Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Kostenübernahme für eine Oberschenkelprothese mit einem besonderen Kniegelenk. unmittelbarer Behinderungsausgleich. Grundbedürfnis. Verwendung beim Baden und Schwimmen

 

Orientierungssatz

1. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich durch ein Hilfsmittel nach § 33 Abs 1 S 1 SGB 5 gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschritts.

2. Bei einer Beinprothese für einen oberschenkelamputierten Versicherten geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden.

3. Der Versicherte hat Anspruch auf Kostenübernahmen für eine Oberschenkelprothese mit einem besonderen Kniegelenk, die auch beim Baden und Schwimmen verwendet werden kann und somit einen vorherigen Prothesenwechsel entbehrlich macht.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 mit einem G. Kniegelenk zu versorgen.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Versorgung mit einem G. Kniegelenk.

Dem 1981 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Kläger wurde infolge eines Verkehrsunfalls im April 2000 der linke Oberschenkel amputiert. Er wurde im September 2012 mit einer Prothese des Typs G. versorgt. Die Kosten für die Anschaffung dieser Prothese übernahm die Beklagte. Zudem ist er seit November 2013 mit einer Badeprothese versorgt.

Unter Vorlage einer Verordnung des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 13.08.2018 sowie eines Kostenvoranschlages der Fa. P. GmbH Orthopädietechnik aus A-Stadt vom 17.08.2018 in Höhe von insgesamt Euro 57.174,38 hatte der Kläger am 17.08.2018 die Kostenübernahme für eine Oberschenkelprothese links mit einem G. Kniegelenk beantragt.

Die Beklagte holte eine technische Stellungnahme nach Aktenlage bei der Hilfsmittelabteilung ein, die der technische Berater Hr. S. erstellte am 22.08.2018. Er lehnte die Gewährung ab, da das G. als Zusatz einen speziellen Laufmodus habe, der für sportliche Zwecke genutzt werden könne, für die die gesetzliche Krankenversicherung aber nicht zuständig sei. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2018 den Antrag ab. Sie teilte dem Kläger jedoch mit, dass alternativ eine Versorgung wie bisher mit dem G. Kniegelenk gewährt werden könne, da wegen Verschleiß eine Neuversorgung gerechtfertigt sei.

Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, dass neben den sportlichen Möglichkeiten, wie dem Joggen, das G. besonders im Nassbereich seine Vorteile habe. So habe er mit diesem Kniegelenk eine wesentlich bessere Stand- und Gehsicherheit als mit der Badeprothese und müsse überdies keinen Wechsel der Prothesen mehr vornehmen.

Die Beklagte holte daraufhin eine sozialmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage beim MDK ein, das der Arzt A. W. unter dem Datum vom 30.10.2018 erstellte. A. W. gelangte zu der Beurteilung, dass aufgrund der Nutzungsdauer der alten Prothese eine Neuversorgung angezeigt sei. Die Möglichkeit des Joggens stelle eine sportliche Betätigung dar, die nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle und nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung bewilligt werden könne. Desweiteren sei der Kläger mit einer wasserfesten Gehhilfe versorgt, so dass nur die Alltagsprothese zu ersetzen sei und zwar mit einem G. Kniegelenk und nicht dem X.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung heißt es, die Beklagte schließe sich den schlüssigen Ausführungen des MDK an, wonach die Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel medizinisch nicht notwendig sei und eine Kostenübernahme nicht in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Sozialgesetzbuch -Fünftes Buch- (SGB V) stünde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürften sportliche Betätigungen wie das Joggen, die das beantragte Hilfsmittel ermöglichen würden, nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um Grundbedürfnisse handele. Die Sportprothese biete für den Alltagsbereich keinen Gebrauchsvorteil. Hilfsmittel für den reinen Freizeitsport könnten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden.

Der Kläger erhob am 09.01.2019 Klage beim Sozialgericht Nürnberg mit dem Antrag, ihm die Kosten in Höhe von 57.174,38 Euro für eine Oberschenkelprothese links mit einem G. Kniegelenk und T. Heavy-Duty-Carbonfederfuß zu übernehmen. Er stützt sich dabei insbesondere darauf, dass die Beklage nicht auf die Folgeschäden am Bewegungsapparat bei Nichtaustauschen der Prothese eingegangen sei.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2018 in der Gestalt des ...

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