Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Gründungszuschuss. Tragfähigkeit der Existenzgründung. Prognoseentscheidung. angemessene Anlaufphase. Eigenleistungsfähigkeit. Ermessensfehlgebrauch

 

Orientierungssatz

1. Die Beurteilung der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist eine Prognoseentscheidung, die nicht bereits dadurch fehlerhaft wird, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse anders als prognostiziert entwickeln (vgl LSG Schleswig vom 11.12.2009 - L 3 AL 28/08).

2. Zur Frage der Bestimmung der Dauer einer angemessenen Anlaufzeit bis zum Vorliegen einer ausreichenden Lebensgrundlage.

3. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Gründungszuschuss ist es ermessensfehlerhaft, die vom Existenzgründer durch die Aufnahme eines Kredites geschaffenen Eigenleistungsfähigkeit zur Ablehnung des Förderantrags heranzuziehen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2012 verurteilt, über den Antrag vom 8.11.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses für eine zum 2.1.2012 hauptberuflich aufgenommene selbstständige Tätigkeit.

Der 1980 geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann sowie Diplomkaufmann (FH). Bis zum Dezember 2011 war er bei der C. GmbH beschäftigt. Mit Wirkung zum 1.1.2012 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos.

Bereits am 8.11.2011 beantragte der Kläger die Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 2.1.2012 als “Marketing Agentur„ mit der Geschäftsidee “Webportal für Erlebnisse„. Er sei bereits seit April 2009 nebenberuflich in der Marketing-Branche selbstständig tätig. Der Kläger legte eine Stellungnahme der D. und E. GbR als fachkundige Stelle vom 12.1.2012 zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vor. Hier ist ausgeführt, die Existenzgründung sei tragfähig. Das Unternehmenskonzept sei überzeugend sowie wettbewerbsfähig, die Erfolgsaussichten positiv, die Planzahlen realistisch.

In seinem Businessplan beschrieb der Kläger, er wolle unter der Domain www.erlebnissuche24.de eine Onlineplattform für Erlebnisse anbieten. Es handle sich sozusagen um “Gelbe Seiten der Erlebnis- und Freizeitaktivitäten„ wie zum Beispiel Quadtouren, Hochseilgärten und Fallschirmspringen. Die Kenntnisse bezüglich des Anbietermarktes habe er unter anderem durch seine Tätigkeit für die C. GmbH. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse habe er durch seine kaufmännische Ausbildung sowie das BWL-Studium. Das Kerngebiet sei Deutschland, Österreich und die Deutsch sprechende Schweiz. Ziel sei der Freizeit- und Tourismusmarkt. Zielgruppe seien zum einen die Anbieter der Erlebnisse (Wellness, Sport, Action, Fliegen und Fallen, Motorsport, Gastronomie) und zum anderen abenteuerlustige und sportlich ambitionierte Menschen zwischen 18 und 45 Jahren, die ihre Freizeit qualitativ hochwertiger gestalten möchten. Im Gegensatz zu den auf dem Markt vorhandenen Anbietern wolle er sich nicht auf die Zielgruppe der Schenker, sondern der Selbsterleber konzentrieren. Statt einer hohen Provision pro Vermittlung zahle der Erlebnispartner daher eine geringe monatliche Gebühr, welche sich größtenteils schon durch einen einzigen Kunden in zwei Monaten amortisiere. So werde dem Erlebnispartner auch Zeit erspart, da es keine komplizierten Provisionsabrechnungssystematiken gebe. Dies bedeute, die Anbieter der Erlebnisse nutzen seine Plattform um den Kunden die Erlebnisse anzubieten und zahlen dafür ein monatliches Entgelt. Prozentuale Provisionen für die Vermittlung eines einzelnen Erlebnisses fallen nicht an. Seine Umsatzplanung basiere auf monatlichen Gebühren von 15,- Euro pro Erlebnispartner. Um die Unternehmung tragfähig zu machen, müssten monatliche Umsätze von 4.519,- Euro generiert werden. Diese setzen sich aus den Lebenshaltungskosten vor Steuern von 1.500,- Euro (brutto ca. 2.300,- Euro) und den monatlichen Betriebsausgaben von 2.219,- Euro zusammen. Um den potentiellen Erlebnispartnern besonders zu Beginn der Unternehmung entgegenzukommen und stärkere Verkaufsargumente nutzen zu können, werden alle neu hinzu gewonnenen Erlebnispartner erst ab Mai 2012 Mitgliedsbeiträge zahlen müssen. Er rechne mit einer Absprungrate von 25 Prozent nach dem ersten Mitgliedsjahr. Zum Start der Unternehmung bringe er private Mittel in Höhe von 25.000,- Euro ein. Er rechne im ersten Jahr mit einem Jahresumsatz von 29.259,- Euro bei 374 Erlebnispartnern und im zweiten Geschäftsjahr mit einem Umsatz von 102.360,- Euro bei 761 Erlebnispartnern. Für das dritte Jahr hoffe er auf einen Umsatz von 167.670,- Euro bei 1.121 Erlebnispartnern. Hieraus ergebe sich ein Betriebsergebnis vor Steuern im ersten Jahr von 2.619,- Euro, im zweiten Jahr von 56.988,- Euro und im dritten Jahr von 107.298,- Euro bzw. 2.619,- Euro, 37...

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