamer geworden. Er habe nach links geschaut und sei dann auf die C. Straße gefahren, um diese zu überqueren. Die Prozessbevollmächtigte des Unfallgegners gab mit späteren Schreiben vom 11.05.2017 an, er habe an der linken Einmündung einen Radfahrer bemerkt, der sein Fahrrad angehalten, jedoch plötzlich losgefahren und direkt in sein Auto hineingefahren sei. Er habe den Fahrradfahrer kommen sehen, den Unfall aber trotz Vollbremsung nicht verhindern können. Er vermute, dass der Fahrradfahrer - der Kläger - lediglich den linksseitigen Verkehr beobachtet, nicht jedoch auf den von rechts kommenden Verkehr geachtet habe.

Der zuständige Richter des Amtsgerichts I. wurde kontaktiert, der um 14:40 Uhr eine Blutentnahme zwecks Blutalkoholmessung bei dem Kläger anordnete. Die Blutentnahme wurde sodann um 15:50 Uhr in der J. -Klinik durchgeführt. Ein vorab erhobenes Alkoholscreening...

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